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Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 8: Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 2


Mit dem Entscheid des Bundesrates vom 30. November 2011 zu Etappe 1 startete die zweite Etappe des Sachplans. Zielvorgaben des Konzeptteils für diese Etappe: Die Entsorgungspflichtigen (vertreten durch die Nagra) schlagen mindestens zwei Standorte pro Abfallkategorie (hochaktive Abfälle HAA einerseits und schwach- und mittelaktive Abfälle SMA andererseits) zur weiteren Untersuchung vor. Parallel dazu nehmen die Regionalkonferenzen ihre Arbeit auf. Sie sollen die Vorschläge der Nagra zur Platzierung der Oberflächenanlagen beraten und sich dazu äussern.

Für die Eingrenzung der weiteren Untersuchungen auf noch mindestens zwei Standorte, musste die Nagra die Langzeitsicherheit der möglichen Lagerstandorte berechnen (Provisorische Sicherheitsanalyse) und die Standorte anschliessend miteinander vergleichen. Dazu war es notwendig, die Kenntnisse des Untergrunds in allen Standortgebieten weiter zu vertiefen. Dies unter anderem mit seismischen Messungen in den Standortgebieten. Etappe 2 beinhaltete auch die Voruntersuchungen zu den Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie Grundlagenstudien zu den potenziellen sozioökonomisch-ökologischen Auswirkungen von Tiefenlagern auf die einzelnen Standortregionen (Schlussbericht SÖW).

Mit diesen Aufgaben im Rucksack machten sich alle Akteure auf den Weg. Anfangs 2015 präsentierte die Nagra ihren Einengungsvorschlag: Die beiden Gebiete Jura Ost und Zürich Nordost, die jeweils für beide Abfallkategorien in Frage kommen, sollten in Etappe 3 vertieft untersucht werden. Die drei ausschliesslich für SMA geeigneten Gebiete Wellenberg, Jura-Südfuss und Südranden sowie das Gebiet Nördlich Lägern, das sich ebenfalls für beide Abfalltypen eignet, wollte sie zurückstellen, also in Etappe 3 nicht weiter untersuchen. Im September 2015 verlangte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) zusätzliche Unterlagen. Denn das ENSI und seine externen Experten hatten im Verlauf der Detailprüfung festgestellt, dass die durch die Nagra eingereichte Datengrundlage für den Indikator „Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit“ (der die maximale Tiefenlage definiert) nicht vollständig und damit nicht belastbar ist. Die Nagra lieferte im August 2016 die geforderte Dokumentation nach. Mit Vorliegen des Hauptergebnisses des ENSI-Gutachtens per Ende 2016 bestätigte sich für die Behörden: Nördlich Lägern kann nicht ausgeschlossen werden und soll in Etappe 3 ebenfalls weiter untersucht werden.

Parallel dazu erarbeitete das Bundesamt für Energie BFE in Zusammenarbeit mit den betroffenen Akteuren wichtige Grundlagen für die bevorstehenden Aufgaben in Etappe 3. So zum Beispiel einen Leitfaden für die Abgeltungsverhandlungen, die Konzepte für das Monitoring der Auswirkungen eines künftigen Tiefenlagers, für mögliche vertiefte (volkswirtschaftliche) Untersuchungen sowie die Ausgestaltung der regionalen Partizipation. Auch die Gesuche für die vorgesehenen Sondierbohrungen stellte die Nagra noch während Etappe 2.

Es folgten Stellungnahmen weiterer Kommissionen und Behörden (Kommission für nukleare Sicherheit KNS, Bundesamt für Raumentwicklung ARE und Bundesamt für Umwelt BAFU) sowie der Standortkantone (vertreten durch den gemeinsamen «Ausschuss der Kantone») und der Standortregionen. Im November 2017 wurde die Vernehmlassung zum Ergebnisbericht eröffnet. Nachdem sämtliche Stellungnahmen geprüft und gewürdigt waren (siehe den entsprechenden Auswertungsbericht), legte der Bundesrat am 22. November 2018 die Resultate fest. Die zweite Etappe des Standortsuchverfahrens kam so nach ziemlich genau sieben Jahren zu ihrem Abschluss. Sieben Jahre, in denen sich die Akteure – Standortkantone, Regionalkonferenzen, Deutschland,  die Entsorgungspflichtigen und die Bundesbehörden – mit zahlreichen Themen befasst hatten, beispielsweise mit dem Grundwasserschutz, mit der Ausgestaltung möglicher Abgeltungsverhandlungen oder mit der Anzahl von Sitzen in den Regionalkonferenzen, und teilweise hart darum gerungen hatten (siehe Titelbild: Der runde Tisch wurde im Bernerhof mit Vertretern Deutschlands und Bundesrätin Doris Leuthard durchgeführt).

Einzelne Themen aus Etappe 2 werden wir in weiteren Beiträgen vertieft beleuchten.

Andreas Besmer, Fachspezialist Regionale Partizipation und Monika Stauffer, Leiterin der Sektion Entsorgung radioaktive Abfälle, Bundesamt für Energie BFE
Bild: BFE

In der Schweiz ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Abfälle langfristig sicher in geologische Tiefenlager verbracht werden. Das Standortsuchverfahren dafür läuft seit 2008 gemäss dem Sachplan geologische Tiefenlager. Damit wird der Einbezug der betroffenen Kantone, Gemeinden und Bevölkerung sichergestellt. Geleitet wird dieses Verfahren durch das Bundesamt für Energie.

Nach heutiger Planung soll die Standortwahl 2031 mit der Genehmigung der Rahmenbewilligungen für das geologische Tiefenlager und die Brennelementverpackungsanlage abgeschlossen sein. Auch diese beiden Verfahren leitet das Bundesamt für Energie.

Bisher sind in dieser Blogserie zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle erschienen:
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 1: 1900 – 1980 | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 2: bis 2008 | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 3: Menge und Arten der Abfälle | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 4: Ausweg aus der Sackgasse | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 5: Das Entsorgungsprogramm | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 6: Der Konzeptteil zum Sachplan geologische Tiefenlager | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie
Vom Umgang mit radioaktiven Abfällen in der Schweiz – Teil 7: Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1 | BFE-Magazin energeiaplus | Energiemagazin des Bundesamtes für Energie

 

 

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