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Neue Studie: Das Grundwasser zu energetischen Zwecken optimal nutzen


80 Prozent des Trinkwassers werden in der Schweiz aus Grundwasser gewonnen. Doch das Grundwasser ist auch eine wichtige thermische Energiequelle. Sie kann als Wärmequelle genutzt werden oder auch als Speicher. Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie hat das Wärmenutzungspotenzial im Grundwasser untersucht – und zwar in den Lockergesteinen. Die Ergebnisse sind auch als Geodaten-Satz verfügbar.

Die Studie kommt zum Schluss: Im Schweizer Lockergestein bietet das Grundwasser ein grosses Potenzial, das aber noch lange nicht ausgeschöpft ist. Die Studie kommt auf ein Energiepotenzial von 17 TWh. Dies unter der Voraussetzung, dass die Ressource ein geschlossenes System darstellt, dass also kein thermischer Austausch stattfindet und sich das Grundwasser auch nicht regeneriert. In der Realität beeinflussen jedoch Regen, Schnee, oder unterirdische Zuflüsse das Grundwasserdargebot und seine Beschaffenheiten.

Die Studienautoren berechneten das Potenzial anhand der verfügbaren Geodatensätze der Kantone und des Bundes. Allerdings: Nicht alle Kantone verfügen über vergleichbare Informationen über die Grundwasservorkommen. Deshalb konnte einzig ein theoretisches Potenzial berechnet werden.

Dennoch: Es wird erwartet, dass die Nutzung des Grundwassers für Wärme oder Speicherung an Bedeutung gewinnen wird – und dies nicht nur im Lockergestein. Projekte dieser Art gibt es bereits heute: Ewb, der Energieversorger der Stadt Bern, setzt z.B. ein Pilotprojekt für einen solchen saisonalen Wärmespeicher bei der Kehrichtverbrennungsanlage um. Die Eigenschaften und Beschaffenheiten des Grundwassers zur thermischen Nutzung im Raum Bern werden zurzeit weiter untersucht, um mögliche weitere Standorte zu definieren. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Der Uhrenkonzern Swatch-Omega nutzt den Grundwasserleiter unter seinem Hauptsitz in Biel zum Heizen und Kühlen mehrerer Gebäude. Der Flughafen Zürich hat ein Projekt gestartet, das einen tiefen Aquifer als saisonalen Speicher nutzen will.

Ist das Grundwasser unter unseren Füssen also die Goldgrube zur Wärmegewinnung respektive -speicherung? Was für Herausforderungen stellen sich bei der thermischen Nutzung dieser schutzwürdigen Ressource? Energeiaplus fragt bei Pierre Christe nach. Er ist Fachspezialist Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie (BFE).

Energeiaplus: Grundwasser lässt sich bereits heute in Kombination mit Wärmepumpen zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden oder in der Industrie effizient verwenden. Ist das Grundwasser eine Art Goldgrube im Boden?

Pierre Christe ist Fachspezialist Erneuerbare Energien im Bundesamt für Energie; Bild: BFE

Pierre Christe: Durch eine optimierte Nutzung könnte das Grundwasser künftig einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Netto-Null-Ziels leisten.

Aquifere sind für die thermische Energiespeicherung bestens geeignet. Dabei wird temporär die überschüssige Wärme aus dem Sommer im Untergrund gelagert und im Winterhalbjahr wieder zur Verfügung gestellt. Für sich allein oder in Kombination mit einem Fernwärmenetze kann diese Technologie zur Versorgung ganzer Gebiete und Areale beitragen und den Winterstrombedarf ideal senken.

Grundwasser wird bereits als Wärmequelle genutzt, siehe das Beispiel von Swatch-Omega in Biel oder des Flughafens Zürich: Was braucht es, damit das keine Einzelfälle bleiben?

Gute Planungsgrundlagen sowie gute Rahmenbedingungen. Die kartographische Erfassung und Inventarisierung der Grundwasservorkommen durch die Kantone hat daher eine hohe Priorität. Dies ist die wichtigste Voraussetzung, um aus dem theoretischen Wärmenutzungs-Potenzial die technisch und wirtschaftlich realisierbaren Potenziale bestätigen zu können. Grundwasserkarten sind dabei für die Vollzugsbehörde ein wertvolles Instrument für die Grundwasserbewirtschaftung und für die Beurteilung anderer grundwasserrelevanter Tätigkeiten. Mit gut fundiertem Wissen lassen sich die hohen Schutz- und Nutzungsansprüche langfristig vereinen. Aussagekräftige Grundlagen stellen zudem einen Mehrwert für die Gesuchsteller dar: Die Projekte lassen sich frühzeitig bei der Planung und Umsetzung optimieren, was einen positiven Einfluss auf das gesamte Bewilligungsverfahren hat.

Das Trinkwasser wird zu 80% aus Grundwasser bezogen. Wie verträgt sich das mit der Nutzung als Energiequelle? Was hat Priorität?

Die Nutzung des Grundwassers für Wärme oder als Speicher in der Nähe einer Trinkwasserfassung verträgt sich nicht. Der Trinkwasserschutz und die Trinkwasserversorgung hat hier immer Priorität. In den sogenannten nutzbaren Grundwasservorkommen würde sich aber unter Annahme adäquater Rahmenbedingung und klarer Auflagen die thermische Nutzung des Grundwassers, allgemein des Untergrunds, durchaus optimieren lassen.

Entscheidend wäre hier die verbesserte und konsistente Zugänglichkeit auf repräsentative hydrogeologische Grundlagen, die die Planungssicherheit garantieren und das nötige Verständnis zwischen Gesuchsteller, Vollzugsbehörde und allfälliger Dritter fördern würde. Schutz- und Nutzungsansprüche im Grundwasser sind zum Teil schwierig abzuwägen. Eine Gesamtbetrachtung über die vorhandenen Ressourcen ist deshalb wichtig für die Definition der kurz- und langfristigen Ziele.

Nur das Potenzial in den Lockergesteinsschichten wurde angeschaut, nicht aber in den sogenannten Kluft- oder Karst-Grundwasserleitern. Warum? Gäbe also noch mehr Wärme im Untergrund, die genutzt werden könnte?

Ja, es ist davon auszugehen. Trotz der Verpflichtung der Kantone Gewässerschutzkarten zu publizieren und laufend zu aktualisieren, weist die systematische Dokumentation der Karst- und Kluft-Grundwasserleiter oft noch Lücken auf. Die systematische Erfassung ist hier nämlich anspruchsvoll. Grundwasserkarten, auf denen unter anderem die geologischen Verhältnisse, die Grundwasservorkommen, deren Mächtigkeit und die Fliessrichtung des Grundwassers dargestellt werden, wären dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Die Ausarbeitung solcher Karten benötigt aber regional ausgelegte Datensätze und oft den Zugriff auf Grundwassermodelle, die leider noch nicht immer verfügbar sind, respektive mit einem erheblichen Aufwand verbunden sind.

Eine Aussage in der Studie erstaunt: Gemäss Studie ist das Grundwasser in dieser Schicht nach 40 Jahren erschöpft. Ist die Wärme im Grundwasser also nicht wirklich ein erneuerbarer Energieträger?

Nein. Diese Aussage kommt aus der starken Vereinfachung in der Berechnungsmethode, dass das Grundwasser eine «statische» Ressource im Untergrund wäre, also ein geschlossenes System. Im natürlichen Wasserkreislauf findet aber eine Grundwasserneubildung statt. Kontinuierliche Austauschprozesse und Wechselwirkungen mit der Atmosphäre (Regen und Schnee), der Hydrosphäre (Flüsse) und der Lithosphäre (unterirdische Zuflüsse) ermöglichen daher eine laufende Regeneration der Grundwasserressource. Bei der thermischen Nutzung, wie bei anderen Nutzungen für Trinkwasser, Landwirtschaft oder Industrie, muss aber immer beachtet werden, dass dem Grundwasser nicht mehr entnommen wird, als ihm zufliesst respektive das Grundwasser sich erneuern kann. Anders gesagt: Grundwasserwärme ist zwar erneuerbar muss aber nachhaltig bewirtschaftet werden.

Was sind Lockergesteinsgrundwasserleiter?

Lockergesteinsgrundwasserleiter sind aus wechselhaften Sand- und Kiesablagerungen zusammengesetzt. Der Kies wurde im Verlauf der letzten ein Million Jahre durch die Wirkung von Gletschern, Flüssen und Seen abtransportiert und sedimentiert. Dank unterschiedlicher Korngrössen und Ablagerungsstrukturen wird Grundwasser angesammelt und fliesst durch Poren. Die Fliessgeschwindigkeit beträgt in der Regel wenige Meter pro Tag, je nach Gefälle und Durchlässigkeit. Die meisten grossen Täler der Alpen und des Mittellandes sind mit solchen Ablagerungstypen gefüllt. Sie enthalten die wichtigsten genutzten Grundwasservorkommen der Schweiz.

(Quelle: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/publikationen-studien/publikationen-wasser/wegleitung-grundwasserschutz.html und https://www.geologieportal.ch/de/themen/grundlagen-der-geologie/quartaergeologie.html.

Text/Interview: Brigitte Mader, Kommunikation Bundesamt für Energie
Karte: Swisstopo – Geoinformation

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