Netto-Null der eigenen Emissionen bis 2040. Ohne Kompensationen. Dies ist das erklärte Ziel der Flughafen Zürich AG – der Eigentümerin und Betreiberin der Infrastruktur des Flughafens. Damit dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, muss vor allem eines geschehen: Die fossile Energie fürs Heizen und Kühlen der Gebäude muss durch erneuerbare ersetzt werden. Eine vielversprechende Lösung bietet der unterhalb des Flughafens entdeckte tiefe Aquifer.

Die Flughafen Zürich AG weist einen Gesamtenergieverbrauch von ungefähr 270 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr auf. Dies entspricht dem Energiekonsum einer mittelgrossen Stadt. Der grösste Teil, rund 150 GWh, entfällt dabei auf den Strombedarf für Gebäude und Anlagen. Für das Heizen der Gebäude werden 80 GWh und für das Kühlen 40 GWh gebraucht. Die Heizung und Kühlung sind jedoch für 90 Prozent der Treibhausgasemissionen der Flughafeninfrastruktur verantwortlich. Somit liegen hier die grössten Hebel und der stärkste Handlungsdruck, um bis 2040 Netto-Null der eigenen Emissionen zu erreichen. Neben der Energieeffizienz der Gebäude ist die Wärmequelle ausschlaggebend für die Reduktion des Treibhausgasausstosses. Zurzeit erfolgt die Wärmeerzeugung im eigenen Heizkraftwerk, hauptsächlich aus Erdgas, zu einem kleineren Teil aus Heizöl. Dies soll sich ändern.

Geothermie im grossen Stile
Bereits heute nutzt der Flughafen Zürich Energiepfähle und Erdsonden für die Wärme- und Kälteregulierung der neueren Gebäude. Der Untergrund des Flughafens wurde entsprechend mehrfach untersucht. Vor einiger Zeit gab es erste Hinweise darauf, dass sich unterhalb des Flughafens ein tiefliegender Aquifer, das heisst eine grundwasserführende Gesteinsschicht, befindet. Die Annahme hat sich bestätigt. Unterhalb des Flughafens befindet sich ein Rinne, die während der Eiszeit entstanden ist und Kies und Wasser führt. In einem mehrstufigen Verfahren wird zurzeit das Potenzial des Aquifers geprüft. Geplant ist eine geothermische Nutzung des Aquifers in einer Dimension, die in der Schweiz bislang einzigartig ist. «Unser Ziel ist, den Aquifer als saisonalen Speicher zu nutzen», erklärt Dominik Zimmermann, Leiter des Programms «Energie 2040» der Flughafen Zürich AG. «Die Wärme, die wir den Gebäuden im Sommer zum Kühlen entziehen, soll im Aquifer gespeichert und im Winter zum Heizen der Gebäude wieder von dort entnommen werden», führt der ETH-Maschinen-Ingenieur aus. Im Erfolgsfall soll der gesamte Flughafenkopf, das heisst 470 000 Quadratmeter, mithilfe des Aquifers beheizt und gekühlt werden. Die Einzel-Cluster (Dock E, The Circle, Werkhof) sollen weiterhin über die bereits bestehenden Erdsonden und Energiepfähle mit Wärme beziehungsweise Kälte versorgt werden.

Erste Phase: Seismische Untersuchungen
Für das Analyseverfahren arbeiteten die Fachpersonen des Flughafens Zürich mit der IG Rinne zusammen, einer Arbeitsgemeinschaft bestehend aus den drei Fachpartnern Geo Explorers AG, Sieber Cassina & Partner AG und E-Axiom GmbH. In einer ersten Phase der Analyse, die letztes Jahr startete, wurden seismische Untersuchungen durchgeführt. Mithilfe dieser geophysikalischen Erkenntnisse konnten die Lage und Dimension, das heisst Länge, Breite und Tiefe, des Aquifers bestimmt werden. Die Resultate zeigten das Ausmass des Aquifers: 30 Kilometer lang, bis zu einem Kilometer breit und bis zu 300 Meter tief. «Damit ist der Aquifer deutlich grösser als ursprünglich angenommen, wodurch die Erwartungen an unser Projekt nochmals gestiegen sind», freut sich Dominik Zimmermann.

Zweite Phase: Sondierbohrungen
In einer nächsten Phase wurden Sondierbohrungen an drei verschiedenen Standorten vorgenommen. Diese erlaubten, die Beschaffenheit des Aquifers zu untersuchen. Die Resultate dieser zweiten Analysephase zeigten, dass der Aquifer sich nicht nur aufgrund seiner Lage und Dimension, sondern auch aufgrund seiner Zusammensetzung grundsätzlich gut als saisonaler Wärmespeicher eignen würde. Dominik Zimmermann erklärt: «Die Rinne besteht wie erhofft aus Wasser und wasserdurchlässigem Schotter. Somit hätten wir die Möglichkeit einer direkten Erschliessung, ohne dass zusätzliche Rohre eingelegt werden müssten.»

Dritte Phase: Testbrunnen
In der letzten der drei Untersuchungsphasen gilt es nun, die Menge und Bewegung des Wassers im Aquifer zu untersuchen. Für eine effiziente Nutzung als saisonaler Wärmespeicher muss genug pumpbares Wasser (1000 Liter pro Minute) zur Verfügung stehen und die Fliessgeschwindigkeit des Grundwassers darf nicht zu hoch sein, damit sich die gespeicherte Abwärme nicht zu schnell vom Injektionszeitpunkt wegbewegt. «Im Idealfall ist das Grundwasser strömungsfrei. So könnten wir räumliche Wärme- und Kälte-Cluster definieren. Dadurch könnten wir ein einfaches Brunnenkonzept umsetzen», erklärt Dominik Zimmermann. Ob sich auch diese Hoffnungen erfüllen werden, sollen die Testbrunnen zeigen. Diese werden in unmittelbarer Nähe zu den Sondierbohrungen erstellt. Mit dem Bau der Testbrunnen soll im ersten Quartal dieses Jahres begonnen werden. Das Engagieren eines geeigneten Unternehmens für den Bau der Testbrunnen gestaltete sich relativ schwierig, da noch nicht viele Unternehmen über die nötige Erfahrung verfügen.

Aufgrund des hohen Innovationsgrades wird das Projekt vom Bundesamt für Energie BFE mit maximal einer Million Schweizer Franken gefördert. Die Gesamtkosten werden auf vier bis acht Millionen geschätzt. Sollte die letzte Untersuchungsphase – die Resultate der Testbrunnen – wider Erwarten ergeben, dass sich der Aquifer nicht als Wärmespeicher nutzen lässt, wird der Flughafen Zürich stattdessen ein grosses Erdsondenfeld bauen. Statt den vier bis acht Brunnen im Falle der Nutzung des Aquifers bräuchte es dann rund 800 Erdsonden. Ein eindrücklicher Vergleich, der zeigt, welch grosses Potenzial der Aquifer unterhalb des Flughafens birgt und welch bedeutende Rolle Aquifere in unserer Energiezukunft spielen könnten.

 

Klimastrategie des Flughafens Zürich
Die Flughafen Zürich AG verfolgt eine duale Klimastrategie. Einerseits hat sie sich das Ziel gesetzt, die eigenen Emissionen bis 2040 auf Netto-Null zu senken. Dabei verzichtet sie auf Kompensationen mittels Zertifikaten und investiert stattdessen in Massnahmen zur direkten Treibhausgasreduktion am eignen Standort, wie Erneuerung der Gebäude, Elektrifizierung der Fahrzeuge sowie Strom- und Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien. Andererseits unterstützt die Flughafen Zürich AG die Dekarbonisierung des Fliegens. Sie setzt sich für die Einführung von Sustainable Aviation Fuels (SAF) in der Schweiz ein, indem sie als Plattform die wichtigsten Akteure der Branche zusammenbringt.

 

Vorbild Energie und Klima
In der Initiative Vorbild Energie und Klima (VEK) leisten Anbieter öffentlich relevanter Dienstleistungen und institutionelle Investoren ihren Beitrag zur Energiestrategie 2050 und zum Pariser Klimaübereinkommen von 2015. Der Fokus liegt auf Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und neu auch auf klimaverträglichen Finanzflüssen. Alle Akteure berichten transparent über ihre Zielerreichung und teilen ihre Erfahrungen, damit auch weitere Unternehmen und Organisationen sich daran orientieren können.
www.vorbild-energie-klima.admin.ch

Julia Gremminger, Polarstern AG
Bilder: Flughafen Zürich AG & Geo Explorers AG

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