Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos hat einen Neubau errichtet. Der Neubau ist das erste Gebäude des ETH-Bereiches, das mit dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) in Platin ausgezeichnet wurde.

Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL betreibt in Davos das Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF. Das SLF-Areal besteht aus einem Ensemble von fünf Gebäuden. Das eingeschossige Haus D wurde abgebrochen und durch einen dreigeschossigen Neubau ersetzt. So konnten Werkstatt und Labor erneuert sowie zusätzliche Büroräumlichkeiten geschaffen werden. «Neben der fantastischen Aussicht auf die Berge schätzen die im Neubau tätigen Forscherinnen und Forscher das angenehme Raumklima und den leichten Holzgeruch», erzählt der Bauherrenvertreter Dominik Planzer. Im Interview spricht er über hohe Schneemengen, starke Sonneneinstrahlung und sonstige Umstände, die es bei der Planung und beim Bau zu beachten galt.

Wie wird der Neubau genutzt?
Im Erdgeschoss befinden sich Werkstätten und Labore. In den Werkstätten werden Spezialgeräte wie beispielsweise Messstationen für die Messung von Niederschlägen im Feld hergestellt und repariert. In den Laboren werden Proben wie zum Beispiel Bohrkerne aus Schnee und Eis untersucht und im Tiefkühler gelagert. In den beiden Obergeschossen befinden sich Arbeitsplätze, Besprechungsräume, informelle Meeting-Zonen sowie der Serverraum und das Archiv.

Welche Baumaterialien wurden verwendet?
Die Tragkonstruktion besteht aus einer Holz-Beton-Verbundkonstruktion. Für die Bodenplatte und das Treppenhaus setzten wir Beton ein, um den hohen Anforderungen des Bundes an die Erdbebensicherheit gerecht zu werden. Zwischen den Geschossen zogen wir jeweils eine Hybriddecke ein. Der Beton sorgt dort für die nötige Schalldämmung. Beim Beton handelt es zu 79 Prozent um Recycling-Beton. Die Innenräume sind mit viel sichtbarem Fichtenholz verarbeitet. Die Hauptträger aus Fichten- und Buchenholz wurden in der Schweiz aus überwiegend einheimischem Holz hergestellt.

Wie wird das Gebäude mit Energie versorgt?
Alle fünf Gebäude des SLF-Areals sind an eine zentrale Wärmeversorgung angeschlossen. Diese wurde bereits vor fünf Jahren erneuert und von Heizöl auf eine erneuerbare Energiequelle umgestellt. Seither liefern Erdsonden und Wärmepumpen die Wärme für die Heizung und das Brauchwarmwasser. Ausserdem verfügt der Neubau über eine Photovoltaikanlage. Davos ist sehr sonnig und die Einstrahlung mit bis zu 100’000 Lux sehr hoch. Im Vergleich: Ein gut ausgeleuchtetes Schulzimmer erreicht zwischen 500 bis 1000 Lux. Eine Photovoltaikanlage drängt sich daher auf. Wir haben uns für eine massgeschneiderte und hocheffiziente Fassadeninstallation des Schweizer Herstellers 3S Swiss Solar Solutions entschieden.

Wieso wurde die Photovoltaikanlage an der Fassade installiert?
In Davos liegen während ungefähr fünf Monaten durchschnittlich zwischen einem halben und zwei Metern Schnee. Dachmodule wären folglich während mehrerer Monate im Jahr zugeschneit. Die Fassadeninstallation hat zudem den Vorteil, dass der in der Umgebung liegende Schnee das Sonnenlicht auf die Fassade reflektiert. Weiter liefern die senkrechten Module im Winter, wenn die Sonne tief steht, mehr Energie als Module auf dem Dach. Und nicht zuletzt ist die Ausrichtung des Gebäudes mit den beiden Längsseiten gegen Osten und Westen perfekt, damit nicht nur mittags, sondern während des ganzen Tages Solarstrom produziert wird. Dieser wird ganzjährig zu 100 Prozent selbst verbraucht.

Wie sah der Zeitplan des Baus aus?
Die Planung startete im Jahr 2019. Die Baueingabe wurde im darauffolgenden Jahr bei der Gemeinde deponiert. Der Bau startete im Juni 2021. Im September 2022 konnten wir das Gebäude in Betrieb nehmen. Die Realisierung musste schnell geschehen, weil die Werkstätten währenddessen in einem Provisorium mit beschränkten Möglichkeiten und wenig Komfort untergebracht waren.

Wie lange dauerten die Arbeiten am Rohbau?
Nach einer mehrmonatigen Vorphase mit Aushub und Betonarbeiten stellten wir die Gebäudehülle, das heisst die Tragekonstruktion aus Holz sowie die Wände, Dach und Fenster innerhalb von drei Wochen auf. Wir arbeiteten mit vorfabrizierten Elementen, die vor Ort nur noch zusammengebaut werden mussten. Der Vorteil unserer Holz-Beton-Konstruktion gegenüber eines reinen Betongebäudes oder eines gemauerten Hauses war zudem, dass wir kürzere Trocknungszeiten hatten. Wir konnten das Gebäude deshalb nach der Aufrichte sofort heizen und mit dem Innenausbau beginnen.

Die Gemeinde Davos kennt wie andere Tourismusdestinationen einen winterlichen Baustopp – aus Rücksicht auf den Tourismus und wegen den Strassenverhältnissen zu dieser Zeit. Inwiefern beeinträchtigte die so genannte Wintersperre das Projekt?
Das Bauverbot zwischen Dezember und Ostern war bekannt und deshalb keine Überraschung. Ausserdem wären Betonarbeiten im tiefsten Winter mit Temperaturen von minus fünf Grad und weniger sowieso sehr schwierig. Wir planten den Bauprozess deshalb so, dass wir während des Bauverbots den weiterhin erlaubten Innenausbau vorantreiben konnten. So konnten wir das Gebäude pünktlich im Herbst 2022 in den Betrieb nehmen.

Was ist der grösste Erfolg dieses Projektes?
Mit der Platin-Auszeichnung des SNBS wurden unsere Bemühungen für die Nachhaltigkeit anerkannt. Für die WSL war von Beginn weg klar, dass ein besonders umweltfreundliches Gebäude aus Schweizer Holz, mit einem reduzierten Betonanteil und ohne Lösungsmittel gebaut werden soll. Doch es wurde nicht nur auf die Baumaterialien und einen Betrieb mit erneuerbaren Energien geachtet, sondern ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept für das Gebäude entwickelt. Dieses umfasst neben den Vorschriften zum Energieverbrauch, dem Raumklima und den ökologischen Baustoffen unter anderem auch die Rücksichtnahme auf Tiere, die Förderung des Veloverkehrs und die Kommunikation mit der Nachbarschaft sowie mit den Nutzerinnen und Nutzern des Gebäudes. Dank dem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis der WSL und dem Ehrgeiz des Architekten Dieter Schwarz ist es uns gelungen, neben der Minergie-P-ECO-Zertifizierung, die SNBS-Auszeichnung in Platin zu erlangen. Ursprünglich hatten wir die Gold-Auszeichnung angestrebt. Dank der Motivation und dem Engagement aller Beteiligten konnten wir unser ambitioniertes Ziel sogar übertreffen.

Vorbild Energie und Klima
In der Initiative Vorbild Energie und Klima (VEK) leisten Anbieter öffentlich relevanter Dienstleistungen und institutionelle Investoren ihren Beitrag zur Energiestrategie 2050 und zum Pariser Klimaübereinkommen von 2015. Der Fokus liegt auf Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und neu auch auf klimaverträglichen Finanzflüssen. Alle Akteure berichten transparent über ihre Zielerreichung und teilen ihre Erfahrungen, damit auch weitere Unternehmen und Organisationen sich daran orientieren können.
www.vorbild-energie-klima.admin.ch

Text: Julia Gremminger, Polarstern AG
Bilder: Joanna Bolle Photography

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