Forschen für das Energiesystem der Zukunft
Flexibilität, Resilienz, Sektorkopplung – was hat das alles mit dem Energiesystem von morgen zu tun? Wie können die erneuerbaren Energien bestmöglich in das bestehende Energiesystem integriert werden? Das Energiesystem der Zukunft ist einer von vier Schwerpunkten im Energieforschungskonzept des Bundes.
Die Forschung im Bereich der Energiesysteme konzentriert sich seit längerem nicht mehr ausschliesslich auf einzelne Technologien. Vielmehr zeigt sich, dass die einzelnen Erzeugungsarten (Sonne, Wind, Wasser, Bioenergie, Geothermie) immer stärker miteinander vernetzt sind. Darin liegt viel Potenzial. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, wie das so geschehen kann, damit Erzeugung und Verbrauch jederzeit im Gleichgewicht sind.
Die Forschung legt deshalb den Fokus auf die Integration erneuerbarer Energien in das bestehende Energiesystem. Dabei sollen flexiblere und resilientere Energiesysteme entwickelt werden, die den steigenden Anteil neuer erneuerbarer Energien besser aufnehmen können. Dies beinhaltet die Entwicklung und Optimierung von Flexibilitätsmechanismen, Speichertechnologien und sektorkopplungsrelevanten Systemen.
Was heisst das? Welche konkreten Forschungsprojekte gibt es? Energeiaplus hat bei Sandra Hermle nachgefragt. Sie ist Fachspezialistin in der Sektion Energieforschung im Bundesamt für Energie (BFE).
Energeiaplus: Ein Schlüsselelement des zukünftigen Energiesystems ist die Sektorkopplung. Warum ist dies ein entscheidender Punkt?
Sandra Hermle: Die einzelnen Sektoren Strom, Gas, Wärme und die Mobilität können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern stehen in Zukunft mehr und mehr miteinander im Austausch. Ziel ist, Produktionsanlagen, Infrastrukturen (z.B. Gas- oder Fernwärmeleitungen, ARA) und Märkte der verschiedenen Sektoren besser aufeinander abzustimmen, um so ein flächendeckendes, intelligentes Energiesystem aufzubauen, welches beispielsweise zu jedem Zeitpunkt flexibel auf Produktion und Nachfrage reagiert.
Was soll dabei genau erforscht werden?
Beispielhaft möchte ich ein Pilotprojekt des BFE nennen, welches wir zusammen mit einem regionalen Energiedienstleister im Bereich Power-to-Gas (PtG) durchführen. Bei diesem Projekt ist die PtG-Anlage in eine Kehrichtverwertungsanlage (KVA) und eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) integriert. Das Ziel ist, synthetisches Methan aus Wasserstoff (produziert mit Strom aus der KVA) und CO2 aus dem Klärgas mit Hilfe von Mikroorganismen der PtG-Anlage herzustellen. Die PtG-Technologie ist somit das verbindende Element der Sektoren Strom und Gas (Sektorkopplung). Das Gesamtsystem kann so an Flexibilität gewinnen, weil das Methan genau dann produziert wird, wenn der lokale Strom zur Verfügung steht. Das Methan wiederum kann bis zu seiner Verbrennung beliebig lange gespeichert werden.
Mit dem Projekt sollen zum einen Erkenntnisse bezüglich der PtG-Technologie in der industriellen Anwendung gewonnen werden, zum anderen soll dargelegt werden, unter welchen Rahmenbedingungen eine solche Anlage wirtschaftlich und systemdienlich betrieben werden kann.
Ein weiterer Fokus liegt auf den Speichertechnologien. Was kann die Forschung hier beitragen?
Hier geht es zum einen darum, die Bandbreite möglicher Speichertechnologien genauer punkto Materialien, Effizienz, Langlebigkeit zu untersuchen (z.B. mechanische, thermische, elektrische, chemische Speicher). Zum anderen sollen die vielversprechendsten Technologien weiterentwickelt werden. Ziel ist es, mit solchen Speichern das Gesamtsystem zu flexibilisieren und optimieren.
Das Energiesystem der Zukunft soll also resilient und flexibel sein. Welche Antworten soll die Forschung hier liefern?
Das Energiesystem der Zukunft wird viel fragmentierter sein. Man denke nur an all die dezentralen Produktionsanlagen bei der Solarenergie beispielsweise. Da ist ein grosser Zubau im Gang. Hinzu kommen neue Verbraucher (Wärmepumpen, Elektro-Fahrzeuge). Und wie bereits erwähnt – die Verknüpfung der Sektoren.
Gleichzeitig bieten die dezentralen Produktionsstandorte und die neuen Verbraucher dem System aber auch neue Flexibilitätsmöglichkeiten. Wichtig ist, dass sie von Anfang an so ausgestaltet werden, dass sie auch einen Beitrag zur Resilienz leisten, z.B. nach einem Blackout aktiv mithelfen, das System wieder hochzufahren
Wie sieht es bei den einzelnen Technologien aus? Gibt es da überhaupt noch Potenzial zur Weiterentwicklung?
Ja, durchaus. Das zeigen die rund 20 Forschungsprogramme und das Pilot- und Demonstrationsprogramm des BFE. (siehe https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/forschung-und-cleantech/forschungsprogramme.html/).
Die Nutzung der Wasserkraft ist eine etablierte Technologie, jedoch stellen sich aktuelle Fragen. Beispielsweise betreffend der Erhöhung der Winterstromproduktion oder der Sicherheit der Stauanlagen unter sich ändernden Umgebungsbedingungen. Ein anderes Beispiel ist die Geoenergie. Hier geht es um die Nutzung der Geothermie für die Produktion von Wärme. Neue Prospektionsmethoden sollen unter anderem entwickelt werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit einer ersten Erkundungsbohrung zu erhöhen.
Diese beiden Energieerzeugungstechnologien befinden sich in zwei ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Beide liefern jedoch durch die subsidiäre Forschungsförderung wichtige Erkenntnisse für die Schweiz, um die Transformation des Energiesystems voranzutreiben.
Gibt es andere konkrete Forschungsprojekte, die besonders interessieren könnten?
Im Bereich der BFE Energieforschungsförderung möchte ich zwei Beispiele aus ganz unterschiedlichen Programmen nennen.
Das erste betrifft Biogasanlagen: Sie produzieren erneuerbares Methan aus Biomasse. Wird Biomasse vergärt entsteht ein Gemisch aus Methan und CO2. Das CO2, das in der Pflanze beim Wachstum gebunden wurde, wird nun freigesetzt. Dieses CO2 kann man nun auch nutzen, indem man Wasserstoff beigibt (Methanisierung) und so mehr Methan produziert. Somit wird die gesamte Gasproduktion in energetisch nutzbares Biogas umgewandelt.
Um dies mit hoher Effizienz zu erreichen, ist u.a. Materialforschung an Katalysatoren für die Methanisierung notwendig. Mehr zum Projekt hier: SmartHiFe2 – Innovatives Fe-katalysiertes Verfahren zur Biogas-Aufbereitung – Texte (admin.ch)
Ein weiteres Projekt soll aufzeigen, wie dezentrale Batteriespeicher bei Endverbraucherinnen und -verbrauchern so eingesetzt werden könnten, dass sie dem Verteilnetz nützen. Gleichzeitig sollen auch die Vergütungsmöglichkeiten evaluiert werden. Am netzdienlichsten ist es, wenn der Speicher so geladen oder entladen wird, dass im lokalen Netz möglichst keine Leistungsspitzen entstehen. Mehr zum Projekt hier: BAT4SG – Netz-optimierter Betrieb von dezentralen Kundenspeichern – Texte (admin.ch)
Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
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