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«Laden zuhause ist zentral für die Entwicklung der Elektromobilität»


Die Schweiz fährt elektrisch: So sieht das Szenario für das Jahr 2050 aus. Wer mit dem Elektroauto unterwegs ist, muss auch irgendwo laden können. Ein Bericht des Bundesamts für Energie (BFE) zeigt auf, wie sich die Ladeinfrastruktur bis 2050 entwickeln soll. Darin sind die Ansichten von 51 relevanten Organisationen eingeflossen. Was sind die wesentlichen Erkenntnisse? Und wo die Herausforderungen? Energeiaplus klärt mit dem Mobilitätsexperten des BFE, Alois Freidhof, Fragen zur Zukunft der Ladeinfrastruktur.

Energeiaplus: Wenn immer möglich, soll man sein E-Auto daheim aufladen können. Das ist eine der Schlussfolgerungen im Bericht des BFE. Ist das realistisch?

Alois Freidhof: Das Auto sollte möglichst dort geladen werden, wo es ohnehin steht. Und das ist meist Zuhause. Das Laden zuhause hat einen ganz besonderen Vorteil im Vergleich zu einem Benzin- oder Dieselfahrzeug: ich fahre vollgeladen von zuhause weg. Wenn ich aber keinen eigenen Parkplatz habe für mein Auto, werde ich es nicht zuhause laden können. Dann möchte ich es aber gerne dort laden, wo ich es auch sonst parkieren würde. Und das ist heute noch meistens am Strassenrand. Wir nennen das «Laden im Quartier». Es wird also nicht immer möglich sein, eine eigene private Ladestation zu haben. In der Studie haben wir mehrere Szenarien gerechnet. Darunter auch Szenarien, bei denen nicht alle Heimparkplätze mit Ladestationen ausgestattet sein werden. Vor allem mittelfristig wird es noch eine Hürde sein, den Heimparkplatz zu elektrifizieren.

Bis 2035 sollen zwei Millionen private Ladepunkte in der Schweiz entstehen. Das ist ein massiver Ausbau. Wo sehen Sie da die Herausforderungen?

Die Branchenvertreter, die an dieser Studie mitgewirkt haben, haben keine grundsätzlichen Hürden gesehen. Es gibt aber einige Hemmnisse, die es in manchen Fällen schwer machen, eine Ladestation zuhause zu haben. Das sind zum Teil die Kosten, die aber im Vergleich zu anderen Investitionen an Häusern nicht so sehr ins Gewicht fallen. Die verfügbare Leistung des Anschlusses kann ein Problem sein, wofür es aber mittelfristige Lösungen gibt. Wahrscheinlich ist das Haupthindernis die teilweise noch fehlende Bereitschaft der Besitzer und Besitzerinnen von Mehrparteigebäuden, in eine Ladeinfrastruktur zu investieren. Die zwei wichtigsten Gründe dafür: Unklarheit wie die Kosten umgelegt werden können auf die Mieter und Mieterinnen und Stockwerkeigentümerschaften und noch zu wenig Vertrauen, dass die Zukunft der Personenwagen elektrisch sein wird.

Einen besonderen Effort braucht es also bei den Mietgebäuden. Gleichzeitig mit dem Bericht des BFE wurde auch ein Leitfaden zum Laden in Mietobjekten publiziert, den die Branchenorganisation Swiss eMobility zusammengestellt hat. Kann ein Leitfaden da Schub verleihen?

Wie schon erwähnt: Vertrauen auf die Entwicklung und Wissen, wie man damit umgeht, sind Bausteine, um das Handeln zu aktivieren. Gerade in einem noch jungen aber sich schnell entwickelnden Technologieumfeld tauchen immer wieder Mythen und Fehlinterpretationen auf. Für Immobilienbesitzer und -besitzerinnen ist das Thema Elektromobilität oft Neuland. Daher sind das Vermitteln von Wissen und Handlungsempfehlungen in diesem Leitfaden spezifisch für Verantwortliche im Immobilienbereich sehr hilfreich. Auch für andere Zielgruppen wird EnergieSchweiz Leitfäden entwickeln und diese auf der neuen Plattform www.laden-punkt.ch zur Verfügung stellen.

Laden zuhause soll eine zentrale Rolle spielen. Wie sieht es mit den anderen Ladeoptionen (am Arbeitsplatz, im Quartier, unterwegs, Schnell-Laden z.B. auf Autobahnen) in Zukunft aus?

Diese sind absolut erforderlich, wenn wir eine nahezu vollständige Elektrifizierung anstreben. Denn zwischen 400’000 und 1 Million Steckerfahrzeuge werden 2035 weder zuhause noch am Arbeitsplatz laden können. Diese werden dann über ein allgemein zugängliches Ladenetz ihr Auto aufladen müssen. Aber auch wer zuhause laden kann, wird hin und wieder auf längeren Strecken unterwegs laden müssen.

Sie nennen im Bericht auch Zahlen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht nur zum Laden zuhause, sondern auch zum Laden auswärts. (Bis zu 84’000 allgemein zugängliche Ladepunkte bis 2035) Worauf basieren Ihre Schätzungen?

Hergeleitet wird die Anzahl Ladepunkte aus dem Ladebedarf, also in erster Linie, wie sich die Anzahl der Steckerfahrzeuge entwickeln wird. Dies wiederum basiert auf einer ganzen Reihe von Annahmen zum Beispiel bezüglich technologischer Entwicklung und der Verkehrsentwicklung, für die die Verkehrsperspektiven des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) herangezogen wurden.

Der Ladebedarf unterwegs ergibt sich aus dem Mobilitätsverhalten und daraus, wie viel des Ladebarfs bereits zuhause gedeckt werden kann. Dabei wurden drei verschiedene Szenarien gerechnet, die wir Ladewelten nennen.

Welches der drei verschiedenen Lade-Szenarien ist denn das realistischste? Bequem (Fokus privat und langsam laden), Geplant (Fokus öffentlich und schnell laden) und Flexibel (Fokus öffentlich und langsam laden)?

Für die meisten Akteure, mit denen wir die Studie reflektiert haben, ist die Ladewelt Bequem das wahrscheinlichste respektive plausibelste Szenario, da es dem Kundenbedürfnis am meisten entspricht. Wie zuvor ausgeführt, wird das aber wahrscheinlich nicht so schnell machbar sein. Daher werden, zumindest in den nächsten 10-15 Jahren, auch die anderen Ladewelten eine Rolle spielen.

Es war aber nicht das Ziel, eine Ladewelt zu priorisieren, weil sie als besonders realistisch erscheint. Vielmehr sollen die Ladewelten den Entscheidungsträgern helfen, wie sie die Ladeinfrastruktur in ihren Regionen gestalten wollen, und welche Konsequenzen jeweils daraus resultieren. Es kann also durchaus sein, dass unterschiedliche Regionen unterschiedliche Strategien, also Ladewelten, verfolgen.

Zurück zum BFE-Bericht über die Zukunft der Ladeinfrastruktur in der Schweiz: Erwähnt wird darin auch, dass der Aufbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge nicht mit dem Aufbau des Tankstellennetzes verglichen werden kann. Was ist denn anders?

Das Tankstellennetz hat sich langsam entwickelt, parallel zur Entwicklung der Zahl von Personenwagen. In der Schweiz gibt es rund 3360 Tankstellen. Das Geschäftsmodell und die Player sind ziemlich klar. Beim Aufbau der Ladeinfrastruktur ist das Tempo ein wichtiger Faktor. Der Wechsel zur Elektromobilität wird jetzt sehr rasch stattfinden. Wenn wir bis zum Jahr 2035 bis 84’000 Ladepunkte haben wollen, muss schnell und koordiniert gehandelt werden. Im Gegensatz zum Tankstellennetz ist punkto Tarife, Services und Rollenverteilung der Akteure noch vieles in Bewegung.

Schätzungen macht der Bericht auch zum zusätzlichen Strombedarf. 7.3 TWh sind es 2035. Das ist mehr als die Energieperspektiven 2050+ veranschlagen. Wie verlässlich sind solche Schätzungen?

Wir haben heute eine klarere Sicht auf die Möglichkeiten der Elektromobilität als noch vor 3-4 Jahren. Die Akteure sind sich weitgehend einig, dass der Elektroantrieb sich durchsetzen wird. Andere Antriebsformen werden im Betrachtungszeitraum (bis 2050) nur eine Nischenposition einnehmen. Der EU-Entscheid zum Ende des Verkaufs von Verbrenner-Fahrzeugen hat ein klares Zeichen gesetzt. Natürlich verbleibt bei Prognosen immer eine gewisse Ungenauigkeit. Ob diese Zahl 2034 oder erst 2036 erreicht wird, kann auch noch von nicht planbaren Faktoren abhängen, wie z.B. Lieferengpässe, wie wir sie in den letzten zwei Jahren gesehen haben.

Für den Bericht hat das BFE Akteure von 51 Organisationen aus verschiedenen Bereichen beigezogen. Warum?

Vorstellungen, wie sich die Ladeinfrastruktur entwickeln wird, gab es schon einige. Diese Vorstellungen orientieren sich typischerweise an der Perspektive, die man einnimmt. Und die kann eben sehr unterschiedlich sein. Daher wollte das BFE Akteure aus sehr unterschiedlichen Disziplinen zusammenbringen, um die Perspektiven gegenseitig zu öffnen und ein gemeinsames Verständnis zu bilden. Daher wurden, Vertreterinnen und Vertreter nationaler Verbände zu einem strategischen Beirat eingeladen, um die Ergebnisse aus den verschiedenen Perspektiven zu reflektieren. Zusätzlich wurden mehrere Workshops mit Fachexperten und -expertinnen durchgeführt, um die vielen Annahmen, die in dem Modell stecken, zu verifizieren.

Für wen ist dieser Bericht gedacht? Wozu soll er dienen? Als Planungswerkzeug?

Der Bericht richtet sich an alle, die an der Gestaltung der elektrifizierten Mobilität, insbesondere an der zukünftigen Ladeinfrastruktur, mitwirken. Entweder als Planerin, Meinungsbilder, Umsetzerin oder Entscheidungsträger von Rahmenbedingungen. Das können also Gemeinden sein, die Förderprogramme aufsetzen oder Flächen zur Verfügung stellen wollen. Angesprochen sind auch die Installationsbranche und die Betreiber von Ladeservices, die Ladeinfrastrukturen in Immobilien oder allgemein zugänglichen Flächen bauen.  Es sind die Immobilienbesitzer oder -verwalterinnen, die den Mieter und Mieterinnen das Laden ermöglichen wollen. Auch für die Stromversorger ist eine langfristige Planung wichtig, um den Netzausbau entsprechend vorzubereiten. Wichtig ist, dass diese Akteure sich miteinander abstimmen und auf Basis dieser Studie mit den gleichen Planungsannahmen arbeiten.

Hier geht’s zur Medienmitteilung

 

Wissenswertes zur Ladeinfrastruktur in Immobilien:

Ein neuer Leitfaden zeigt auf, was geeignete und zukunftssichere Ladeinfrastrukturen für Mehrparteiengebäude auszeichnet und beschreibt Schritt für Schritt das Vorgehen bei der Umsetzung einer Ladeanlage. Anhand einer einfachen Checkliste kann ein Elektromobilitätskonzept zusammengestellt werden, welches die wichtigsten Überlegungen und Entscheide aus Sicht Eigentümerschaft oder Verwaltung zusammenfasst, wie die Anzahl Ladestationen, die Beschaffungs- und Bewirtschaftungsorganisation oder die Finanzierung und Abrechnung an die Mieterschaft.

Und hier geht’s zum Leitfaden.

Auf Laden-Punkt.ch sind zudem alle Informationen und Hilfestellungen im Zusammenhang mit der Planung und Realisierung von Ladeinfrastruktur zu finden.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Shutterstock:
Stock Photo ID: 2268109735 Owlie Productions

 

 

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