Steigende Schülerzahlen, zu wenig Platz: Viele Schulhäuser entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen – auch punkto Energieeffizienz. Der Sanierungsbedarf ist gross. Energeiaplus zeigt, wie die Berner Landgemeinde Vechigen und die Stadt Genf ihre Schulanlagen energetisch erneuern respektive erneuert haben und fragt, inwiefern die beiden Beispiele als Vorbild für andere taugen. 

Das Schulhaus Stämpbach in der Berner Vorortsgemeinde Vechigen ist ein Schulhaus, wie es vielerorts anzutreffen ist: ein dreistöckiges Gebäude mit grossen Fensterfronten und Eternitdach. 1968 wurde es gebaut, 1987 kam ein Anbau dazu und 1996 ein freistehender Kindergarten. Doch: Neue Unterrichtsformen erforderten mehr Platz. Aber auch punkto Energieeffizienz, Lufthygiene und Wärmeschutz im Sommer entsprachen die Gebäude nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Zwischen 2019 und 2021 wurde das Schulhaus darum erneut erweitert. Wegen der Zentralisierung zweier Schulstandorte kamen ein zusätzlicher Kindergarten, ein Spezialtrakt mit Gruppenräumen für Gestalten und Musik, eine Tagesschule sowie vier zusätzliche Klassenzimmer dazu. Und die Schulanlage wurde vor allem auch energetisch saniert.

Schulanlage Stämpbach in Vechigen nach der Sanierung; Bild: Roland Juker

Bereits vor der Gesamterneuerung war die Ölheizung stillgelegt und das Gebäude an eine erneuerbare Fernwärmeversorgung (Holzschnitzel) angeschlossen worden. Der neue Kindergarten und der neue Spezial-Trakt wurden dann im Minergie-A-Standard realisiert, die bestehenden Gebäude im Minergie-Standard saniert.

Obwohl zunächst umstritten, wurde schliesslich auch eine mechanische Bedarfslüftung eingebaut. Die Lüftungsanlage ist mit CO2-Sensoren in den Klassenzimmern ausgerüstet. So wird sichergestellt, dass die Anlage energieeffizient läuft und nur die Frischluftmenge zur Verfügung gestellt wird, welche auch benötigt wird. Dies werde von allen geschätzt, heisst es im Projekt-Abschlussbericht. Auf den Dächern von Turnhalle, Kindergarten und Klassentrakt wurden PV-Anlagen installiert. Die Gemeinde setzte hier auf ein Contracting-Modell.

16,2 Millionen Franken kosteten Um- und Neubau. Realisiert wurde die Gesamterneuerung während des Schul-Betriebs. So konnte auf kostspielige Schulraumprovisorien verzichtet werden. Die Lärmbelastung sei insbesondere bei der Sanierung des Klassentrakts teilweise belastend gewesen für den Schulbetrieb, liest man im Abschlussbericht. «Durch die Thematisierung des Bauens im Unterricht schuf die Schule aber viel Verständnis bei den rund 300 Kindern, Eltern und 30 Lehrpersonen.» Für die Planenden habe die gestaffelte Realisierung Mehraufwand bedeutet, für die regionalen Handwerksbetriebe hingegen resultierten daraus bewältigbare Auftragseinheiten.

Mehr Infos zum Sanierungsprojekt in Vechigen. Gesamtsanierung und Erweiterung Schulanlage Stämpbach Bürgi Schärer Architekten AG

Erst gestartet ist der Umbau der Liotard-Schule in Genf, wo 20 Klassen unterrichtet werden. In den letzten Jahren ist die Zahl der Schüler und Schülerinnen im Quartier stark angestiegen, der Platz knapp geworden. Das vor 50 Jahren errichtete Gebäude entspricht nicht mehr den Bedürfnissen und Anforderungen einer Schule. Das Schulgebäude braucht soviel Gas zum Heizen wie kein anderes in der Stadt Genf. Und bei den Aussenanlagen dominiert Asphalt. Viele Gründe für eine Sanierung.

Eine grosse Baustelle für mehr Energieeffizienz

Seit Anfang Juli 2024 wird nun gebaut. Die Arbeiten dauern drei Jahre und sollen bis zum Schuljahresbeginn 2027 abgeschlossen sein. Die Schule will dabei sowohl hohe energetische wie ökologische Standards erfüllen. Eine neue thermische Hülle sorgt für eine bessere Isolation. Durch die neue Hülle wird der Wärmebedarf um ein Viertel reduziert, obwohl die Schulfläche um 30% erweitert wird. Zudem soll künftig keine Energie mehr ungenutzt verpuffen.

Künftig wird die Schule mit Wärme aus dem lokalen Fernwärmenetz (CAD SIG) beheizt. Der Anteil an erneuerbarer Energie soll bis 2030 auf 80% erhöht werden. So wird beispielsweise die Abwärme der Küche teilweise zur Erwärmung des Wassers im Schwimmbad genutzt.

Das Hauptdach wird begrünt und mit 906 m² Photovoltaik- und Hybridpanels ausgestattet. Sie liefern gleichzeitig Strom und Warmwasser und decken den Bedarf des Schwimmbads.

Neben dem Energieaspekt wird bei diesem Projekt auch auf die graue Energie und auf umweltfreundliche Materialien geachtet: So wird unter anderem Recycling-Beton eingesetzt. Für die energetische Sanierung gab es Fördermittel des Gebäudeprogramms.

Wie beispielhaft sind diese Schulhaus-Sanierungen? Warum lohnt es sich, auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu setzen? Antworten gibt es von Christian Stünzi, Leiter Zertifizierung und Qualität bei Minergie Schweiz.

Energeiaplus: Welchen Stellenwert haben Energieeffizienz und Nachhaltigkeit bei Schulhaus-Sanierungen? Was stellen Sie da fest?

Christian Stünzi ist bei Minergie für Zertifizierung und Qualität zuständig; Bild: Minergie – Christian Stünzi

Christian Stünzi: Energieeffizienz und Nachhaltigkeit spielen bei der Sanierung von Schulhäusern eine zunehmend zentrale Rolle. Viele Gemeinden und Behörden erkennen, dass Investitionen in energieeffiziente Gebäude langfristig Betriebskosten senken und den Komfort für die Lernenden und Lehrpersonen erhöhen. So durften wir bereits über 400 Sanierungen und 1’400 Neubauprojekte von Schulbauten nach einem der Minergie-Standards zertifizieren.

Und es sind viele weitere solcher Schulbauten in Planung. Der ganzheitliche Ansatz mit einer hochwertigen Gebäudehülle, einer erneuerbaren Wärmezeugung, der Nutzung des solaren Potentials, einem kontrollierten Luftwechsel und hohem Komfort im Sommer scheint sich zu bewähren. Besonders die Gewährleistung einer guten Raumluftqualität ist für eine optimale Lernumgebung von zentraler Bedeutung.

Energeiaplus: Was ist an der Schulanlage im bernischen Vechigen beispielhaft?

Christian Stünzi: Die Schulanlage in Vechigen zeigt eindrücklich, wie sich hohe Energieeffizienz und Komfort vereinen lassen. Die bestehenden Gebäude wurden umfassend nach Minergie saniert und durch Neubauten im Standard Minergie-A ergänzt. Hervorzuheben ist die Realisierung der grossen Photovoltaikanlagen auf den Bestandsbauten, die ihrer Zeit damals etwas voraus war. Zudem sorgt die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung für ein gutes Innenraumklima, was bei Schulen besonders wichtig ist. Bei den Altbauten wurde ein guter Kompromiss gefunden zwischen dem Erhalt der bestehenden Architekturqualität und den energetischen Massnahmen an der Gebäudehülle. Das Projekt dient als Vorbild für andere Gemeinden, die ihre Bildungsbauten zukunftsfähig machen möchten.

Energeiaplus: Ein Schulhaus sanieren oder erweitern ist für die Gemeindefinanzen oft eine grosse Herausforderung. Warum lohnt es sich, energetische Aspekte nicht zu vernachlässigen?

Christian Stünzi: Eine Sanierung mit hohen Anforderungen an die Energieeffizienz verursacht zwar zunächst leicht höhere Investitionskosten, amortisiert sich aber langfristig in den meisten Fällen durch tiefere Betriebskosten. Schulen sind Gebäude mit langen Nutzungszyklen, sodass sich Einsparungen bei der Wärmeerzeugung und einem tiefen Stromverbrauch besonders deutlich auswirken. Zudem profitieren die Lernenden und Lehrpersonen von einem angenehmeren Raumklima, was die Lern- und Arbeitsbedingungen verbessert. Gerade die hochwertige Gebäudehülle trägt einen grossen Beitrag hierzu bei. Je nach Gemeinde helfen Förderprogramme und die finanzielle Unterstützung durch Bund oder Kantone, die Investitionshürde zu überwinden.

Energeiaplus: Gibt es bei Schulgebäuden spezielle Anforderungen bei der energetischen Sanierung? Respektive: Worin unterscheidet sich ein Schulhausbau von einem anderen Gebäude?

Christian Stünzi: Ja, Schulgebäude haben besondere Anforderungen, da sie stark frequentiert sind und eine hohe Nutzerzahl aufweisen. Die Luftqualität spielt eine zentrale Rolle, weshalb gute Lüftungskonzepte besonders wichtig sind. Zudem müssen Materialien und Bauweisen langlebig und robust sein, da Schulgebäude hohen Belastungen ausgesetzt sind. Ein weiterer Unterschied ist die akustische Gestaltung, da gute Raumakustik entscheidend für eine angenehme Lernatmosphäre ist. Entsprechend werden Schulbauten häufig auch nach dem Zusatz ECO zertifiziert, der die Minergie-Baustandards um eine besonders klimafreundliche und kreislauffähige Bauweise erweitert und ein gesundes Innenraumklima gewährleistet.

Energeiaplus: Mit ihren grossen Dachflächen sind Schulhäuser eigentlich ideal für die Installation einer PV-Anlage. In Genf wird das nun gemacht. Ist das mittlerweile die Regel?

Christian Stünzi: Minergie hat bereits im Jahr 2017 eine Anforderung zur Eigenstromproduktion bei Neubauten eingeführt und diese 2023 auf die Sanierungen ausgeweitet. Bei Minergie-Bauten ist dies daher nun die Regel. Wie Sie richtig sagen, haben Schulbauten mit ihren grossen Dächern und auch den häufig vorhandenen Nebengebäuden wie Turnhallen oder Aulas ein grosses Potential für eine hohe Eigenstromproduktion. Gemeinden erkennen das Potenzial, Strom vor Ort zu produzieren und damit ihre Energiekosten zu senken. Förderprogramme und sinkende Kosten für PV-Anlagen machen solche Investitionen zunehmend attraktiv. Dennoch gibt es noch Herausforderungen, etwa bei der Finanzierung oder der Abstimmung mit Denkmalschutzvorgaben bei älteren Schulbauten. Der Trend geht aber klar in Richtung verstärkter Nutzung des solaren Potentials auf Schulbauten, was uns sehr freut.

Die Sanierung in Vechigen ist Minergie-zertifiziert, jene in Genf nicht. Sind Sanierungen, die kein Minergie-Label tragen, salopp gesagt, energetisch weniger gut?

Eine Sanierung kann auch ohne Minergie-Label energetisch gut sein und vergleichbare oder sogar bessere Werte erzielen. Die Entscheidung gegen eine Zertifizierung kann aus verschiedenen Gründen getroffen werden, etwa aus finanziellen oder technischen Überlegungen. Die Minergie-Labels bringen aus meiner Sicht aber vorrangig Vorteile mit sich. Sie dienen als verlässliche Orientierung für hohe energetische Standards und gewährleisten durch die Zertifizierung eine unabhängige Qualitätssicherung. Zudem ermöglichen sie auch finanzielle Vorteile, wie den Zugang zu Fördergeldern, höhere Ausnützungsziffern in vielen Gemeinden oder tiefere Hypothekarzinsen.

 

Interview/Text: Brigitte Mader und Sandrine klötzli, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bilder: Ecole Liotard / Christian Dupraz Architecture Office, Schulanlage Stämpbach in Vechigen, Roland Juker

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