Berner Oberland-Ost: Auf dem Weg zur Klimaneutralität
Heizungen, Verkehr und Landwirtschaft: Diese drei Bereiche sind für 95% der CO2-Emissionen im östlichen Berner Oberland verantwortlich. Was braucht es, dass die Region klimaneutral wird? Gemeinden in der Region haben zusammen mit Vertretenden aus Gesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft eine Vision entwickelt und erste Projekte angestossen, die zu einer klimaneutralen Region führen sollen. Das Projekt wurde vom Bundesamt für Energie (BFE) im Rahmen des Forschungsprogramms Energie-Wirtschaft-Gesellschaft unterstützt.
Der Schlussbericht zum Projekt «Klimaneutrale Region Berner Oberland-Ost – Von der Vision zum Handeln» zeigt eines klar auf: Der Weg zur Klimaneutralität ist gepflastert mit vielen Herausforderungen.
Eine Auswahl:
Gebäude und Wohnen:
Die eher ältere Bausubstanz der Wohn-, Industrie- und Gewerbegebäude und die vielen zeitweise leerstehenden Zweitwohnungen entsprechen vielfach nicht den heutigen hohen energetischen Standards. Im Jahr 2019 wurde 62% der Gebäude in der Region noch mit fossilen Energieträgern beheizt.
Schlechte Wärmedämmung, fehlender Ausbau der Photovoltaik und die Verwendung von energieintensiven Baumaterialien sind weitere Herausforderungen.
Mobilität:
Die Bergregion zeichnet sich durch eine verstreute Siedlungsstruktur aus – mit langen Verkehrswegen für Gäste und Einheimische. Beide Gruppen nutzen mehrheitlich fossil betriebene Fahrzeuge. Auch die Erschliessung der Dörfer durch den ÖV wird teilweise als wenig attraktiv beurteilt. Gäste, vor allem auch Tagestouristen und -touristinnen, reisen oft mit dem Privatwagen an. Eine weitere Herausforderung ist die Anreise der ausländischen Gäste mit dem Flugzeug.
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Privatsektor:
Die Viehwirtschaft ist für die Region traditionell wichtig. Entsprechend hoch ist auch der Konsum tierischer Produkte, was hohe Treibhausgasemissionen verursacht.
Energieproduktion und -versorgung:
Der starke Fokus auf die Produktion von Wasserkraft führte dazu, dass andere erneuerbare Energieträger (z.B. Photovoltaik und Energie aus Biomasse) noch wenig verbreitet sind.
Steckbrief Region Berner Oberland-Ost:
Die Region Oberland-Ost ist eine typische Berggebietsregion. In den 28 Gemeinden wohnen rund 48’000 Menschen, davon rund 40% in der wachsenden Agglomeration Interlaken. Neben Meiringen, dem zweiten wirtschaftspolitischen Zentrum, verteilt sich die Bevölkerung auf die weitverstreuten Dörfer mit vielfach erhaltens- oder schützenswerten Dorfkernen.
Wirtschaftlich ist die Region vom Dienstleistungssektor geprägt, der 76,4% der Erwerbstätigen beschäftigt. Dabei sind der Tourismus und die damit verbundenen Branchen Detailhandel und Baugewerbe mit mehr als 10’000 Stellen die wichtigsten Arbeitgeber. Jährlich gibt es in der Region rund 4,5 Millionen touristische Übernachtungen. In Industrie und Gewerbe arbeiten 18,2% der Erwerbstätigen. Die Energiebranche mit den grossen Wasserkraftwerken ist der drittwichtigste Wirtschaftssektor. 5,4% der Bevölkerung arbeiten in der Land- oder Forstwirtschaft und nehmen eine wichtige Rolle in der Pflege der Kulturlandschaft ein.
Soweit der Status Quo: Doch was sind die Möglichkeiten und Ideen, damit die Region klimaneutral wird? Eine Umsetzungsagenda zeigt, wo der Weg durchgehen soll. Aber auch konkrete Projekte liegen schon vor:
- Die Pisten im Skigebiet Axalp sollen künftig mit klimaneutralen Pistenfahrzeugen präpariert werden. Ziel ist es vorerst, mindestens ein fossil betriebenes Pistenfahrzeug mit einem klimaneutralen Pistenfahrzeug zu ersetzen.
- Auch die Schifffahrt auf dem Brienzersee soll CO?-neutral Dazu wurde mit der Shiptec AG eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um die Grundlage für eine Transition zu nachhaltiger Schifffahrt zu legen. Als direkte Folge dieser Machbarkeitsstudie ist ein klimaneutrales, mit Wasserstoff betriebenes Schiff auf dem Brienzersee geplant.
- Die Region Oberland-Ost hat einen ausgeprägten landwirtschaftlichen Sektor. Dieser birgt ein grosses Potential zur Produktion von klimaneutralem Biogas aus Gülle und Mist. Um diese Ressourcen nutzen zu können, braucht es mehr Infrastruktur in der Region – sei es zur Sammlung, Aufbereitung oder Speicherung des Biogases. Dieser Ausbau, sowie auch der eines Abnehmernetzwerks würde es erlauben, mehr wertvolle und lokal produzierte Energie nutzen zu können.
- Zudem wurde die Stelle «Coaching Klimaprojekte» geschaffen, die bei der Regionalkonferenz Oberland-Ost angegliedert ist. Sie ist als Anlaufstelle gedacht für Projektträgerschaften, die dort Beratung und Unterstützung für ihre Vorhaben abholen können, aber auch für die Zivilbevölkerung. Weitere wesentliche Aufgaben des Klimacoachings sind die Vernetzung von Trägerschaften mit ähnlichen Projektideen sowie die Organisation von Informations- und Vernetzungsanlässen.
Der partizipative Strategieprozess in der Region Berner Oberland-Ost fand zwischen 2020 bis 2023 in Anlehnung an den Ansatz des «Transition Managements» in einem Projekt unter der Leitung des Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Wyss Academy for Nature und dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern sowie der Regionalkonferenz Oberland-Ost statt. Das Forschungsprogramm Energie-Wirtschaft-Gesellschaft des Bundesamts für Energie (BFE) hat das Projekt finanziell unterstützt. Der Prozess wird im Rahmen des Wyss Academy Projekts «Klimaneutrale Region Oberland-Ost» durch die Regionalkonferenz Oberland-Ost zusammen mit dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern weitergeführt.
Autorinnen und Autoren des Berichts:
Stephanie Moser, Bereichsleiterin, CDE, Universität Bern, Susanne Wymann von Dach, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, CDE, Universität Bern; Felix Poelsma, PhD Student, CDE, Universität Bern; Anja Strahm, Stv. Leiterin Hub Bern, Wyss Academy for Nature; Thomas Rosenberg, Projektleiter, Amt für Umwelt und Energie, Kanton Bern; Alina von Allmen, Coachin Klimaprojekte, Regionalkonferenz Oberland-Ost
Text: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Keystone; Robert Boesch
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