, , , ,

Chancen nutzen, Risiken mindern: KI im Energiesektor


Künstliche Intelligenz ist überall. Auch im Energiesektor wird KI zunehmend eingesetzt. Das zeigt eine Umfrage bei 110 Energieversorgungsunternehmen in der Schweiz. Was heisst das für die Versorgungssicherheit? Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) zeigt: KI bietet Chancen aber auch Risiken.

Auslöser für die Studie war ein Postulat aus dem Parlament. Die vorberatende Kommission des Nationalrats (UREK-N) wollte unter anderem wissen, was der Einsatz von KI für die Versorgungssicherheit bedeutet, ob die bestehenden gesetzlichen Grundlagen genügen und wie die Regulatoren einen Überblick über den Einsatz von KI erhalten können.

Fazit der Studie: Von der Stromerzeugung bis zum Handel bietet KI verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Und KI hat auch das Potenzial, das Energiesystem resilienter, effizienter und sicherer zu gestalten. Demgegenüber steht das Risiko von Falschbeurteilungen oder von Angriffen auf KI-Systeme.

Dominique Luder ist Fachspezialistin in der Sektion Geoinformation und Digital Innovation des Bundesamts für Energie. Sie hat von Seiten BFE die Erarbeitung der Studie mitbetreut.

Energeiaplus: Wo ist das Potenzial von KI im Energiebereich besonders gross?

Dominique Luder ist Fachspezialistin in der Sektion Geoinformation und Digital Innovation im Bundesamt für Energie; Bild: BFE

Dominique Luder: Wir sehen grosses Potenzial darin, die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern, beispielsweise bei der Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen. Diese Prognosen sind entscheidend, um das Gesamtsystem besser auf die schwankende Stromproduktion der erneuerbaren Energien abzustimmen. KI-Systeme können auch dazu eingesetzt werden, Störungen an den Produktionsanlagen oder der Netzinfrastruktur frühzeitig zu erkennen, was eine rasche Einleitung entsprechender Massnahmen ermöglicht. Im Energiehandel können durch Marktprognosen und -analysen die Handelseffizienz gesteigert und die Risiken minimiert werden. Darüber hinaus eröffnen sich viele Chancen im Bereich des Kundenservices und der Energiedienstleistungen, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre Kunden und Kundinnen effizienter zu bedienen.

Bessere Prognosen dank KI: Angesichts von erneuerbaren Energiequellen, die nur schwer steuerbar sind, kann das hilfreich sein. Nur: Was wenn KI Prognosefehler macht?

Mit fehlerhaften Prognosen, falsch oder gar nicht gelieferten Daten haben wir bereits heute zu kämpfen, was insbesondere unsere Netze zu spüren kriegen. Die Kosten für die sogenannte Ausgleichsenergie sind stark gestiegen, und wir als Kundinnen und Kunden müssen diese Ineffizienz berappen, auch weil wir keinen offenen Strommarkt haben. Haushalte können ihren Stromanbieter nicht frei wählen. Die grosse Chance des Einsatzes von KI-basierter Prognosesoftware liegt darin, die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern und somit insbesondere Engpässe auf der Netzebene zu vermindern. Bei einem offenen Strommarkt könnten Haushalte dann zu einem Stromversorger wechseln, der die Prognosen besser macht, und so sparen. Das wäre auch ein Anreiz für alle Stromversorger, besser zu werden.

Was gibt es für andere Risiken? Stichwort Hackerangriffe?

KI-Systeme brauchen oft grosse Datenmengen als Trainingsdaten. Dies macht sie zu interessanten Angriffspunkten für Datendiebstähle. Die grosse Trainingsdatenbasis ist auch eine Herausforderung für die Unternehmen, die KI einsetzen. Denn nur wenn die Daten gepflegt und aktuell gehalten werden, kann eine hohe Qualität der KI-generierten Resultate gewährleistet werden. Das sogenannte Datenmangement wird damit immer wichtiger. Ebenso sollten die Resultate immer noch von einer Person geprüft werden («human-in-the-loop»-Konzept), bevor dann basierend darauf Entscheidungen getroffen werden. Da es sich hier immer um Wahrscheinlichkeiten haltet, kann es auch zu Fehlinterpretationen kommen.

Rund ein Viertel der Unternehmen, die bei der Umfrage mitgemacht haben, nutzen KI bereits. Wofür?

Das Ergebnis hat uns überrascht. Offenbar wird KI heute insbesondere in der Energieverteilung bereits eingesetzt. Aber auch in der Energiebeschaffung, dem Handel und dem Vertrieb findet sie Anwendung. Vor allem Modelle der generativen KI befinden sich zurzeit im experimentellen Einsatz. Generative KI-Modelle sind Sprachmodelle, welche auf eine Eingabe hin neue Ergebnisse wie Texte, Bilder oder Videos erstellen können. Die Einsatzmöglichkeiten solcher KI-Systeme sind vielseitig und denkbar über sämtliche Wertschöpfungsschritte des Energiemarkts: von der optimierten Erzeugungsplanung über den Handel mit Energie bis hin zur personalisierten Kundenbetreuung. Darüber hinaus ermöglichen KI-Agenten, also spezialisierte generative KI-Modelle, die Automatisierung zahlreicher Prozesse.

Die Nutzung von KI braucht auch viel Strom, z.B. zum Trainieren der KI. Gibt es dazu Zahlen?

Während wir unterdessen wissen, wie viel Strom eine einfache Anfrage an eine generative KI benötigt (ca. gleich viel wie eine Google-Suche), ist der Stromverbrauch des Trainings von solch komplexeren Modellen nur schwierig abschätzbar. Wir sollten auch nicht ausser Acht lassen, dass die Effizienz der Modelle aufgrund der Technologieentwicklung immer besser wird. Gleichzeitig werden zunehmend sogenannte KI-Agenten genutzt, um Prozesse zu automatisieren. Derzeit besteht auch keine gesetzliche Grundlage, um diese Daten von den Rechenzentren zu erhalten. Das BFE arbeitet zurzeit daran, mithilfe verschiedener Studien die Informationslage diesbezüglich zu verbessern.

Sie erwähnen es: Die Schweiz hat noch keine gesetzlichen Grundlagen. Die EU hingegen hat 2024 den EU AI Act verabschiedet. Wo steht die Schweiz?

Der Bundesrat hat entschieden, bis Ende 2026 eine Vernehmlassungvorlage zur KI-Regulierung in der Schweiz zu verfassen. Diese soll die KI-Konvention des Europarats übernehmen, welche von der EU im Rahmen des EU AI Act bereits in ihre Gesetzgebung integriert wurde. Die Vorlage soll notwendige gesetzliche Massnahmen festlegen in den Bereichen Transparenz, Datenschutz, Nichtdiskriminierung und Aufsicht. Ebenso soll bis dahin ein Umsetzungsplan für nicht-rechtliche Massnahmen erarbeitet werden.

Der Bericht gibt auch Empfehlungen ab zu Handen der Energiebranche. Was sind da die wichtigsten Punkte?

Am wichtigsten ist, dass sich die Energiebranche zunächst selbst organisiert. Hier spielen die Verbände, also insbesondere der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und der Verband der Schweizer Gasindustrie (VSG) eine sehr wichtige Rolle. Sie können zusammen mit den Unternehmen Richtlinien und Standards für die sichere Nutzung von KI-Systemen erarbeiten und festlegen – ein subsidiärer und typisch schweizerischer Ansatz. Ebenso sollte auf Stufe Branche ein Überblick geschaffen werden, wo welche KI-Systeme im Einsatz sind. Zusätzlich soll der Austausch zwischen den Versorgungsunternehmen gefördert werden, auch damit die Unternehmen gegenseitig von den gesammelten Erfahrungen profitieren können. Das kann Risiken im Umgang mit KI reduzieren, und man lernt gegenseitig, wie eine gute Gouvernanz aussehen kann.

Zum Schluss: Welche Aspekte überwiegen beim Einsatz von KI im Energiebereich – die Chancen oder die Risiken?

Aus unserer Sicht können die identifizierten Risiken mit den entsprechenden Massnahmen und Vorkehrungen gut eingedämmt werden. Ohne den Einsatz von KI dürfte die Bewältigung unseres zunehmend dynamischen Energiesystems jedoch eine Herausforderung darstellen und die Kosten weiter in die Höhe treiben. Wir sind also angehalten, die Chancen der KI zu nutzen und in unserer täglichen Arbeit effizienter zu werden. Gerade im Energiehandel wird KI viel genutzt, denn hier geht es um Profite und Boni. Wünschbar wäre es, diesen Effizienzgedanken auch in den anderen Wertschöpfungsbereichen zu sehen. Das BFE jedenfalls geht hier auch voran und nutzt KI zum Beispiel im Energiedashboard. Wir sehen den Einsatz von KI als wichtigen Teil des Energiesystems der Zukunft.

 Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Shutterstock; Asset-ID: 2408251585; Sittipol sukuna

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne 1 Vote(s), Durchschnitt: 5,00
Loading...