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Liebes BFE: Wo bleibt die Transparenz beim Laden des E-Autos?


Herr V. aus S. im Kanton Schaffhausen fährt seit Anfang 2024 elektrisch. Nun haben er und seine Frau die erste Ferienreise mit dem E-Auto hinter sich. Die Abdeckung mit Ladestationen in den bereisten Ländern sei gut, schreibt er in seinem E-Mail ans Bundesamt für Energie (BFE). Geärgert hat er sich indes über die mangelnde Transparenz bei den Tarifen fürs Laden und bei der tatsächlich gelieferten Leistung der Ladestation. In unserer losen Serie «Liebes BFE» greifen wir das Thema Tarife, Roaming und Transparenz beim Reisen mit dem E-Auto auf.

Herr V. und seine Frau waren in Deutschland, Schweden, Dänemark und Norwegen unterwegs. Zurück bleibt sein Eindruck, dass «jede Ladefirma den Userinnen und Usern eine Kundenbindung aufdrücken will». Zunächst habe man eine App runterladen und einen Account eröffnen und diverse persönliche Daten hinterlegen müssen. Am Schluss habe das Laden dann doch nicht funktioniert. Oder man habe nur mit Debitkarte laden können. Zudem habe es vorgängig keine Preistransparenz gegeben. Es sei ihm auch passiert, dass eine 22kW-Säule nur mit 5kW geladen habe, obwohl nur sein Fahrzeug an der Ladestation angedockt war.

Er schlägt deshalb vor, dass das Laden einfacher und transparenter werden müsse – mit einem standardisierten Prozess und ohne, dass man einen Account eröffnen müsse.

Daniel Schaller ist Fachspezialist für energieeffizienten Verkehr beim Bundesamt für Energie. Energeiaplus wollte von ihm wissen, wie die Erfahrungen von Herrn V.  und seiner Frau zu werten sind. Er ist selber seit Jahren mit seinem E-Auto in ganz Europa unterwegs.

Energeiaplus: Sie haben bereits mehrere Reisen mit dem E-Auto durch Europa gemacht – auch Richtung Osten. Was sind Ihre Erfahrungen?

Daniel Schaller ist Fachspezialist für energieeffizienten Verkehr im Bundesamt für Energie; Bild: BFE

Daniel Schaller: Ich habe in den letzten 12 Monaten fast 10’000 km mit einem Elektroauto der Kompaktklasse mit Baujahr 2020 zurückgelegt. Unsere Roadtrips führten uns von Estland über Rumänien, Bulgarien, Polen, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien usw. bis nach Albanien.

Durch meine Tätigkeit beim BFE, kombiniert mit dieser praktischen Erfahrung, habe ich ein ziemlich gutes Verständnis für den aktuellen Stand der Elektromobilität in Europa und der Schweiz entwickelt. Meine Erfahrung ist: Das Ladenetz in ganz Europa ist bereits gut, in vielen Regionen unserer Nachbarländer sogar sehr dicht, und es wächst weiterhin schnell. Die Infrastruktur funktioniert meiner Erfahrung nach fast immer zuverlässig, und im schlimmsten Fall ist praktisch immer ein Plan B in der Nähe verfügbar. Fernreisen mit einem Elektroauto sind heute nicht wirklich abenteuerlicher als mit einem Auto mit Verbrennungsmotor.

Was sollte man beim Reisen mit dem Elektrofahrzeug berücksichtigen?

Auch wenn das Ladenetz bereits sehr gut ausgebaut ist, kann es für längere Fahrten bequemer sein, die Navigation mit automatischer Ladeplanung zu nutzen, wenn diese im Bordsystem verfügbar ist. Es gibt auch Smartphone-Apps mit solchen Funktionen, z.B. «ABRP». So entscheidet das Auto oder die App, wo und wann geladen werden soll.  Ein weiterer einfacher Trick, den ich regelmässig anwende: Bei der Ankunft an einem Besichtigungsort einen Blick ins Bordsystem oder in eine App wie «Chargeprice» oder «Chargemap» werfen, um zu prüfen, ob in der Nähe eine Ladesäule gerade verfügbar ist, und wenn ja (erstaunlich oft eigentlich!), einfach ein paar kWh während dem Pizzaessen oder dem Marktrundgang aufladen. So bleibt der Akku immer ausreichend geladen, und man erspart sich dabei sogar die Suche nach einem Parkplatz.

Das Laden scheint also planbar und einfach zu sein. Haben Herr V. und seine Frau also einfach Pech gehabt mit den Ladestationen, die sie genutzt haben?

Nein, einige der von Herrn V und seiner Frau aufgezeigten Probleme sind meiner Meinung nach sehr ernst zu nehmen. Diese Probleme sind mir auch begegnet. Insbesondere die hohen Roamingpreise, die fehlende Preistransparenz und die Verpflichtung, sich bei einem Anbieter zu registrieren, um das Aufladen zu einem vernünftigen Preis ohne Roaming zu aktivieren. Diese Erfahrungen schmälern die Attraktivität der Elektromobilität.

Andererseits habe ich nur sehr selten Probleme mit der Zuverlässigkeit der Ladestation erlebt. Das Laden an und für sich funktionierte dann jeweils problemlos.

Gibt es Bestrebungen, dass sich punkto Transparenz und Benutzerfreundlichkeit etwas ändert?

Ja. Auf EU-Ebene dürfte sich die Situation in den kommenden Jahren erheblich verbessern. Im April dieses Jahres trat in der EU die neue «Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe» (sogenannte AFIR-Regulierung) in Kraft. Diese Regulierung fokussiert unter anderem auch das Roaming, Preistransparenz und Registrierungspflicht und macht dazu klare Vorgaben. Artikel 5 der AFIR verpflichtet die Betreiber von Ladestationen, das Aufladen nach dem gleichen Prinzip wie an Benzin-Tankstellen zu ermöglichen: Der Preis muss vor der Aktivierung des Ladevorgangs über ein Display oder einen QR-Code klar deklariert werden, und die Bezahlung muss ohne vorherige Registrierung direkt mit einer Kredit- oder Debitkarte möglich sein. Wir stehen derzeit in Kontakt mit den relevanten Akteuren in der Schweiz und gehen davon aus, dass sich dieser Standard nach und nach auch in unserem Land durchsetzen wird.
Preistransparenz und ein benutzerfreundliches Elektromobilitäts-Ladesystem sind für die Elektrifizierung der Fahrzeuge in der Schweiz von entscheidender Bedeutung. Diese Themen werden daher auch in den kommenden Jahren im Zentrum unserer Aktivitäten im BFE stehen.

Ein grosses Thema ist also derzeit das Roaming. Die Roaming-Preise sind oft höher, als wenn man direkt beim Ladestation-Betreiber den Strom bezieht. Was raten Sie da, wenn man jetzt mit dem E-Auto auf Reisen gehen?

Wie Herr V. feststellte, führt Roaming sehr oft (aber nicht immer) zu überhöhten kWh-Preisen. Mit AFIR dürfte dieses Risiko abnehmen. Mein Rat: Wenn die Ladestation dies bereits ermöglicht, das Aufladen ohne Registrierung wählen und direkt über Kredit-/Debitkarte zahlen. Diese Lösung dürfte sich in der EU wie auch in der Schweiz schnell verbreiten.

Es ist auch möglich, die App des regional dominierenden Ladestationsbetreibers am Urlaubsort herunterzuladen, und so das Roaming zu vermeiden. Wer viel über längere Strecken fährt, soll ein Abonnement bei einem der grossen europaweiten Anbieter in Betracht ziehen, wie z. B. IONITY, Fastned oder Tesla Superchargers. Damit kann man von Vorzugspreisen profitieren, falls man bereit ist, vor allem beim entsprechenden Anbieter auf der gesamten Strecke Strom zu laden.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Daniel Schaller, Bundesamt für Energie

 

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