, ,

Vertrauen schaffen und erhalten: Was das METAS im Bereich Elektrizität macht.


Luftaufnahme des METAS in Wabern; Bild: METAS

Ist eine kWh auch wirklich eine kWh? Wiegen die Birnen auf der Waage tatsächlich ein Kilo? Dass beim Messen alles mit rechten Dingen zu und her geht, dafür sorgt das Eidgenössische Institut für Metrologie METAS in Wabern bei Bern – und das auch im Bereich Energie.

Am 9. Dezember 1916 regelte der Bund die Verwendung von Stromzählern durch eine Verordnung über die offizielle Überwachung und Kennzeichnung von Stromzählern durch das damalige Eidgenössische Amt für Mass und Gewicht. 2013 wurde das Amt zum Institut und erhielt den heute gültigen Namen Eidgenössisches Institut für Metrologie METAS.

Die zunehmende Elektrifizierung verlangte auch nach Zählern, damit der Stromverbrauch genau festgestellt und abgerechnet werden konnte. Heute werden in der Schweiz mehr als sechs Millionen Elektrizitätszähler von der gesetzlichen Metrologie überwacht.

Wie das geht und was das METAS im Energiebereich sonst noch macht. Energeiaplus hat bei Christian Mester, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Eichungen und Prüfungen, nachgefragt.

Energeiaplus: Das METAS kontrolliert, dass der Smart Meter meinen Stromverbrauch korrekt erfasst, dass also eine kWh, die verbraucht wird, auch wirklich einer kWh entspricht. Wird jedes einzelne Gerät geprüft?

Christian Mester ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Eichungen und Prüfungen, beim METAS, Bild: METAS

Christian Mester: Ja. Jedes einzelne Gerät wird geprüft. Denn jedes einzelne Gerät soll vertrauenswürdige Messwerte liefern.

Können Sie an einem Beispiel beschreiben, was da genau kontrolliert wird?

Elektrizitätszähler sind komplexe Geräte, deren vollständige Prüfung mehrere Wochen dauert. Da sie in grossen Stückzahlen hergestellt werden, verwenden wir – schon seit 1916 – ein zweistufiges Verfahren. Gründlich geprüft wird eine Handvoll Einzelstücke, die für die Bauart repräsentativ sind. Anschliessend wird bei jedem einzelnen Zähler geprüft, ob er mit der Bauart übereinstimmt. Ist das Gehäuse gleich? Ist die elektronische Schaltung gleich? Ist die Software auf das Bit gleich? Ist er richtig plombiert?

Wichtig ist natürlich auch, ob der Zähler richtig misst. Selbst wenn alle Einzelteile gleich sind, kann es hier Fertigungsstreuungen geben. Daher wird auch die Messrichtigkeit jedes einzelnen Zählers geprüft. Die Prüfung ist aber nicht so aufwändig wie bei der Bauartprüfung, da die grundsätzliche Eignung der Bauart ja bereits nachgewiesen ist.

Ist das METAS dann auch zuständig für die korrekte Abrechnung von bezogener Energie?

Nein. Wer weiss, dass eine Postkarte 1.00 Fr. kostet und mehrere Postkarten kauft, braucht diese nur zu zählen und den Stückpreis mit der Anzahl zu multiplizieren, um den Gesamtpreis zu bestimmen. Das wird in unserer Gesellschaft akzeptiert. Nicht jeder muss die Rechnung tatsächlich jedes Mal kontrollieren.

Bei der Energie ist es im Prinzip genau gleich. Mit dem Unterschied, dass man die Menge der verkauften Energie nicht stückweise zählen kann. Daher müssen sich die Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch die Energieversorger auf das Gerät verlassen können, das die Menge bestimmt. Das ist der Elektrizitätszähler. Weil dieser von einer vertrauenswürdigen, unparteiischen Stelle geprüft ist, kann sich jeder und jede auf die Richtigkeit der Mengenbestimmung verlassen. Eine Kilowattstunde ist eine Kilowattstunde.

Wenn nun auf der Rechnung «1 kWh × 0.25 Fr. = 0.50 Fr.» steht, brauchen die Konsumentinnen und Konsumenten kein METAS, um zu erkennen, dass etwas nicht stimmt.

Wie genau kann das METAS elektrische Energie messen?

Mit dem genauesten Messgerät für elektrische Energie, das wir am METAS haben, erreichen wir eine Unsicherheit von 0.0015 %. Dieses Messgerät ist übrigens eine Eigenentwicklung. Es ist in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und damit entsprechend den wissenschaftlichen Regeln von unabhängigen Experten geprüft worden

Wow! Eine Abweichung von 0.0015 %. Das ist sehr genau. Braucht man das?

Ja, das braucht man. Sonst hätten wir es auch nicht gemacht. Bei jeder Messung verliert man etwas Genauigkeit. Der Zähler zuhause muss auf 2 % stimmen. Für Industriezähler, über die viel Energie verrechnet wird, sind es sogar nur 0.5 %. Möchte man solche Zähler prüfen, so braucht man eine Referenz, die mindestens zehnmal besser ist, also 0.05 %. Von diesen Referenzen braucht man viele, die im Dauereinsatz stehen und daher automatisierbar sind. In den über die Schweiz verteilten Eichstellen sind gut vierzig Stück im Einsatz. Diese Referenzen müssen ihrerseits auch kalibriert werden, und zwar gegenüber einer weiteren Referenz, die wiederum mindestens zehnmal besser ist, also 0.005 %.

Wer so genau misst, hat sicher auch sehr klar definierte Fachausdrücke. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Konformitätsbewertung, Zulassung, Eichung und Kalibrierung?

Ja, und das ist ein wichtiger Punkt, in dem sich auch das Selbstverständnis des Staates widerspiegelt.

Zulassung und Eichung sind hoheitliche Handlungen des Staates. Des Staates, nicht eines Staates. Sie gelten also in unserem Fall nur für die Schweiz und werden für die Schweiz nur durch die Schweiz durchgeführt. Die Zulassung ist hier die Freigabe der Bauart zur Eichung. Die Eichung ihrerseits ist die amtliche Prüfung und Bestätigung, dass ein einzelnes Messmittel den gesetzlichen Vorschriften entspricht, also ein Ja-/Nein-Entscheid. Die Eichung liefert keine Zahlen und der Prüfling – beispielsweise eine Supermarktwaage – wird nicht verändert. Wenn er nicht gut ist, wird die Eichung verweigert. Möchte die Nutzerin sie weiterhin verwenden, muss sie ihn auf eigene Kosten justieren (lassen), was keine staatliche Aufgabe darstellt.

Die Kalibrierung ist etwas ganz anderes als die Eichung. Bei der Kalibrierung wird die Abweichung des Prüflings gegenüber der Referenz zahlenmässig bestimmt. Ausserdem wird die Unsicherheit angegeben, d. h. quantifiziert, wie gut und vergleichbar der Zahlenwert ist. Zwei unabhängige Kalibrierungen, beispielsweise eine am METAS und eine im Ausland, werden unterschiedliche Werte für die Abweichung liefern, aber der Unterschied muss kleiner sein als die angegebene Unsicherheit. Bei der Kalibrierung wird nichts entschieden. Das «Gut zur weiteren Verwendung» oder «reparierbedürftig» obliegt der Verwenderin des Messmittels, nicht der Kalibrierstelle. Kalibrierungen sind besonders für die Industrie wichtig, damit die Qualität stimmt – das ist ein Marktbedürfnis, keine staatliche Vorgabe.

Die Konformitätsbewertung ist ein privatrechtlicher Ja-/Nein-Entscheid. Für Elektrizitätszähler ersetzt die Konformitätsbewertung die Zulassung und die erste Eichung. Der Hersteller muss die Konformität des Messmittels in eigener Verantwortung erklären. Diese Konformitätserklärungen gelten für die Schweiz, die EU und den übrigen EWR. Diese Erklärung vereinfachte den Handel mit neuen Geräten erheblich. Der Qualität der Zähler und der Vertrauenswürdigkeit der Messwerte schadet es nicht, denn der Hersteller darf die Konformität nur erklären, wenn eine unabhängig, europäisch anerkannte Konformitätsbewertungsstelle die Messmittel geprüft hat. Ausserdem gibt es unangemeldete Stichprobenkontrollen. Auf die kann ein Hersteller sich nur vorbereiten, indem er konsistent ausschliesslich gute Messmittel auf den Markt bringt.

Nicht alle Geräte, die von Ihnen geprüft werden, werden auch in der Schweiz hergestellt. Was heisst das? Muss ein Smart Meter also zuerst vom METAS geeicht werden, bevor er verkauft werden kann?

Früher war das so. Heute vereinfacht die Konformitätsbewertung den Handel im europäischen Binnenmarkt und in der Schweiz. Jeder Smart Meter muss geprüft sein, aber nicht zwingend im oder durch den Staat der Verwendung.

Auch die Geräte, die das METAS zum Messen und Prüfen verwendet, müssen richtig messen. Wer stellt das sicher?

Das METAS selbst stellt das sicher. Es geht auch nicht anders. Es gibt kein Super-METAS. Wenn es eines gäbe, würde es das Problem nur verschieben, aber nicht lösen. Stattdessen vergleichen wir unsere Referenzen regelmässig mit jenen unserer ausländischen Kollegen. Stimmen unsere unterschiedlich funktionierenden, in den wichtigen Punkten selbst entwickelten Referenzen überein, dann sind wir sicher, dass alles stimmt. Somit ist 1 kWh in der Schweiz dasselbe wie in Frankreich, Deutschland, Kanada und Neuseeland. So kann auch ein Schweizer Hersteller sein Produkt hier kalibrieren lassen und es weltweit verkaufen, ohne es neu kalibrieren und möglicherweise justieren lassen zu müssen.

Die Elektrifizierung schreitet weiter voran mit der Installation von PV-Anlagen auf Hausdächern beispielsweise, die auch Strom ins Netz einspeisen. Welchen Einfluss hat diese zunehmend dezentrale Stromproduktion auf die Zertifizierung von Energiezählern?

Am Ziel der gesetzlichen Metrologie – Vertrauen sicherstellen – ändert es nichts, an den Verfahren auch nicht. Unverändert ist auch, dass Messmittel für die beabsichtigte Verwendung geeignet sein müssen. Was sich ändert, ist die genaue Festlegung der Prüfpunkte. Photovoltaik-Anlagen erzeugen Gleichstrom, das Netz verteilt Wechselstrom. Man könnte wie vor hundert Jahren mittels mechanischer Motor-Generator-Paare Gleichstrom zu Wechselstrom umwandeln, aber das wäre nicht sehr effizient. Also wird moderne Leistungselektronik eingesetzt. Diese ist zwar effizienter, erzeugt aber neben dem gewünschten Wechselstrom bei 50 Hz auch noch allerhand andere Frequenzanteile. Um sicher zu sein, dass diese den Zähler nicht beeinflussen, haben wir die Prüfungen angepasst.

Ausserdem prüfen wir privatrechtlich Messgeräte zur Analyse der Qualität der Netzspannung. Das ist zwar nicht vorgeschrieben, aber die Industrie hat natürlich erkannt, dass man sich bei Fehlersuche und Netzverbesserung auf Messwerte verlässt. Wer sich auf Messwerte verlässt, die aber nicht vertrauenswürdig sind, der wird Schwierigkeiten haben die wahre Ursache von Fehlern zu finden. Vorreiter bei den Herstellern zertifizierter, also von unabhängiger Stelle geprüfter Messmittel für die Versorgungsqualität ist übrigens ein Hersteller aus der Schweiz. Das METAS gehört zu den Vorreitern im Bereich Zertifizierung. Sowohl dieser Hersteller als auch das METAS sind in Normungsgremien auch international sehr aktiv.

Messgenauigkeit ist zum Beispiel auch bei den Ladestationen für Elektrofahrzeuge gefragt. Welche Herausforderungen stellen sich da?

An der Tankstelle möchten wir nicht für das Benzin zahlen, das durch den Zähler fliesst, sondern für das, das aus der Zapfpistole kommt. Wenn der Zähler richtig misst, aber ein Teil des gemessenen Benzins abgezweigt wird, akzeptieren wird das nicht, weder als Gesellschaft, noch als einzelne Konsumentin, als einzelner Konsument, noch als METAS. Genau dasselbe gilt an Ladesäulen, wobei es beim elektrischen Strom Leitungsverluste z.B. im Kabel gibt. Worauf es ankommt, ist also nicht, was durch den Zähler fliesst, sondern was am Übergabepunkt, der Eigentumsgrenze zwischen der Ladesäule des Lieferanten und dem Auto der Konsumentin, des Konsumenten den Besitzer wechselt. Verluste im Kabel, das Teil der Ladesäule ist, zahlt der Ladesäulenbetreiber, Verluste im Auto zahlt die Konsumentin, der Konsument. Das ist, was wir als Gesellschaft «richtig» nennen.

Fazit: Konsumentinnen und Konsumenten sollen sich darauf verlassen können, dass das Messergebnis beispielsweise im Energiebereich auch tatsächlich stimmt. Das oberste Ziel des METAS ist also, Vertrauen zu schaffen. Kann man das sagen?

Konsumentinnen und Konsumenten sollen sich nicht nur, sie müssen sich darauf verlassen können! Wie stünde es um unsere Gesellschaft, wenn wir einer Messung nicht vertrauen dürfen, obwohl der Staat sie für gut befunden hat? Der demokratische Staat ist die von der Gesellschaft gewählte Organisationsform. Zur Zeit der Französischen Revolution haben grosse Teile der Bevölkerung Probleme mit Messungen und uneinheitlichen Masseinheiten in die Leidensbücher eingetragen. In der Schweiz ist das seit weit mehr als hundert Jahren kein Thema mehr. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Daher: Ja, das oberste Ziel ist, dieses Vertrauen zu schaffen und zu erhalten.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Keystone; Peter Klaunzer

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne Noch keine Bewertungen
Loading...