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Behavioural Insights: Mit verhaltenswissenschaftlichen Einsichten zu weniger Energieverbrauch


Wie können Unternehmen motiviert werden, die Energieeffizienz zu erhöhen und gleichzeitig CO2-Emissionen zu senken, ohne dabei Vorschriften zu erlassen? Ein Bericht im Auftrag von EnergieSchweiz zeigt: Neben Zielvereinbarungen, die Unternehmen mit dem Bund abschliessen und in denen sie sich zu Energieeffizenzmassnahmen verpflichten, gibt es noch viele andere Optionen. Konkrete Projekte für KMU sollen zeigen, wie praxistauglich diese Möglichkeiten sind.

Beispiel Stromrechnung

Ändert sich der Energieverbrauch, wenn ein KMU auf der Stromrechnung noch zusätzliche Hinweise zu Kosten und Stromverbrauch und Handlungsempfehlungen findet? Diese Fragestellung versucht die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) in einem wissenschaftlich begleiteten Projekt mit ihren KMU-Kunden heraus zu finden. Fünf Branchen stehen dabei im Fokus: Land- und Forstwirtschaft, Detailhandel, Gastgewerbe, Immobilienwesen und Nahrungsmittel, Getränke, Tabak.

Dabei stehen folgende Daten zur Diskussion:

  • Historische Vergleiche: KMUs können auf der Rechnung ihren aktuellen und vergangenen Stromverbrauch vergleichen und werden gegebenenfalls über einen Anstieg im Verbrauch informiert.
  • Sozialer Vergleich: KMUs soll ermöglicht werden, ihren eigenen Stromverbrauch mit dem anderer vergleichbarer Unternehmen ihrer Branche anonym zu vergleichen. Dies schafft ein Verständnis über die Verhältnismässigkeit des eigenen Verbrauchs und kann potenzielle Einsparchancen aufzeigen. Die Herausforderung ist hier der Datenschutz und das Matching mit relevanten Vergleichsunternehmen. Beide Herausforderungen werden von der Projektgruppe genau geprüft.
  • Hervorheben wichtiger Informationen: Die Energierechnung oder das Couvert soll um konkrete Energieeffizienz-Botschaften ergänzt werden, um spezifische Handlungsmöglichkeiten aufzuweisen.
  • Energierechnungen werden um kurze Broschüren ergänzt, die konkrete branchenrelevante Handlungstipps zur Steigerung der Energieeffizienz bekannt machen.

Welche Idee CKW schliesslich umsetzt, entscheidet sich im Januar 2022.

Beispiel Quick Wins

Das Ziel des Quick Wins Projekt ist es, KMU-Vertretern eine einfach verständliche Übersicht anzubieten, die ihnen Energiesparmassnahmen aufzeigt, die sie einfach, schnell, und kostengünstig in ihrem Betrieb umsetzen können. Grundlage für dieses Projekt sind anonymisierte Daten aus den Zielvereinbarungen. In einer Zielvereinbarung wird anhand einer Potenzialanalyse festgestellt, mit welchen Massnahmen ein Unternehmen wie viel CO2- und Energie einsparen kann.

Gemeinsam mit act Cleantech Agentur Schweiz wurden über 15’000 Daten quantitativ (Welche Energieeffizienzmassnahmen sind am beliebtesten?) und qualitativ (Was stellen die EnergieberaterInnen bei der Analyse der effektiven Einsparungen fest?) ausgewertet und validiert. Pro teilnehmende Branche wurden drei besonders relevante Massnahmen identifiziert und anschliessend in Kommunikationsmaterialien an Interessierte/Teilnehmende des Projekts abgegeben. Sie zeigen auf, wie mit kleinen Anpassungen potenziell grosse Effizienzgewinne im Betrieb realisiert werden können. Mehrere Branchenverbände unterstützen das Projekt in der Umsetzung.

Beispiel Nachhaltigkeitslabel

Unternehmen können sich mit dem Nachhaltigkeitslabel «Unternehmen fürs Klima» als energiefreundliche Betriebe ausweisen. Das Projekt soll zeigen, ob diese Unternehmen nach dem Erhalt eines Labels auch eher gewillt sind, Energiesparmassnahmen umzusetzen. Mit einer Online-Umfrage bei 1000 KonsumentInnen wurde getestet, wie ein solches Label wahrgenommen wird.

Unter anderem wurden folgende Fragen untersucht:

  • Bevorzugen KonsumentInnen Firmen mit einem Nachhaltigkeitslabel gegenüber solchen ohne Label?
  • Wie muss ein Nachhaltigkeitslabel ausgestaltet sein? Reicht das Commitment eines Unternehmens oder braucht es ein zertifiziertes, überprüfbares Label?

Durch die Wirkungsweise von Labels auf Firmenverhalten und Konsumentenwahrnehmung soll untersucht werden, wie Labels effektiv eingesetzt werden können, um Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu motivieren. Das Ziel auch hier: Die Erhöhung der Energieeffizienz und die Nutzung nachhaltiger Energieformen.

Torben Emmerling: Mitautor des Berichts „Behavioural Insights in der Energiepolitik.

Torben Emmerling ist Managing Director von Affective Advisory, einer spezialisierten Beratung, die öffentliche und private Organisationen zur Anwendung von verhaltenswissenschaftlichen Einsichten berät. Er ist Mitautor des BFE-Berichts “Behavioural Insights in der Energiepolitik”. Energeiaplus wollte von ihm wissen, warum die Massnahmen den Fokus auf KMU richten.

Energeiaplus: Beispiele mit Stromrechnungen gibt es schon. In den USA hat sich gezeigt, dass Haushalte ihren Verbrauch ändern, wenn sie sehen, wieviel Strom ihre Nachbarn verbrauchen. Ein Haushalt ist überschaubarer als ein KMU. Was auf der Stromrechnung steht, sehen die Mitarbeitenden im Betrieb nicht unbedingt. Warum sind sie überzeugt, dass solche Rechnungen durchaus zu mehr Effizienz führen?

Torben Emmerling: Der Industrie- und Dienstleistungssektor hat einen grossen Anteil am Schweizerischen Stromverbrauch und CO2-Ausstoss. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Schweiz müssen wir Unternehmen aktiv einbinden. Hier setzen wir erstmalig und in dieser Form weltweit einzigartig bei den KMUs an.

Viele KMUs interessieren sich bereits heute dafür, ihren Energieverbrauch effektiver zu gestalten und somit einen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften zu leisten. Gleichzeitig erklären viele Verantwortliche in unseren Befragungen, dass es ihnen schwerfällt, ihren Energieverbrauch sinnvoll zu bewerten. Es fehlen schlicht Informationen, die den eigenen Verbrauch einzuordnen helfen. Hier setzt unser Projekt an.

Wenn ich als UnternehmerIn erfahre, dass ich bedeutend mehr Energie verbrauche als im Vorjahr oder im Vergleich zu anderen Unternehmen meiner Branche und Grösse, kann mich das motivieren, mich näher mit dem Thema Energieeffizienz zu beschäftigen. Ob bei Haushalten oder Betrieben, in beiden Fällen ist es für Entscheidungsträger interessant, Energie zu sparen. Wie wir die Menschen in Betrieben schliesslich erreichen, wird unser Projekt erstmalig aufzeigen.

Wie gross ist das Risiko, dass jene StromkundInnen, die immer weniger als der Durchschnitt verbrauchen, ihren Konsum erhöhen? Was hat die Wissenschaft dazu herausgefunden?

Es ist vermutlich unwahrscheinlich, dass eine Information über überdurchschnittlich effizientes Wirtschaften, UnternehmerInnen dazu motiviert, anschliessend verschwenderischer zu handeln. Wir bewerten dieses Risiko im Unternehmenskontext daher als eher gering, wollen dieses aber genauer untersuchen.

Studien aus den USA zeigen unter anderem, dass Haushalte ihren Energieverbrauch leicht erhöhen, nachdem sie informiert wurden, dass ihr Verbrauch unter dem Durchschnitt liegt. Indem zusätzliche befürwortende Informationen abgegeben wurden, konnte diesem Verhalten aber entgegengewirkt werden. Ein positives Feedback, zum Beispiel in Form eines lachenden Smileys kann dafür bereits ausreichen.

Sie haben in Ihrem Bericht auch untersucht, welche Barrieren, Motivatoren und Verhaltensmuster Schweizer Unternehmen in Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien wahrnehmen. Was ist das Fazit?

Unser kurzes Fazit lautet, dass praktisch alle Unternehmen noch ungenutztes Potenzial haben. Dabei spielen viele verschiedene Aspekte eine fördernde oder hindernde Rolle bei der Auseinandersetzung mit Energieeffizienz. Obwohl finanziellen Aspekten die schnellste und häufig grösste Aufmerksamkeit zukommt, werden auch der gesellschaftlichen und umweltpolitischen Verantwortung sowie der öffentlichen Wahrnehmung eine grosse motivierende Rolle zugesprochen. Gleichzeitig bilden fehlendes Bewusstsein, bequeme nicht hinterfragte Routinen sowie unklare oder unzugängliche Informationen signifikante Barrieren.

Diese Ergebnisse liegen unseren jetzigen Projekten zugrunde. Wir untersuchen u.a., wie nicht finanzielle Anreize wirksam eingesetzt werden können (Label), Informationen einfacher zugänglich und vergleichbar gemacht werden können (Stromrechnung), und KMUs befähigt werden können, schnelle und monetär sinnvolle Nachhaltigkeitsmassnahmen selbständig zu identifizieren und umzusetzen (Quick Wins).

Menschen möchten gerne selber entscheiden und nicht gedrängt oder gar gezwungen werden. Das gilt auch für EntscheidungsträgerInnen in Unternehmen. Wie müssen also Tipps ausgestaltet sein?

Unsere Ansätze bauen grundsätzlich auf den Prinzipien der Freiwilligkeit, Eigenverantwortung und Transparenz auf. Wir verpflichten, drängen oder zwingen niemanden – ganz im Gegenteil. Wir versuchen die komplexe Welt der Energieeffizienz etwas leichter zu machen und bewerben uns mit guten Ideen, hilfreichen Informationen und relevanten Empfehlungen, um die Partizipation von EntscheidungsträgerInnen in Sinne einer nachhaltigen und erfolgreichen Schweiz.

Es gibt schon viele Tipps zum Energiesparen oder für den Einsatz erneuerbarer Energien. Warum braucht es jetzt noch Sticker auf der Stromrechnung oder eine Liste mit den drei Top-Massnahmen?

Sie haben völlig Recht. Es gibt heutzutage bereits eine Fülle an Informationen, die wir kaum verarbeiten können. Eine Studie aus den USA geht davon aus, dass wir den Informationsumfang von mehr als 24 Tageszeitungen pro Tag unterbewusst aufnehmen.

Die Wirksamkeit unseres Ansatzes besteht folglich darin, dass wir nicht noch mehr Informationen generieren, sondern bestehende Informationen zugänglicher machen, und EntscheidungsträgerInnen unterstützen können. Wir untersuchen, wie wir Entscheidungen, die die Energieeffizienz betreffen, durch gezielte Informationen und Hilfestellungen zum richtigen Zeitpunkt einfacher machen können.

Bei Hotel-Aufenthalten können die Gäste entscheiden, ob sie die Handtücher noch einen Tag länger brauchen wollen oder nicht. Entweder lassen sie sie hängen oder werfen sie auf den Boden. Ich habe selber schon oft erlebt, dass die Tücher gewechselt wurden, obwohl ich die Tücher schön aufgehängt habe. Da scheint die Message nicht bis zum Personal durchgedrungen sein.

Sie referieren hier auf eine Erfahrung, die sich perfekt mit einer der bekanntesten verhaltenswissenschaftlichen Studien verbinden lässt. Durch einen simplen Hinweis auf das Verhalten anderer Menschen im gleichen Kontext (z.B. das Wiederverwenden von Handtüchern im exakt gleichen Hotelzimmer), kann ich Menschen zu nachhaltigerem Verhalten motivieren. Wir sprechen hier von einer leicht zugänglichen Social Norm. Selbstverständlich funktioniert dies schlussendlich nur, wenn das Hotel auch sämtliche Mitarbeitenden mit einbezieht und die Verantwortung für nachhaltiges Wirtschaften allen bewusst ist.

Warum werden jetzt gerade die obenerwähnten drei Massnahmen-Pakete zuerst umgesetzt?

Wir haben mit dem Abschlussbericht “Behavioural Insights in der Energiepolitik” umfassende praxisrelevante Grundlagen, Ansätze und Massnahmen publiziert. Gemeinsam mit dem BFE Projektteam und den Umsetzungspartnern wurden anschliessend alle Vorschläge evaluiert, bewertet und die aktuellen drei Pilotprojekte ausgewählt. Wir hoffen, dass weitere Projekte in den kommenden Monaten und Jahren folgen und sich weitere Praxispartner für eine Realisation begeistern.

Zum Schluss: Gibt es Zahlen, was man punkto Energieeffizienz gewinnen kann mit solchen Massnahmen?

Eine spannende Frage, auf die wir hoffentlich bald eine umfassendere Antwort haben. Wie erwähnt betreten wir mit diesen Projekten Neuland in der Schweiz und teilweise sogar weltweit. Wenn man sich im Fall von Energierechnungen an den Effekten von Studien mit Haushalten orientiert, wäre potenziell eine Reduktion des Stromverbrauchs um 2 bis 4% denkbar. Dies klingt erst einmal nach wenig, ist aber im Kontext von Tausenden Unternehmen, den aktuellen Energiepreisen und den Schweizer CO2 Reduktionszielen ein riesiger Effekt mit minimalen Mitteln. Wir dürfen also sehr gespannt sein.

Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

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