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Kalte Köpfe bei Swisscom

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Seit 2019 ersetzt Swisscom kontinuierlich die Kühlsysteme ihrer Mobilfunk-Basisstationen und spart dadurch Energie, Zeit und Kosten. Dieses Projekt hat zu einer anspruchsvollen Innovation in diesem Sektor geführt.

Ob bei Wochenendwanderungen auf dem Berggipfel oder im Zug zur Arbeit: Über 5'000 Mobilfunk-Basisstationen sorgen für den Empfang über das Mobilfunknetz von Swisscom, wo immer Sie sich befinden. Die Antennen, die auf Pylonen oder hohen Gebäuden installiert sind, kommunizieren miteinander und decken damit das beste Netz der Schweiz ab. Diese Mobilfunk-Basisstationen sind derzeit Gegenstand eines grossen Energiesparprojekts der Swisscom.

Weniger Wärme und effizientere Kühlung

Vor einigen Jahren hat Swisscom ein neues Antennensystem eingeführt, das deutlich weniger Kühlung benötigt als sein Vorgänger. So ist ein Teil der Antennen-Rake-Ausrüstung auf einem Mast an der Außenseite des Gebäudes montiert. Derzeit sind die zur Kühlung der Technikräume eingesetzten Systeme extrem leistungsstark und energieintensiv. Swisscom hat deshalb 2019 damit begonnen, diese Kühlsysteme durch moderne und nachhaltige Alternativen zu ersetzen.

Die Ausgangssituation war ein vielfältiges Portfolio von Splitgeräten (Klimaanlagen) und Kühlaggregaten: mehr als 300 verschiedene Arten von Systemen sind derzeit im Einsatz. Diese werden in den kommenden Jahren nur noch durch fünf verschiedene Einheiten ersetzt, von denen drei über Lüftungstechnik verfügen und zwei für die Kälteerzeugung geeignet sind.

Das aktuelle Projekt von Swisscom konzentriert sich auf die energieintensivsten Kühlsysteme oder solche, die seit mehr als acht Jahren im Einsatz sind. Infolgedessen wurden 1.250 Standorte definiert, an denen die Kühlaggregate und Splitgeräte durch die neuen Systeme ersetzt werden. In dieser Hinsicht wird so viel wie möglich ventiliert. Die Systeme arbeiten ohne Kompressoren und Kühlmittel und sind somit umweltfreundlich und wirtschaftlich. Ziel ist es, 70% der Standorte mit Lüftung zu kühlen. Sollte dies aus konstruktiven Gründen nicht möglich sein, werden geteilte Einheiten installiert, die mit dem neuen R32-Kühlmittel arbeiten. Die Umsetzung ist derzeit in vollem Gange: An einem Viertel der Standorte sind die Systeme bereits ersetzt worden.

Eine duale Wirtschaft
Das Projekt trägt Früchte: Das neue Antennensystem und seine Belüftungs- und Kühlsysteme ermöglichen Swisscom erhebliche Energie- und Kosteneinsparungen. Durch den geringeren Bedarf des neuen Antennensystems und die effizientere Kühlmethode können bei der Belüftung bis zu 90% der Stromkosten eingespart werden. Bei guter Planung und einem großen Einsparungspotential sollte sie nach nur vier Jahren Betrieb die Gewinnschwelle erreichen. Darüber hinaus unterstützt das Bundesamt für Energie mit dem Förderprogramm ProKilowatt 30 Prozent der Projektkosten.

Eine neue Art der Fernsteuerung: die Infrabox

Neben dem Austausch der Kühl- und Lüftungssysteme hat das Projekt zu einer ausgeklügelten Innovation geführt: der Infrabox. Das IoT-Instrument ermöglicht es Swisscom, die Kühlsysteme ferngesteuert zu steuern und elektrische und meteorologische Daten in Echtzeit zu messen. Diese Schaffung ist ein Novum im Bereich der Mobiltelefonie. Wir befragten den Entwickler und Projektleiter Christian Rüttimann, der für den Betrieb der Mobilfunkstandorte verantwortlich ist.

Christian Rüttimann, wie ist die Idee für die Infrabox entstanden?

Der Aufwand und die Kosten für Reparatur- und Wartungsarbeiten sind heute relativ hoch. Oft muss erst ein Spezialist vor Ort gehen, um das Problem zu identifizieren. Die Reparatur wird in einem zweiten Schritt durchgeführt und erfordert die Umsiedlung einer neuen Person. Jetzt ist dieser Prozess viel einfacher: Mit der Infrabox können wir alle relevanten Betriebsparameter automatisch oder pünktlich fernsteuern, was Reparatur- und Wartungsarbeiten effizienter macht.

Was sind die Vorteile der Infrabox neben der Einsparung von Wartungs- und Reparaturkosten?

Es ergänzt neue Kühlsysteme in Bezug auf Energie- und Kosteneinsparungen in idealer Weise. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Faktor in diesem Projekt. Die Messwerte der Infrabox sind sehr nützlich für die Energieoptimierung neuer Kühlsysteme. Bislang konnten wir sogar mehr Energie einsparen, als ursprünglich berechnet wurde. Ohne die Infrabox wüssten wir das nicht. Sie ist daher auch ein wichtiger Faktor für die Energieeffizienz neuer Kühl- und Lüftungssysteme. Im Laufe der Zeit wird sie uns viele wichtige Daten zum Stromverbrauch und zum Klima liefern.

War ein solches Gerät nicht bereits auf dem Markt?

Herkömmliche Geräte beschränken sich auf Messungen und sind sehr teuer. Wir wollen unsere Lüftungs- und Kühlgeräte aktiv fernsteuern und detaillierte Energieverbrauchswerte in Echtzeit abfragen. Deshalb haben wir unsere eigene Entwicklung in Angriff genommen.

Ist die eigene Entwicklung nicht weniger effektiv?

Nein, ganz im Gegenteil! Da wir sowohl Kunden als auch Hersteller sind, können wir die einzelnen Funktionen des Geräts mit großer Präzision bestimmen. Wenn ein Hersteller ein solches Gerät ausschließlich als Produzent auf den Markt bringt, ist es sein Ziel, möglichst viele Bedürfnisse möglichst vieler potenzieller Kunden zu decken. Dieser Ansatz macht die Entwicklung komplexer und das Endprodukt teurer. Als Telekommunikationsunternehmen sind wir näher an den relevanten Netzwerken und Systemen. Damit haben wir den Schritt vom reinen Messen zur aktiven Fernsteuerung vollzogen: Die Infrabox arbeitet auf dem Glasfasernetz, das den schnellen Transport großer Datenmengen ermöglicht. Darüber hinaus haben wir eng mit den Servicetechnikern vor Ort zusammengearbeitet. Sie ersetzen die Kühlsysteme und werden diese in Zukunft warten und reparieren. Sie sind daher am besten in der Lage, die verschiedenen Funktionen der Infrabox zu bestimmen.

Wer war noch an der Entwicklung beteiligt?

Wir bei Swisscom sind in der glücklichen Lage, in vielen Bereichen über Spezialwissen zu verfügen. Ich habe daher mit Spezialisten für Unternehmensentwicklung oder Nachhaltigkeit gesprochen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt.

Wie haben Sie diese verschiedenen Interessengruppen in dem Prozess koordiniert?

Die Lösung hat eine breite Unterstützung innerhalb des Unternehmens und betrifft viele Bereiche. Allerdings habe ich den größten Teil der Entwicklung gemacht. Es wurde kein Projektteam speziell für die Entwicklung der Infrabox im Rahmen einer groß angelegten Operation gebildet. Der Prozess glich eher einem Do-it-yourself-Prozess in der Heimwerkstatt. Was wie Dilettantismus erscheinen mag, hatte jedoch viele Vorteile. So konnte ich zum Beispiel das Wissen der technischen Experten auf einer sehr ad hoc-Basis zusammenführen und so den Koordinationsaufwand minimieren. Das hat mir geholfen, einen kühlen Kopf zu bewahren und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das hat diese hochwirksame Entwicklung überhaupt erst möglich gemacht.

Was meinen Sie mit "extrem effektiv"?

Von der ersten Idee bis zum Beginn der Pilotphase dauerte es kaum acht Monate. Heute wurden rund 3.000 Einheiten bestellt, die bis Ende 2021 installiert werden sollen. Die Infrabox ist wegen ihrer Einfachheit großartig. Es ist so einfach, dass wir es auch in anderen Bereichen einsetzen können. Es ist mit allen großen Herstellern kompatibel und kann mit einer unbegrenzten Anzahl von Ports erweitert werden. Mit der Erfindung der Infrabox haben wir nur den Grundstein gelegt. Die Zukunft wird uns zeigen, welche weiteren Entwicklungen wir in der Zukunft machen können. Der Phantasie sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt.

Können Sie einige Beispiele nennen?

Natürlich stecken wir noch in den Kinderschuhen. Ich kann mir vorstellen, dass sich die Anwendungsbereiche auch auf private Haushalte erstrecken, zum Beispiel im Stil von Smart Home-Angeboten. Die nächsten Schritte werden jedoch zunächst die Ausweitung des Angebots auf andere Bereiche der Swisscom sein. Auch andere Netzbetreiber haben bereits Interesse an der Infrabox bekundet.

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