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Radiologen im Einsatz für die Energieeffizienz


Am Jahresanlass der Initiative «Vorbild Energie und Klima» Ende Oktober traten die Universitätsspitäler von Basel, Bern, Genf und Lausanne der Initiative bei. Als Akteure der Initiative ist es ihr Ziel, eine Vorbildfunktion in Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien einzunehmen und transparent über ihre Fortschritte zu berichten. Einen wegweisenden Fortschritt kann das Universitätsspital Basel aufweisen. Dank vier engagierter Ärzte kann die Radiologie beachtliche Strommengen einsparen. 

Gemeinsam nehmen die Universitätsspitäler von Basel, Bern, Genf und Lausanne jährlich mehr als vier Millionen ambulante Konsultationen vor und behandeln rund 200 000 stationäre Patientinnen und Patienten. Diese eindrückliche Leistung erfordert nebst personellen und finanziellen Ressourcen auch einen erheblichen Energieeinsatz. Sich des bedeutenden Stromverbrauchs bewusst, setzten sich vier Ärzte des Radiologie-Teams des Universitätsspitals Basel (USB) das Ziel, diesen zu reduzieren. Mit Erfolg: Dank dem Einsatz von Prof. Dr. Elmar Merkle (Departementsvorsteher), Dr. Tobias Heye (Leitender Arzt), Dr. Jan Vosshenrich (Oberarzt) und Dr. Manfred Meyer (Assistenzarzt) sparte die Radiologie des USB im Jahr 2022 72 000 Kilowattstunden Strom ein. Dies entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 14 Einfamilienhäusern mit jeweils vier Personen. Im Interview mit drei der vier Ärzte berichten diese von ihrer Motivation, ein Monitoring-System zu entwickeln, von den überraschenden Erkenntnissen, die dieses lieferte und vom Potenzial, das dieses nun für das gesamte USB bietet.

Was hat Sie dazu veranlasst, ein Monitoring-System zu entwickeln?
Elmar Merkle: Dr. Tobias Heye und ich haben uns 2011 am Duke University Medical Center in North Carolina, USA, kennengelernt, wo wir beide klinisch sowie forschend tätig waren. Die Nachhaltigkeit rückte damals langsam ins Interesse der Gesellschaft. In einem Gespräch stellten wir uns die Frage, wie viel Strom die verschiedenen Radiologiegeräte brauchen. Wir fragten Google. Doch Google hatte keine Antwort. Da wussten wir, dass wir die Antwort auf unsere Frage selbst finden mussten. Zu einem späteren Zeitpunkt – inzwischen beide am USB tätig – beschlossen wir, die Datengrundlage zu schaffen, um Energie sparen zu können. Unser Ziel war und ist es, den Fussabdruck unseres Fachs zu reduzieren.

Tobias Heye: Unser Departement, die Radiologie und Nuklearmedizin, ist der grösste Energieverbraucher am USB. Wir stellten also fest, dass wir einen grossen Anteil am Problem – dem hohen Energieverbrauch – haben. Wir wussten aber auch, dass dies bedeutet, dass wir aktiv zur Lösung – der Steigerung der Energieeffizienz – beitragen können. Dies motivierte uns stark.

Welche Daten haben Sie erhoben?
Merkle: Gemeinsam mit unserer Gebäudetechnik haben wir bei jedem unserer vier Magnetresonanztomografen (MRT) und drei Computertomografen (CT) während eines Jahres alle halbe Sekunde den Energieverbrauch gemessen. Zudem haben wir aus dem Radiologie-Informationssystem und den Geräten selbst Daten darüber erhoben, welche Aktion das Gerät gerade ausführt. Diese Daten aus verschiedenen Quellen und in unterschiedlichen Formaten mussten dann sinnvoll zusammengeführt werden. An diesem Punkt kam die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW ins Spiel, die mit uns ein Monitoring-System entwickelte.

Welche Resultate haben Sie erhalten?
Heye: Mittlerweile wissen wir, dass ein MRT jährlich bis zu 140 000 Kilowattstunden Strom verbraucht. Dies entspricht dem Stromverbrauch von 26 Vier-Personen-Haushalten. Ein CT weist einen kleineren, jedoch noch immer gewichtigen Stromverbrauch von circa 25 000 Kilowattstunden pro Jahr auf. Die entspricht dem Verbrauch von fünf Vier-Personen-Haushalten.

Haben Sie die Resultate überrascht?
Heye: Wir wussten, dass die Geräte grosse Stromverbraucher sind. Was uns jedoch erschreckte, war der Anteil des Stromverbrauchs während unproduktiver Phasen der Geräte. Bei den MRT stellten wir fest, dass 30 Prozent des Stromverbrauchs auf unproduktive Phasen zurückzuführen sind. Das liegt auch daran, dass ein MRT kontinuierlich gekühlt werden muss. Bei den CT waren sogar 70 Prozent auf unproduktive Phasen zurückzuführen, da diese über keinen Stand-by-Modus verfügen.

Welche Massnahmen haben Sie aufgrund der Resultate ergriffen?
Heye: Zuerst identifizierten wir – für das gesamte in der Radiologie verwendete Equipment – welche Geräte wann ausgeschaltet werden können, ohne dass der Betrieb gestört wird. Dann stellten wir sicher, dass diejenigen Gerätschaften, die auch im ausgeschalteten Zustand noch Strom ziehen, bei Nichtgebrauch vom Netz getrennt werden. Weiter nahmen wir mit den Geräteherstellern Kontakt auf. Gemeinsam konnten wir die Kühlung der MRT optimieren und bei den CT den Stromverbrauch im ausgeschalteten Zustand senken.

Sind die Erkenntnisse auch ausserhalb der Radiologie des USB von Bedeutung?
Jan Vosshenrich: Man kann das Monitoring-System, das wir entwickelt haben, für Geräte im gesamten Spital einsetzen. Insbesondere die Chirurgie des USB hat grosses Interesse bekundet. Der Operationsbereich nutzt sehr viele Geräte: von Monitoren bis hin zu Endoskopietürmen. Aber auch ausserhalb des USB ist das Interesse gross. Wir erhalten Anfragen von anderen Spitälern im In- und Ausland.

Worauf sind Sie rückblickend im Zusammenhang mit diesem Projekt besonders stolz?
Merkle: Wir sind im Gesundheitswesen primär der Patientin beziehungsweise dem Patienten verpflichtet. Gleichzeitig haben wir unserem Arbeitgeber gegenüber eine Verpflichtung. Und im Sinne der Nachhaltigkeit tragen wir auch gegenüber der Gesellschaft als Ganzes sowie gegenüber der Umwelt eine Verantwortung. Mit der Steigerung der Energieeffizienz in der Radiologie können wir allen drei Verpflichtungen gerecht werden: Wir sparen bei gleichbleibender Dienstleistungsqualität Kosten und reduzieren unseren ökologischen Fussabdruck.

Nachhaltigkeitsstrategie des Universitätsspitals Basel
Das Energieeffizienz-Projekt der Radiologie ist ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeitsstrategie des USB. Eines von fünf in der Strategie priorisierten Sustainable Development Goals ist das SDG 7 «Saubere und bezahlbare Energie». Hierzu hat sich das USB unter anderem im Rahmen von Vorbild Energie und Klima Ziele zu Energieeffizienz und Stromeigenproduktion gesetzt. Die Arbeiten und Projekte laufen auf verschiedensten Ebenen. Sie reichen von organisatorischen über technische Massnahmen, wie beispielsweise energetische Sanierungen, Umrüstungen von Lüftungsmotoren und Kältemaschinen oder der weitere Roll-out von LED-Beleuchtungen, bis hin zu Sensibilisierungsmassnahmen und Involvierung der Mitarbeitenden für Energiesparmassnahmen.

Vorbild Energie und Klima
In der Initiative Vorbild Energie und Klima (VEK) leisten Anbieter öffentlich relevanter Dienstleistungen und institutionelle Investoren ihren Beitrag zur Energiestrategie 2050 und zum Pariser Klimaübereinkommen von 2015. Der Fokus liegt auf Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und neu auch auf klimaverträglichen Finanzflüssen. Alle Akteure berichten transparent über ihre Zielerreichung und teilen ihre Erfahrungen, damit auch weitere Unternehmen und Organisationen sich daran orientieren können.
www.vorbild-energie-klima.admin.ch

Interview: Julia Gremminger, Polarstern AG
Bilder: Universitätsspital Basel

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