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Batteriespeicher stabilisieren das Stromnetz – das Beispiel Glarus


In der Schweiz wird immer mehr Solarstrom produziert. Das kann für das Stromnetz zu einer Belastungsprobe werden, wenn an einem sonnigen Tag viel mehr Strom ins Netz gelangt als nachgefragt wird. Ein Problem, das auch die Technischen Betriebe Glarus (tb.glarus) kennen. In Netstal haben sie einen grossen Batteriespeicher in Betrieb genommen, der nun für solche Schwankungen in der Produktion von erneuerbarer Energie und zur Stabilisierung des Netzes eingesetzt wird. Energeiaplus zeigt, wie das funktioniert und erklärt, warum solche Batterien ein Gamechanger für die Energiezukunft sein könnten.

Die Zahlen sind eindrücklich: In den letzten fünf Jahren hat sich im Versorgungsgebiet der tb.glarus die Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen verzehnfacht. 8 MW betrug die installierte Leistung dieser Anlagen Ende 2024. An einem sonnigen Tag wird entsprechend viel Strom ins Netz zurückgespeist, der nun in der Grossbatterie in Netstal gespeichert werden kann. Martin Zopfi, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Glarus sagt: «Überschüssige Energie sollte vor Ort gespeichert werden, so kann sie auch schnell und kostengünstig wieder abgerufen werden. Eine Grossbatterie ermöglicht das.»

Die Grossbatterie der tb.glarus wurde auf einem ehemaligen Industrieareal installiert, es ist der grösste Stromspeicher dieser Art in der Ostschweiz. Die Batterie besteht aus drei Speicherblöcken mit acht Einheiten und einer Gesamtleistung von 10.4 MW. Das entspricht der Leistung, die es braucht, um rund 10’500 Haushalte mit Strom zu versorgen oder 1000 Elektroautos gleichzeitig zu laden. Im Juni 2023 wurde das Projekt gestartet, 18 Monate später wurde die Anlage in Betrieb genommen. Kostenpunkt: 8 Millionen Franken.

Der Batteriespeicher in Netstal im Bau. Bild: tbglarus

7×24 Stunden ist die Batterie verfügbar, kann also Strom speichern oder wieder abgeben. Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Bei wechselhaftem Wetter kommt die Batterie mehrfach täglich zum Einsatz. Alles geschieht vollautomatisch. In Millisekunden kann die Batterie be- und entladen werden und so Stromangebot und -Nachfrage ausgleichen. Abrufe dauern in der Regel zwischen einer bis 20 Minuten, aber auch mal eine Stunde. Wichtig auch: Die Batterie muss stets zu mindestens 50% geladen sein.

Die Batterie dient nicht nur zur Speicherung von überschüssiger Energie. Sie erbringt auch sogenannte Systemdienstleistungen, sorgt also für eine Stabilisierung des Netzes. Für diese Leistungen wird tb.glarus entsprechend entschädigt. Gleichzeitig kann der Glarner Energieversorger auch Kosten für den Einkauf von Leistung im Netz reduzieren, da mit der Batterie die Spitzen im Netz geglättet werden.

Die Netstaler Batterie speichert also u?berschu?ssigen Strom, wenn das Angebot hoch ist, und gibt ihn bei Bedarf wieder ab. Auch andernorts werden bereits solche Batteriespeicher eingesetzt. Welche Rolle können sie für die Energiezukunft spielen, Martin Zopfi?

Martin Zopfi ist Geschäftsführer beim Glarner Energieversorger tb.glarus. Bild: tb.glarus

Martin Zopfi: Batteriespeicher sind ein zentraler Baustein der Energiezukunft. Sie ermöglichen es uns, Erzeugung und Verbrauch zeitlich zu entkoppeln – was bei der stark schwankenden Einspeisung aus Photovoltaik und Wind zwingend notwendig wird. Speicher stabilisieren nicht nur lokale Netze, sondern können auch ganze Regionen resilienter machen. Für die Schweiz mit ihrer dezentralen Stromproduktion sind solche Speicher eine ideale Ergänzung zur bestehenden Infrastruktur.

Energeiaplus: Ist der Batteriespeicher eine Alternative zum Netzausbau?

Er ist nicht die alleinige Alternative, aber eine sehr wirkungsvolle Ergänzung. Gerade dort, wo kurzfristige Lastspitzen auftreten, kann ein Speicher helfen, Investitionen in neue Leitungen zu verschieben oder gar zu vermeiden. Langfristig wird es ohne punktuelle Netzverstärkungen nicht gehen, aber intelligente Speicherlösungen können die Dimensionierung und die Kosten solcher Ausbauten deutlich reduzieren.

Tb.glarus kann mit der Speicherbatterie auch Kosten sparen. Und wie profitiert ihre Kundschaft?

Indem wir Lastspitzen glätten und Systemdienstleistungen selber erbringen, senken wir die Netzkosten. Diese Effekte kommen letztlich auch unseren Kundinnen und Kunden zugute – direkt über stabile Netztarife, aber auch indirekt, weil wir damit die Versorgungssicherheit erhöhen und langfristig Preisrisiken reduzieren können. Zudem zeigt unser Speicherprojekt, wie eine regionale Energiewende konkret gelingen kann – das schafft Vertrauen.

Kommt es darauf an, was für eine Batterie-Technologie gewählt wird? Die Speicherbatterien in Netstal bestehen aus Lithium-Eisen-Phosphat.

Ja, die Technologie spielt eine grosse Rolle. Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) ist sehr stabil, langlebig und besonders sicher – ein entscheidender Faktor, wenn man eine Grossanlage mitten im Siedlungsgebiet betreibt. Die Technologie hat sich als robust erwiesen und ist zudem gut skalierbar. Auch für Heimspeicher ist LFP mittlerweile erste Wahl. Natürlich wird es in Zukunft weitere technologische Fortschritte geben, aber mit LFP sind wir heute auf einem sehr soliden Fundament unterwegs.

Sie haben auch eine Speicher-Batterie für Zuhause gekauft. Warum?

Ich wollte selber erfahren, wie sich Eigenverbrauch optimieren lässt – im Alltag und in der Praxis. Gerade mit einer PV-Anlage auf dem Dach macht ein Heimspeicher absolut Sinn: Man kann den tagsüber erzeugten Strom am Abend oder in der Nacht selbst nutzen. Für mich ist das auch ein Stück Energieunabhängigkeit und ein Beitrag zur Dekarbonisierung – im Kleinen, aber mit grosser Überzeugung.
Zudem ist es mir wichtig, meine Kinder und unser Umfeld dafür zu sensibilisieren, woher unsere Energie kommt und was hinter einer Kilowattstunde wirklich steckt. Wenn man selbst produziert, speichert und verbraucht, bekommt Strom plötzlich einen ganz anderen Wert. Das schafft Bewusstsein – und genau das brauchen wir für die Energiezukunft.

Ihr persönliches Fazit?

Ein Aspekt, der oft unterschätzt wird: Solche Batteriespeicher leisten auch einen konkreten Beitrag zur CO?-Reduktion, weil sie kurzfristige Versorgungslücken mit erneuerbarem Strom überbrücken können – anstatt fossile Reservekraftwerke hochzufahren. Gleichzeitig eröffnen sie neue Geschäftsmodelle für Energieversorger wie uns: Ob Peak Shaving, Regelleistung oder Flexibilitätsvermarktung – die Batterie ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein wirtschaftliches Instrument. Und nicht zuletzt sehe ich grosses Potenzial im Bildungsbereich: Unsere Anlage in Netstal eignet sich ideal, um bei Schulklassen, Besuchsgruppen oder in Workshops das Verständnis für Stromnetze, Speichertechnologie und erneuerbare Energien zu fördern

Nicht nur in Netstal, sondern auch in anderen Regionen der Schweiz gewinnen Netzbatterien zunehmend an Bedeutung. Ähnliche Anlagen stehen bereits im Kanton St. Gallen in Walenstadt (Leistung: 4 MW), Kaltbrunn (2.4 MW),  Mels (11 MW) oder Rapperswil-Jona (8 MW).

In Ingenbohl (SZ) wurde im Mai 2025 eine Speicherbatterie mit einer Leistung von 28 MW eingeweiht. Und in Laufenburg (AG) soll eine 500 MW-Batterie realisiert werden.

Text: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: tb.glarus

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