Energieschleuder Kirche: Zürcher Kirche zeigt, wie’s anders geht
Kirchen gelten nicht gerade als energieeffiziente Gebäude. Sie sind meistens schlecht isoliert und verbrauchen darum viel Energie zum Heizen. Nicht so die Kirche Herz Jesu im Zürcher Stadtteil Wiedikon. Nach der Sanierung des 100-jährigen Gebäudes ist der Energieverbrauch markant geringer. Wie ist das möglich, und kann die Zürcher Kirche Vorbild für andere sein?
Den ersten ganzen Winter hat die sanierte Kirche zwar noch vor sich. Im April 2024 war sie nach der Sanierung wieder eingeweiht worden. «Die kühlen Wochen im April und Mai zeigen aber, dass unsere Berechnungen stimmen», sagt Beat Kegel. Das Team rund um den dreifachen Watt d’Or-Gewinner hat das neue Heizsystem konzipiert. «Statt 100 kW beträgt die Heizleistung heute noch 30 kW und der Energieverbrauch nur noch einen Drittel gegenüber vorher.» Und nicht nur das: Die Heizung ist unsichtbar, versteckt in den Steinbänken an den Seitenwänden und in den beiden Büchergestellen beim Eingang.
Vor der Sanierung waren es Rohrleitungen im Boden und Radiatoren, die für die Wärme im Kirchenraum sorgten. Physikalisch betrachtet spielt sich bei dieser Art Heizung (Strahlungsheizung) folgendes ab: Die Heizenergie aus den Radiatoren heizt die Raumluft auf. Gleichzeitig erwärmen Radiatoren und Heizrohre auch den Boden, die Wände und die Decke, also die Gebäudehülle. Um die nötige Wärme im Raum zu erhalten, sind zudem hohe Heiztemperaturen von 60 Grad nötig. Ein Grossteil der Energie fliesst in die Gebäudemasse, bevor sie in den Kirchenraum gelangt. «Im Winter lag kein Schnee rund um das Kirchengebäude, weil viel Wärme durch die Wände verloren ging», sagt Beat Kegel bei unserem Besuch in der Kirche.
Vorzeigebeispiel für andere Kirchen
«Eine Luftheizung erfüllt die Anforderungen an die Beheizung des Kirchenraums wesentlich besser». Da sie keinen Strahlungsanteil hat, werden Wände, Boden und Decke weniger stark erwärmt, nur die Raumluft wird warm. Die Wärmeabgabe in den Umluftklimageräten erfolgt mit Heizwassertemperaturen von rund 26-28 Grad. Beat Kegel ist überzeugt, dass sich das System für den Ersatz der Elektrodirektheizungen, die derzeit noch in rund zwei Drittel der 6’000 Kirchen im Einsatz sind, eignet. Die Lösung kann gut auf weitere denkmalgeschützte Gebäude übertragen werden: Das Multiplikationspotenzial ist gross.
Denn: Bei diesem Heizsystem muss auch viel weniger Technik eingebaut werden. In Wiedikon liess sich die Heizung zudem gut in die Kirchenausstattung integrieren. Die baulichen Eingriffe waren minimal und die historische Bausubstanz wurde geschont. Zudem sind die Kosten für die Wärmeerzeugung deutlich tiefer, da eine wesentlich kleinere Leistung benötigt wird. Die Kirche Herz Jesu ist an die Fernwärme angeschlossen. Normalerweise wird aber eine Wärmepumpenlösung angestrebt. Mit den tiefen Heiztemperaturen arbeiten die Wärmepumpen sehr effizient.
Die Luftheizung hat der Klimaingenieur Beat Kegel schon bei vielen anderen Gebäuden eingebaut und dafür auch schon verschiedene Auszeichnungen erhalten.
Energeiaplus: Woher kommt ihre Faszination für Klimatechnik?
Beat Kegel: Während der Energiekrise in den 1970er-Jahren erhöhten sich die Heizkosten für unser Einfamilienhaus um das Zehnfache. In grosser Not verbesserten mein Vater und ich die Isolation im Estrich und hinter den Heizkörpern, dichteten die Fensterspalten ab und verbesserten die Regelung der Heizung. Die Reduktion des Wärmebedarfs um etwa zwei Drittel hat mich beeindruckt und die Energie freigesetzt für meine Faszination für Gebäude und Energie.
Nach dem Maschinenbaustudium an der ETH Zürich haben Sie beim Heizungs- und Lüftungsbauer Sulzer gearbeitet. Sie leiteten dort das Entwicklungslabor. Was war das Wichtigste, das Sie da herausgefunden haben?
Mit viel Aufwand bauten wir die Räume geplanter Hotels oder Bürohäuser eins zu eins nach und massen Temperatur, Luftqualität, und Raumkomfort. Hier lernten wir alles über Luft und Energie, entwickelten einen siebten Sinn für ihre Wege. Irgendwann störte ich mich an den grossen und massiven Geräten, die diese Ströme mit viel Energie in Gang setzen. Die Maschinen waren High-End, aber man sah ihnen an, dass Sulzer früher Lokomotiven gebaut hat. Die Gebäudetechnik wurde ohne Gebäude betrachtet. Das Zusammenwirken von Gebäude und Technik verbessert das Gesamtsystem deutlich.
«Mein Ansatz ist nicht Lowtech, sondern Raumkomfort.» Das ist eine Aussage von Ihnen in einem Interview. Wieviel Technik braucht es in Ihren Augen zum Heizen und Kühlen?
Seit den 1970er-Jahren hat sich der Wärmeverlust der Gebäudehülle massiv reduziert. Der Raumkomfort wurde dadurch auch wesentlich verbessert, ohne dass dazu mehr Haustechnik nötig war. Das Potenzial der neuen und sanierten Gebäude mit den gut isolierenden Hüllen haben wir genutzt, um einfachere Haustechnikanlagen zu entwickeln. In den vergangenen 40 Jahren haben wir die Technik laufend überarbeitet und weiterentwickelt und können nun mit dieser langen Erfahrung komfortable Gebäude mit deutlich weniger Technik bauen.
Was kosten Ihre Lösungen im Vergleich zu herkömmlichen Systemen?
Da wir deutlich weniger Technik einbauen, sind wir auf der Material- und Montageseite naturgemäss günstiger. Ein gewisser Mehraufwand ergibt sich in der Koordination unter den Planern, solange unsere Systeme noch zu wenig bekannt sind. Dass unsere Lösungen über alles gesehen kostengünstiger sind und gut funktionieren, merken wir an der grossen Nachfrage.
Ihre Auftragsbücher sind voll. Dabei könnten Sie sich zur Ruhe setzen. Sie sind 67 Jahre alt. Was treibt Sie an weiterzumachen?
Meine Arbeit ist mein Hobby. Solange ich mag, meine Kollegen engagiert mitarbeiten und der Markt ruft, wird es so bleiben. Wir haben grosse Freude an unserer Arbeit und unsere Kunden und Kundinnen auch.
Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie BFE
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