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V2X-Projekt zeigt, wie Elektrofahrzeuge das Stromnetz stabilisieren können


Ohne Strom fährt das Elektro-Fahrzeug nicht. Soweit, so klar. Doch das Elektro-Fahrzeug verbraucht nicht nur Strom, es kann auch als Speicher genutzt werden und so zur Stabilisierung des Schweizer Stromnetzes beitragen. Das zeigt das Projekt V2XSuisse, das über das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie (BFE) unterstützt wurde. Und: Man könnte mit dem bidirektionalen System auch Geld verdienen. Hier geht es zu den Ergebnissen des Projekts.

Den Lead für das Projekt hatte der Carsharing-Anbieter Mobility. Eingesetzt wurden 50 Fahrzeuge, die die Nutzer und Nutzerinnen ganz normal fahren konnten, die angehängt an 40 Ladestationen aber auch als Stromspeicher eingesetzt werden konnten. Das heisst: Der Strom in diesen Fahrzeugen fliesst in beide Richtungen – bidirektional nennen dies Fachleute.

Neben Mobility waren sechs weitere Unternehmen am Projekt V2XSuisse beteiligt. Denn Strom aus der Autobatterie wieder ins Netz einzuspeisen, so dass das Stromnetz davon profitieren kann, ist eine komplexe Angelegenheit. Die Fahrzeuge müssen bidirektional einsatzfähig sein, sie müssen mit dem Stromnetz kommunizieren können. Es braucht entsprechende Software, die das Laden und Entladen steuern kann. Und auch die Ladestationen müssen diesbezüglich eingerichtet sein.

Nach 18 Monaten Testphase ziehen die Verantwortlichen ein positives Fazit:

  • Das System hat technisch funktioniert
  • Die Autos konnten in Sekundenschnelle Strom liefern, wenn sie das entsprechende Signal vom Netzbetreiber erhalten haben.
  • Viele E-Autos können zu einem virtuellen Speicher zusammengeschlossen und in Echtzeit gesteuert werden.
  • Die Autos standen jederzeit für Fahrten der Carsharing-Nutzenden zur Verfügung.

Das Projekt untersuchte auch, ob mit einer bidirektionalen Autoflotte Geld verdient werden kann. Die Erkenntnis: Mit dem Laden und Entladen

zum passenden Zeitpunkt lassen sich Einnahmen generieren – bis zu 600 Franken pro Fahrzeug und Jahr. Die Kosten in der Testphase konnten damit aber nicht gedeckt werden – dies unter anderem wegen den hohen Preisen für bidirektionale Ladestationen. Hinzu kommt, dass die Auswahl an bidirektionalen Autos noch klein ist. Und bidirektionale Automodelle und Ladestationen sind derzeit nicht miteinander kompatibel, weshalb es für die Steuerung Speziallösungen braucht.

Wofür steht V2X?

X steht als Platzhalter für H (Home / Stromversorgung im eigenen Haus), G (Grid / öffentliches Stromnetz), L (Load = einzelnes Elektrogerät, z.B. beim Camping). Es gibt also verschiedene bidirektionale Lösungen, wie der Strom vom Auto genutzt werden kann.

V2H, also das Zurückspeisen ins eigene Heimnetz (Home), ist interessant für jemanden, der eine eigene Solaranlage hat. Tagsüber kann man den generierten Solarstrom in der Batterie des Autos speichern und diesen dann z.B. am Abend wieder nutzen für den Stromverbrauch im Haus. So kann man den Eigenverbrauch erhöhen.

 

Grundsätzlich ist V2X also einsetzbar zur Stabilisierung des Stromnetzes. Das heisst zum Beispiel: Wenn die Nachfrage nach Strom hoch ist, kann Strom aus der Autobatterie zurück ins Netz gespeist werden. Dennoch stellen sich verschiedene Herausforderungen.

Was lassen sich also für Schlüsse aus dem Projekt ziehen. Energeiaplus hat bei Pascal Barth nachgefragt. Er ist bei Mobility für das Projekt V2X zuständig.

Energeiaplus: Im Carsharing ist bidirektionales Laden möglich. Heisst das, es funktioniert überall?

Pascal Barth ist beim Carsharing-Anbieter Mobility zuständig für das Projekt V2XSuisse. Bild: Mobility

Pascal Barth: Das Projekt hat gezeigt, dass die bidirektionale Technik im komplexen Carsharing-Betrieb funktioniert – sogar mit E-Autos mit relativ kleiner Batterie und auch im energetisch anspruchsvolleren Winter. Dadurch lässt sich schon schliessen, dass die intelligente Netzrückspeisung bei jedem E-Fahrzeug angewendet werden kann, ohne Beeinträchtigung für die Carsharing-Nutzerinnen und -Nutzer.

Trotzdem: Mobility pausiert das Thema bidirektionales Laden nach dem Projekt. Wie muss man das werten?

Bidirektionales Laden wird sich in den nächsten Jahren durchsetzen – allerdings zuerst in bestimmten Anwendungsgebieten, wie etwa grossen Flotten, die zentral parkiert und geladen werden. In unserem Fall ist die Flotte ja über die ganze Schweiz verteilt und die Ladestationen sind überall dieselben. Die Rückspeisung ins Netz erfolgt aber bei verschiedenen Energieversorgungsunternehmen – je nach Standort der Ladestation. Das macht die ganze Sache komplex. Wie läuft die Verrechnung bei der Rückspeisung? Wie ist die rechtliche Situation? Zudem sind verschiedene Parkplatzvermieter involviert.

Der Pilotbetrieb hat gezeigt, dass noch einige Hürden zu überwinden sind.

Wir sind aber überzeugt, dass es in einigen Jahren möglich und rentabel sein wird. Dann werden wir unsere jetzt gemachten Erfahrungen wieder einsetzen können.

Die Auswahl an bidirektionalen Fahrzeugen ist derzeit noch klein. Wie sehen da die Perspektiven aus?

Der Markt an bidirektional ladenden Autos hat sich weniger rasch entwickelt als erhofft. Mit dem V2XSuisse-Projekt können wir ein Zeichen an die Autohersteller senden. Vermutlich wird es ab 2027 eine weltweit interoperable Norm geben, die es ermöglicht, dass verschiedene Automarken an einer einzigen standardisierten Ladestation geladen und entladen werden können. Dies wird dazu beitragen, dass mehr Fahrzeuge auf den Markt kommen.

Eine weitere Herausforderung für V2X sind die Ladestationen. Kann eine normale  Ladestation zu einer bidirektionalen Ladestation umfunktioniert werden?

Eine normale eindirektionale Ladestation kann nur bedingt zu einer bidirektionalen Ladestation umfunktioniert werden, da die DC-Spannung der Fahrzeugbatterie in die AC-Spannung des Stromnetzes umgewandelt werden muss. Diese Umwandlung muss entweder im Fahrzeug erfolgen, was Anpassungen am Fahrzeug erfordert, oder eben wie beim V2XSuisse-Projekt in der Ladestation. Ohne entsprechende Anpassungen an einem der beiden Systeme ist ein bidirektionaler Betrieb nicht möglich.

Wie gross ist die Gefahr, dass das Fahrzeug zum Stehzeug wird, weil das Netz die ganze Batterie leergesaugt hat?

Das Entladen findet intelligent statt. Das heisst: Die Batterie wird nur soweit entladen, wie ich das als Besitzer des Autos zulasse. Man kann also frei wählen, ob man nun 5, 10 oder 20 Prozent der Kapazität zur Verfügung stellt. Entsprechend steht immer genügend Energie für die gewünschte Fahrt zur Verfügung.

Welchen Einfluss hat dies auf die Batterien, wenn sie ent-laden und geladen werden?

Das CircuBAT Projekt unter der Leitung der Berner Fachhochschule hat gezeigt: Die zusätzlichen Lade- und Entladezyklen können dadurch kompensiert werden, dass sich die Batterien seltener in vollgeladenem Zustand befinden, was den grössten Alterungsfaktor darstellt. Zudem nutzt das Laden und Entladen die Batterie weniger ab, als wenn das Auto fährt, die Batterie also den Motor antreiben muss.

Das Projekt hat auch gezeigt, dass man mit einer bidirektionalen Autoflotte durchaus Geld verdienen könnte, doch rentabel war das Ganze noch nicht. Was braucht es, um das zu ändern?

Ganz einfach gesagt, müssen die Investitions- und Betriebskosten sinken (Software- und Hardware-Betriebskosten und Abschreibungen). Darüber hinaus zeigen die Verteilnetzbetreiber aktuell noch wenig Bereitschaft, zurück gespeisten Strom attraktiv zu vergüten. Das wird sich künftig aber hoffentlich ändern. Und nicht zuletzt werden die bereits genannten interoperablen Normen für die Ladestationen einen positiven Beitrag leisten.

Welchen Einfluss hat das Ja der Schweizer Stimmberechtigten zum Stromgesetz auf die V2X-Technologie?

Beim Bezug von Strom bezahlt man sogenannte Netzgebühren. Wird Strom ins Netz zurück gespeist, bezahlt man diese Gebühren ebenfalls. Mit dem Stromgesetz ändert sich das. Das Gesetz ermöglicht die Rückerstattung der doppelten Netzgebühren, die bis anhin die Rückspeisung von Strom ins Netz finanziell unattraktiv gemacht haben. Zudem legt das Gesetz die Grundlagen für einen Flexibilitätsmarkt bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Wie dieser Flexibilitätsmarkt aussieht, wird sich bei der Ausarbeitung der Gesetze noch zeigen.

Schauen Sie sich auch den Video-Beitrag zum V2X-Projekt an –>: EP2/5 Bidirektionales Laden: Speichersee auf Rädern – Ein Pilotprojekt von Mobility (youtube.com)

Brigitte Mader, Medien und Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bilder: Mobility

 

 

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