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Ein normales, nicht normales Jahr für die Energieforschungskommission CORE


Eigentlich lief 2021 alles im gewohnten Rahmen für die eidgenössische Energieforschungskommission CORE. Die CORE beriet das Bundesamt für Energie zum Förderprogramm SWEET, verfasste unter anderem eine Stellungnahme zum Schlussbericht des Förderprogramms Energie der Innosuisse. Und doch lief nicht alles wie gewohnt: Sorgen macht der CORE, dass die Schweiz nicht mehr voll-assoziiertes Mitglied im Europäischen Forschungsprogramm «Horizon Europe» ist. Energeiaplus schaut mit Kommissionspräsident Martin Naef auf das gewöhnliche-ungewöhnliche Jahr 2021 zurück. Der Jahresbericht 2021 der CORE ist hier abrufbar.

Energeiaplus: Nach dem Scheitern des institutionellen Rahmenabkommens erhalten Schweizer Forschende keine Fördergelder mehr von der EU, weil die Schweiz als nicht-assoziierter Drittstaat behandelt wird beim Forschungsprogramm «Horizon Europe». Die CORE betrachtet dies mit Sorge, heisst es im Jahresbericht.

Martin Näf präsidiert die eidgenössische Energieforschungskommission CORE. Bild: zvg Martin Näf

Martin Naef: Die Forschung lebt neben einem gesunden Wettstreit um die besten Ideen genauso vom Austausch weit über die Grenzen der eigenen Institution hinaus. Die Aufgabe der CORE ist es, den Bund beim Setzen der Rahmenbedingungen für die Energieforschung zu unterstützen – dazu gehört auch die Einbettung in die internationale Forschungslandschaft. Genau hier mussten wir im letzten Jahr einen schweren Rückschlag hinnehmen.

Warum ist die Assoziierung in den EU-Rahmenprogrammen essenziell für Schweizer Forschende?

Die Schweizer Forschungsgemeinschaft ist gut in Europa eingebettet, die EU Forschungsprogramme bieten dazu den wichtigsten formalen Rahmen. Zwar können Institutionen aus der Schweiz weiterhin als Projektpartner teilnehmen, aber sie können keine Konsortien mehr leiten und sind von verschiedenen Programmen ganz ausgeschlossen. Das betrifft insbesondere die prestigeträchtigen ERC Grants (Fördermittel des Europäischen Forschungsrats), welche vielen jungen Forscherinnen und Forschern als Sprungbrett an die Spitze dienen.

Kurzfristig kann der Schaden limitiert werden, weil der Bund die Finanzmittel, die bisher für das Horizon Programm reserviert waren, direkt an die Schweizer Forschenden ausbezahlt. Längerfristig aber benötigt die Zusammenarbeit eine stabile Grundlage, die nicht zum Spielball der Politik wird.

Konkret im Energiebereich: Warum ist die internationale Forschungszusammenarbeit da besonders wichtig?

Den Umbau auf eine nachhaltige Energieversorgung schaffen wir nur im internationalen Verbund. Natürlich hat jedes Land seine eigenen Schwerpunkte, aber die Lösungen werden erst wirtschaftlich, wenn sie breit umgesetzt werden. Die Schweiz ist ein wichtiger Knotenpunkt im europaweiten Elektrizitätsnetz, genauso stehen auch Schweizer Forschungsinstitute im Zentrum vieler Aktivitäten.

Die Förderung über EU Programme betrug bisher rund 15 % der gesamten Förderung der Energieforschung der Schweiz durch die öffentliche Hand. Damit wurde in den letzten Jahren mehr Energieforschung durch die EU als durch Förderinstitutionen wie die Innosuisse – inklusive SCCER (Swiss Competence Center for Energy Research) – finanziert.

Gibt es Zeichen, dass die Assoziierung bald wieder möglich wird?

Wir erhalten ermutigende Signale. Zahlreiche, prominente Stimmen aus der Wissenschaft empfehlen eine Entkoppelung der Frage, wie die Schweiz die institutionellen Beziehungen zu Europa in Zukunft regelt, von der technischen Zusammenarbeit sowohl in der Forschung wie auch im Energiesystem.

Die Einsicht, dass nüchtern betrachtet der Ausschluss der Schweiz wie auch Grossbritanniens aus Horizon Europe auf allen Seiten nur Verlierer schafft, das Programm als Ganzes schwächt und damit als Verhandlungspfand wenig geeignet ist, dringt langsam auch zu den politischen Entscheidungsträgern durch.

Für den Bundesrat bleibt die Assoziierung ein erklärtes Ziel der laufenden Gespräche. Wir sind zuversichtlich, dass eine pragmatische Lösung möglich ist.

Die CORE hat sich 2021 zu vier ordentlichen Sitzungen getroffen und eine zweitägige Retraite durchgeführt. Welche Energieforschungsthemen standen dabei zuoberst auf der Traktandenliste?

Aktuell steht für die CORE die Begleitung des SWEET Programmes des BFE im Zentrum. Wir schlagen die Themengebiete vor, welche von den Calls abgedeckt werden. Bereits jetzt beginnen die Arbeiten am nächsten Energieforschungskonzepts des Bundes 2025-2028, nachdem das Konzept 2021-2024 in Kraft getreten ist.

Daneben durften wir den erfolgreichen Abschluss des Förderprogrammes «Energie» und damit der SCCER bestätigen und uns für die gute Zusammenarbeit mit Innnosuisse bedanken.

In der CORE sind Industrie und Wissenschaft vertreten. Sind Sie zufrieden, wie sich die CORE einbringen kann in der Forschungswelt?

Als beratendes Gremium haben wir keine direkte Entscheidungskompetenz. Wir schätzen aber sehr, dass die Bundesämter unsere Empfehlungen umsetzen und auch andere Förderagenturen Anregungen aufnehmen. So ist etwa das Förderprogramm SWEET direkt aus den Empfehlungen der CORE zur Nachfolge der SCCER entstanden.

Die CORE berät nicht nur das BFE beim Förderprogramm SWEET, sondern auch andere Institutionen. Zum Beispiel Innosuisse, die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung. Sie hat 2021 die neue Flagship Initiative lanciert, die auch Projekte im Bereich Dekarbonisierung beinhaltet. Da besteht die Gefahr von Doppelspurigkeiten. Was stellen Sie da fest?

Die verschiedenen Förderorganisationen arbeiten grundsätzlich unabhängig, Überlappungen können daher nicht ganz ausgeschlossen werden. Die jeweiligen Programme unterscheiden sich aber im Fokus, so dass wir das nicht als Problem wahrnehmen. Wir unterstützen grundsätzlich ein koordiniertes Vorgehen. Die Innosuisse, das BFE, das Bundesamt für Umwelt (BAFU) wie auch das Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sind mit VertreterInnen in der CORE präsent und können somit frühzeitig auf mögliche Redundanzen hinweisen.

Ein grosses Thema im Moment: die Stromversorgungssicherheit in den Wintermonaten. Ist das auch ein Thema für die CORE?

Die CORE verfolgt natürlich die politischen Diskussionen. Die optimale langfristige Gestaltung des Energiesystems unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit und CO2-Neutralität bleibt auf absehbare Zeit ein Forschungsthema mit hoher Priorität.

Für die aktuelle Kontroverse mit einem Zeithorizont von 10 Jahren sind die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen aber ausreichend gesichert, so dass die Akteure basierend auf den verfügbaren Szenarien und Simulationen die notwendigen Entscheide in die Wege leiten könnten. Meine persönliche Hoffnung wäre es, dass vermehrt auf eine faktenbasierte und pragmatische Lösungsfindung gesetzt wird in Zusammenarbeit mit den ExpertInnen aus Wirtschaft und Wissenschaft, statt mit ideologisch oder parteipolitisch motivierten Scharmützeln Zeit zu verlieren. Der Ball liegt bei der Politik und der Energiewirtschaft.

CORE ist die Abkürzung für die Eidgenössische Energieforschungskommission. Sie berät den Bundesrat und das Departement für Umwelt Verkehr Energie und Kommunikation (UVEK).

Die CORE begleitet zum Beispiel das Förderprogramm SWEET des Bundesamts für Energie oder das beendete «Förderprogram Energie» der Innosuisse (Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung). Die CORE besteht aus 15 Mitgliedern, die durch den Bundesrat gewählt werden. Sie stammen aus verschiedenen Bereichen der Energieforschung: Energiewirtschaft, Grossindustrie, KMU, den Eidgenössischen Technischen Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen sowie Kantonen. Martin Naef, Global Head of R&D für die Traction Division bei ABB, ist seit 2016 Präsident der CORE.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

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