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Ein Vierteljahrhundert für die Windenergie


1986 wurde im Baselbiet die erste Windkraftanlage der Schweiz ans Netz angeschlossen. Heute produziert die Pionieranlage zwar keinen Strom mehr, dafür ihre Nachfolger. 47 Windkraftanlagen sind derzeit in der Schweiz in Betrieb. Weitere sind in Planung. Fast 25 Jahre war Markus Geissmann im Bundesamt für Energie (BFE) für das Thema Windkraft zuständig. Nun geht er in Pension. Was fasziniert ihn an der Windenergie? Wie blickt er auf seine Zeit als Leiter Windkraft im BFE zurück? Was hat ihn gefreut, wo sieht er die grössten Herausforderungen in Sachen Windkraft?

Energeiaplus: Als die erste Windanlage 1986 ihren Betrieb aufnahm, waren Sie 26 Jahre alt. Was haben Sie davon mitbekommen?

Markus Geissmann: Meine erste Begegnung mit der Windenergie war 1997 auf einem Ausflug mit der Familie auf den Mont Crosin im Berner Jura, wo drei Windenergieanlagen in Betrieb waren. Unsere Kinder waren damals noch klein, und ich erinnere mich gut, wie wir alle von den Dimensionen der Anlagen beeindruckt waren. Heute würde man diese Anlagen als «klein» bezeichnen.

Markus Geissmann hat fast ein Vierteljahrhundert das Thema Windenergie im Bundesamt für Energie betreut. Bild: BFE – Fabien Lüthi

Sie sind Elektroingenieur und haben sich dann in Umwelttechnik weitergebildet, haben zunächst in der Telekom-Branche, dann in der landwirtschaftlichen Forschung gearbeitet, dann der Wechsel zum BFE in ein anderes Gebiet. Was fasziniert Sie an der Windkraft?

 Mit dem «Waldsterben» bin ich während des Studiums für den Schutz der Umwelt und unserer Lebensgrundlagen sensibilisiert worden. Mir war früh klar, dass dazu auch die Versorgung mit erneuerbaren Energien gehört. Windenergieanlagen sind im Grunde ganz simple Einrichtungen: Der Wind dreht die aerodynamisch geformten Rotorblätter, diese treiben einen Generator an, der Strom erzeugt – fertig. Jedes Kind kann diese Mechanik verstehen. Und doch ist eine moderne Windenergieanlage ein veritables Kraftwerk und produziert Strom für fast 3’000 Haushalte, eine einzige Anlage erreicht so viel, das ist beeindruckend.

Wie würden Sie die Stimmung gegenüber Windkraft damals vor 25 Jahren beschreiben?

Die Stimmung in der Bevölkerung und auch in der Elektrizitätsbranche war freundlich-interessiert. Jedoch war man sich sicher, dass die Windenergie für die Stromversorgung des Landes keine Rolle spielen könne. Dies hat sich heute – 25 Jahre später – fundamental geändert: Politik und Energieversorger wollen jetzt die Windenergie stark ausbauen, um damit die Stromversorgung im Winter sicher zu stellen.

Der Windenergie bläst in der Schweiz zuweilen eine steife Brise entgegen. Schaut man zum Beispiel in unsere Nachbarländer, da scheint Windkraft eine grössere Akzeptanz zu geniessen. Was sagen Sie als Fachmann, was macht die Unterschiede aus?

Es sind aus meiner Sicht zwei Faktoren, die den Ausbau der Windenergie in der Schweiz verzögern: Zum einen haben Länder wie Deutschland, Dänemark oder die Niederlande schon in den frühen 1990er Jahren mit der finanziellen Förderung von Windenergieprojekten begonnen. Die Schweiz hat erst 2008 die KEV, die kostendeckende Einspeisevergütung eingeführt, mit der Investitionen in solche Anlagen gefördert werden konnten.

Zum anderen ist in vielen Ländern die direkte Mitsprache der Bevölkerung viel weniger ausgebaut als in der Schweiz. Das kann man als Vor- oder Nachteil einschätzen. Fakt ist, dass es deshalb in der Schweiz noch immer mehr als 15 Jahre vom Projektstart bis zur Inbetriebnahme eines Windparks dauert, während in der EU weniger als 5 Jahre die Regel sind. Die Politik auf nationaler und kantonaler Ebene versucht diese Dauer zu verkürzen, ohne die Mitsprache der direkt Betroffenen einzuschränken.

Was sind in Ihren Augen die grössten Veränderungen/Entwicklungen seit Ihrem Start im BFE?

Die schweizerische und die internationale Energiepolitik haben sich seit 2001 stark verändert: Die meisten Länder – inklusive der Schweiz – haben sich eine Energieversorgung mit erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. Dies, um den Ausstoss von klimaschädlichen Gasen zu vermindern und unabhängiger von Energieimporten zu werden. In diesem zukünftigen Energiemix spielt die Windenergie als Stromlieferant im Winter eine wichtige Rolle. Dies ist heute politisch anerkannt und der Ausbau der Windenergie in der Schweiz wird durch finanzielle und regulatorische Massnahmen gestützt.

Ausserdem hat sich auch die Technik der Windenergieanlagen in dieser Zeit stark entwickelt: 2001 wurden Anlagen für die Windverhältnisse in Küstenregionen gebaut, die in der Schweiz nur mässig gute Resultate lieferten. Heute sind die Anlagen nicht nur deutlich effizienter und leiser, sie sind auch perfekt an die Windverhältnisse im Binnenland angepasst und können in der Schweiz wettbewerbsfähig eingesetzt werden.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei der Windkraft. Windkraft soll ja, wie Sie erwähnt haben, ein wichtiger Pfeiler werden für eine sichere Stromversorgung insbesondere im Winter.

Weil in der Schweiz so wenige Anlagen in Betrieb sind, ist die Windenergie in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Man kennt sie höchstens aus den Ferien im Ausland oder aus den Medien. Dies macht es für Gegner der Windenergienutzung einfacher, Ängste und Vorurteile zu verbreiten, die längst widerlegt sind.

Entsprechend wichtig ist es, dass die Bevölkerung sachlich über Vor- und Nachteile informiert wird und sich so ein eigenes Urteil bilden kann. Diese Rolle hatte in der Vergangenheit vor allem der Windenergieverband Suisse Eole übernommen. Inzwischen sind in vielen Kantonen «Pro Wind» Organisationen entstanden, die sich für den Ausbau der Windenergie engagieren und Informationsarbeit leisten.

Alle diese Tätigkeiten haben zum Ziel, dass sich interessierte und von Windenergieprojekten betroffene Personen aus verschiedenen Quellen informieren und sich so eine eigene Meinung bilden können.

Was war für Sie ein Highlight in diesen 25 Jahren?

Es gab – neben Rückschlägen – zahlreiche Highlights:

Die Eröffnung jedes neuen Windparks in der Schweiz war natürlich ein Highlight. Auch die Bestätigung der Energiestrategie 2017 und das Ja zum neuen Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung durch erneuerbare Energien 2024 an der Urne gehören für mich zu den Highlights. Schliesslich durfte ich einige Jahre lang die Schweiz im Executive Commitee und in Arbeitsgruppen der internationalen Energieagentur IEA vertreten. Ich habe dadurch viele interessante Personen kennengelernt und spannende Orte besuchen können. Auch diese Erlebnisse waren Highlights für mich, und ich werde sie nicht vergessen.

Für die Festlegung von geeigneten Gebieten zur Windenergienutzung sind die Kantone zuständig. Was ist eigentlich die Rolle des Bundes bei der Windenergie?

Der Bund, das sind das Parlament und der Bundesrat, definiert erstens die finanziellen Förderbedingungen für Windenergieprojekte. Aktuell gibt es mehrere Instrumente dafür (Planungsbeiträge, Investitionsbeiträge und die gleitende Marktprämie).

Zweitens legt der Bund die übergeordneten Rahmenbedingungen für die Planung und den Bau von Windenergieanlagen in der Schweiz fest. Ein Beispiel dafür sind die Bestimmungen des sogenannten «Windexpress», die das Bewilligungsverfahren vereinfachen und beschleunigen sollen.

Und schliesslich unterstützt der Bund im Rahmen des Programms «EnergieSchweiz» Projekte in den Bereichen Information, Aus- und Weiterbildung und Qualitätssicherung. Davon können auch zahlreiche Projekte im Bereich Windenergie profitieren.

Zum Schluss noch zwei persönliche Fragen: Der Wind animiert auch viele Musikschaffende: «Wind of change» von Scorpions, «Blowin’ in the wind» von Bob Dylan, «Against the Wind» von Bob Seeger oder «Lue zersch, wohär der Wind wäit» von Züri West,. Wie halten Sie es musikalisch mit dem Wind?

 Markus Geissmann: Wenn ich an Wind in der Musik denke, kommen mir die ersten zwei Zeilen des Songs «Hotel California» der Eagles in den Sinn:

«On a dark desert highway

cool wind in my hair … “

Ausserdem war ich in den 1970er Jahren – und bin es immer noch ein bisschen – ein Fan von Pink Floyd, die den sehr melodiösen Titel «A pillow of winds» geschrieben haben.

Mein Musikgeschmack ist aber sehr breit, und ich höre – je nach Stimmung – von Volksmusik über Rock und Pop bis zur Klassik fast alles.

Und wo bläst der Wind Sie nun hin?

Markus Geissmann: «… the answer is blowing in the wind.” Wer weiss? Ich freue mich nun erst einmal auf die freie Zeit und dass ich keine kurzfristigen Stellungnahmen mehr schreiben muss. Danach sehen wir weiter. Ich werde mich gerne weiterhin für sinnvolle Projekte engagieren, auch wenn sie nicht im Energiebereich liegen – es gibt so viel zu tun!

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bilder: BFE  – Fabien Lüthi

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