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Atome für den Frieden: Zur Geschichte der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA)


Am 8. Dezember 1953 hielt US-Präsident Dwight D. Eisenhower vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eine Rede im Rahmen der Initiative «Atoms for Peace» («Atome für den Frieden»), in der er sich für die friedliche Nutzung der Kernenergie weltweit sowie für zivile Anwendungen in Medizin, Landwirtschaft und Wissenschaft aussprach. Gleichzeitig sollte eine internationale Agentur geschaffen werden, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Eisenhower sah die Kernenergie als Garant für Sicherheit, Frieden und Wohlstand sowie als Lösung für die Probleme der Dritten Welt. «Die Vereinigten Staaten wissen, dass die furchtbarste aller zerstörerischen Kräfte, die Kernenergie, zu einer grossen, dem Wohlergehen der gesamten Menschheit dienenden Gabe werden kann, wenn es gelingt, die erschreckende Tendenz zu einem immer weiteren Ausbau der Atomwaffen zum Halten und zur Umkehr zu bringen. Die Vereinigten Staaten wissen, dass es kein Zukunftstraum mehr ist, aus der Kernenergie Kräfte für friedliche Zwecke zu gewinnen. Die erwiesene Möglichkeit dazu besteht jetzt – hier – heute.»

Am 29. Juli 1957 wurde die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) in Wien gegründet, um die friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern und die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Der doppelte Auftrag der IAEA ist in Artikel II der IAEA-Satzung festgelegt: «Die Organisation ist bestrebt, den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand in der ganzen Welt zu beschleunigen und zu vergrössern. Sie stellt, soweit sie dazu in der Lage ist, sicher, dass die von ihr oder auf ihr Ersuchen oder unter ihrer Aufsicht oder Kontrolle geleistete Hilfe nicht für militärische Zwecke verwendet wird.» In den 1950er- und 1960er-Jahren konzentrierte sich die IAEA zunächst vor allem auf die Förderung der zivilen Kernenergie. Bis zur Eröffnung des Vienna International Centre 1979 diente das alte Grand Hotel neben der Wiener Oper als vorläufiger Sitz der Agentur. Die IAEA verfügt über zwei Regionalbüros in Toronto (seit 1979) und Tokio (seit 1984), über zwei Verbindungsbüros in New York (seit 1957) und Genf (seit 1965) sowie auf Kerntechnik spezialisierte Laboratorien in Seibersdorf (seit 1959 in Wien und seit 1962 in Seibersdorf) und in Monaco (seit 1961).

Trotz der Konflikte und Spannungen des Kalten Krieges hatten die USA und die Sowjetunion ein gemeinsames Interesse daran, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Die Kooperation zwischen den beiden Supermächten ermöglichte 1968 die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags, der die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtete, die Kernenergie ausschliesslich für friedliche Zwecke zu nutzen und ihre Kernmaterialien einer internationalen Kontrolle zu unterstellen. Im Gegenzug erhielten die Nicht-Atomwaffen-Staaten Zugang zu zivilen Nukleartechnologien. Die IAEA wurde 1970 mit der Überwachung des Atomwaffensperrvertrages beauftragt. Die Ungleichbehandlung der Atommächte und der Nicht-Atomwaffen-Staaten führte jedoch zu Spannungen zwischen den beiden Staatengruppen. Die Förderung der zivilen Kernenergie diente damals als Verkaufsargument für den Atomwaffensperrvertrag. Bis 1971 erarbeitete die IAEA die Safeguards-Prinzipien zur Verifikation des Atomwaffensperrvertrags. Die IAEA-Inspektionen beschränkten sich in den 1970er-Jahren jedoch auf die durch die Mitgliedstaaten deklarierten Standorte und Anlagen. Der indische Atomwaffentest von 1974 zeigte, dass die IAEA den Missbrauch von Kernmaterialien für militärische Zwecke nicht verhindern konnte. In den 1970er- und frühen 1980er-Jahren lag der Schwerpunkt der IAEA hauptsächlich auf den Safeguardsmassnahmen und der Nonproliferation. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 wurde die Sicherheit ziviler Kernkraftwerke jedoch zu einem neuen Schwerpunkt der IAEA.

Die IAEA-Inspektionen im Zusammenhang mit den Atomwaffenprogrammen im Irak und in Nordkorea führten 1997 zur Verabschiedung eines freiwilligen Zusatzprotokoll-Modells durch die IAEA. Dieses soll der IAEA in Zukunft erleichtern, nicht deklarierte nukleare Aktivitäten aufzudecken. Das Zusatzprotokoll erweiterte die Informationspflichten, verbesserte die Zugangsmöglichkeiten für Inspektionen und ermöglichte den Einsatz von Wisch- und Umgebungsproben an allen möglichen Orten sowie die Nutzung von Satellitenbildern. Die Staaten haben eine umfassende Informationspflicht über alle Aktivitäten und Standorte, die mit Kernmaterialien zu tun haben, z.B. Forschungsaktivitäten, Nuklearexporte, Kernreaktoren, Abfalllager oder Uranminen. Die IAEA kann zusätzliche Informationen anfordern. Alle der IAEA gemeldeten Gebäude können kurzfristig inspiziert werden. Grundsätzlich kann die IAEA an jedem Ort Umweltproben entnehmen. Die Staaten sind verpflichtet, administrative Hürden für die Inspektoren abzubauen und die Kommunikation mit der IAEA jederzeit zu ermöglichen.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verabschiedete die IAEA eine Resolution zur nuklearen Sicherung und zur Verhinderung von terroristischen Aktivitäten. 2003 sorgte die IAEA durch ihre Mission im Irak für internationales Aufsehen. Obwohl die IAEA bei ihren Inspektionen im Irak keine Hinweise auf ein irakisches Atomwaffenprogramm finden konnte, wurde der Irakkrieg 2003 durch die USA unter Präsident George W. Bush unter dem Vorwand des Vorhandenseins von irakischen Massenvernichtungswaffen begonnen. Der damalige IAEA-Generaldirektor Mohammed el-Baradei erklärte später, die Entscheidung für den Irakkrieg sei bereits getroffen worden, bevor die IAEA-Inspektionen im Irak begonnen haben. 2005 erhielten Mohammed el-Baradei und die IAEA den Friedensnobelpreis «für ihre Bemühungen, die Nutzung der Kernenergie für militärische Zwecke zu verhindern und sicherzustellen, dass die Kernenergie für friedliche Zwecke auf die sicherste Weise genutzt wird».

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 verstärkte die IAEA ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit ziviler Kernkraftwerke. Seit 2003 hat die IAEA immer wieder mit Inspektionen im Iran für Schlagzeilen gesorgt, mit welchen sie zu überprüfen versucht, ob das Kernmaterial in den iranischen Nuklearanlagen nur für friedliche Zwecke eingesetzt wird. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine erarbeitete die IAEA sieben Pfeiler für die nukleare Sicherheit und Sicherung zum besseren Schutz ziviler Kernanlagen in bewaffneten Konflikten sowie fünf Prinzipien speziell für das Kernkraftwerk Saporischschja. Am 1. September 2022 besuchte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi erstmals das von russischen Truppen besetzte Kernkraftwerk Saporischschja. IAEA-Inspektoren blieben in der Folge dauerhaft im Kernkraftwerk und die IAEA forderte die Einstellung der Kampfhandlungen sowie eine Schutzzone um das Kernkraftwerk, um einen drohenden Atomunfall zu verhindern.

Links:
History | IAEA
IAEA History Research Project

Michael Fischer, Fachspezialist für Bundesrats- und Parlamentsgeschäfte BFE

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