Die Tage werden kürzer. Dank künstlichem Licht sitzen wir nicht im Dunkeln. Etwa 10 Prozent des Stromverbrauchs in der Schweiz geht aufs Konto der Beleuchtung. Mit einer intelligenten Tageslichtplanung kann viel Energie gespart werden.

Schaut man sich Gebäude an, die in den letzten Jahren gebaut wurden, fällt auf: Sie haben grossflächige Fenster. Das Tageslicht scheint bei diesen Gebäuden in die Architektur einzufliessen, wird sozusagen eingeplant.

Seit 2019 gilt in der Schweiz und in der EU zudem eine gemeinsam entwickelte Tageslichtnorm (SN EN 17037), die einen einheitlichen Standard für die Tageslichtplanung definiert. Bisherige Normen behandelten das Tageslicht nur indirekt. Konkret: Die Fensterfläche muss 10 Prozent der Bodenfläche ausmachen. Weitere Vorschriften zur Position des Fensters, zur Art und Dicke des Glases, etc. gibt es kaum.

Mit der neuen Norm, die seit 2019 in Kraft ist, ändert sich das. Neu sollen Gebäude so geplant werden, dass das Kunstlicht immer erst dann zum Zug kommen soll, wenn natürliches Licht nicht in ausreichender Form vorhanden ist. Bis jetzt ist diese Norm allerdings nicht verpflichtend.

Für Tageslicht-Spezialist Björn Schrader ist das zu wenig. Er findet: «Tageslicht braucht eine Lobby». Warum? Was läuft in den Augen des Dozenten für das Thema Gebäudetechnik – Tages- und Kunstlichttechnik an der Hochschule Luzern nicht, wie es sollte.

Energeiaplus: Warum braucht das Tageslicht eine Lobby?

Björn Schrader leitet die interdisziplinäre Themenplattform Licht an der Hochschule Luzern. Bild: HSLU

Björn Schrader: Wenn es heute um Lichtplanung im Gebäude geht, so meint man die Kunstlichtplanung. Für mich kommt indes das Tageslicht an erster Stelle. Genügend Tageslicht ist wichtig für Körper und Wohlbefinden. Das erleben wir selber und auch die Wissenschaft hat das längst belegt. Licht und Sonne belegen den 3. Platz bei den relevanten Faktoren bei der Wohnungssuche. Nur Mietzins und vorhandener Platz liegen davor. Das zeigt eine Umfrage des Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner. Und gerne verweise ich auch auf unsere Internet-Seite, wo wir 24 Fakten zum Tageslicht aufgeführt haben.

Die grossen Fensterflächen bei Neubauten zeigen aber doch: Architektinnen und Planer scheinen die Bedeutung des Tageslichts durchaus erkannt zu haben.

Ja, das könnte man meinen. Aber da beginnt schon das grosse Missverständnis. Die Grösse eines Fensters allein ist kein Garant für viel Tageslicht. Im Gegenteil: Grosse Fensterflächen können punkto Tageslicht sogar kontraproduktiv sein. Zum Beispiel: Wenn im Sommer die Sonnenstoren runtergelassen werden müssen und man dafür  Kunstlicht braucht, damit es im Gebäude drin nicht zu heiss wird. Im Winter kann das Sonnenlicht hingegen zusätzliche Gratis-Wärmequelle sein. Wenn die Sonne im Winter blendet, sollte man deshalb nicht die Aussenstoren benutzen. Eine Innen-Jalousie schützt gegen das Blenden und gleichzeitig kann die Sonne den Raum noch wärmen.

In einem Fachartikel des deutschen Fachverbands Tageslicht und Rauchschutz (FVLR) steht, dass bis zu 75 Prozent Energie bei der Beleuchtung gespart werden kann, wenn man das natürliche Licht in einem Bürogebäude optimal nutzt. Das ist viel. Können Sie das bestätigen? Wie sieht das bei uns aus?

Björn Schrader. Ja, das ist ein hoher Wert, und es zeigt, wie hoch das Potenzial beim Tageslicht ist. Dies setzt aber voraus, dass Tageslicht von Anfang an im Gebäudeentwurf mitgedacht wird. Hier sind insbesondere die Architektinnen und Architekten angesprochen. Allerdings ist das Thema Tageslicht in der Architekturausbildung kaum vorhanden. Es geht eher um gestalterische Fragen. Wie vorher erwähnt ist ein Fenster ja nicht nur dafür da, Licht in einen Raum zu lassen, sondern man kann es auch für die solare Wärme im Winter nutzen oder für den sommerlichen Wärmeschutz. Beides ist für die Energieeffizienz des Gebäudes sehr relevant.

Es ist daher erfreulich, dass die neue Norm verbindlicher wird. Die Labels Minergie und SNBS wollen die Norm integrieren. Und auch bei der sia bewegt sich etwas.

Was gilt es denn zu berücksichtigen, wenn man das Tageslicht optimal ausnutzen will.

Björn Schrader: Eine Rolle spielt zum Beispiel das Glas an und für sich. Die heutigen dreifach verglasten Fenster lassen weniger Tageslicht durch. Das realisiert man vielleicht nicht unbedingt. Das Auge gewöhnt sich schnell. Aber öffnen Sie mal die Fenster. Dann sehen Sie vermutlich einen Unterschied.

Wenn man getönte Scheiben einsetzt, zum Beispiel bei Bürogebäuden mit grossen Fensterflächen als Sonnenschutz, dann kommt auch weniger Tageslicht in den Innenraum.

Welchen Einfluss haben bauliche Gegebenheiten? Verdichtung zum Beispiel wird heute grossgeschrieben.

Björn Schrader: Ja, das ist natürlich auch ein Punkt. Wenn Gebäude nahe beieinanderstehen, gelangt weniger Tageslicht in die Räume. In England sind die Fenster bei älteren Gebäuden in den unteren Stockwerken darum grösser als in den oberen Etagen.

Einen Einfluss aufs Tageslicht haben auch Massnahmen, die grundsätzlich mit guter Absicht umgesetzt werden. Ich denke da an energetische Massnahmen wie zum Beispiel die Dämmung eines Gebäudes. Dadurch wird das Gebäude besser isoliert, man heizt nicht auch noch die Umgebung mit. Aber: Eine zusätzliche Dämmung macht die Hausmauer dicker, das beeinflusst, wie viel Licht in den Raum gelangen kann.

Das gleiche gilt für grössere Fensterrahmen.

Ein klassischer Zielkonflikt?

Björn Schrader: Ja, das kann man so sagen. Natürlich sind energetische Massnahmen gerade jetzt wichtig, wo es darum geht, Energie nicht zu verschwenden. Wichtig ist für mich, dass das Planerteam gemeinsam gesamthaft ein Optimum erreicht, bei dem das Tageslicht einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Dafür braucht es Sensibilität, Verständnis, Kompetenz bei den Verantwortlichen und auch in der Aus- und Weiterbildung sollte die Tageslichtplanung fixer Bestandteil werden.

Die Dänen scheinen uns da etwas voraus zu sein. Kopenhagen hat den Wert des Tageslichts in der Stadtplanung verankert. Was machen die Dänen besser?

Björn Schrader:  Die Menschen in den nördlichen Ländern sind beim Licht und insbesondere auch beim Tageslicht stärker sensibilisiert. Das hängt sicher auch mit der Licht-Situation zusammen. Im Winter ist es fast den ganzen Tag dunkel, im Sommer dafür auch in der Nacht noch hell.  Dort ist das Thema Licht auch stark in der Architekturausbildung verankert.

Letzte Frage: Wie kann ich das natürliche Licht auch ohne grosse bauliche Eingriffe besser nutzen?

Björn Schrader: Da gibt es viele Tipps. Den Arbeitsplatz in der Nähe des Fensters einrichten, Storen immer ganz nach oben fahren, helle Wände, können das Tageslicht auch verstärken.

 

Mit dem Dosimeter das Tageslicht messen:

Licht ist nicht nur zum Sehen da, es beeinflusst unsere Stimmung und unseren Organismus. Wir Menschen sind durch das Tageslicht geprägt, und dieses fungiert z.B. als Taktgeber für unseren Wachschlafrhythmus und weitere Körperfunktionen. Aber in den Industrienationen halten sich die Menschen bis zu 90% in Innenräumen auf. Welche langfristigen Effekte dies auf uns und unsere Gesellschaft hat ist noch unklar: Die Erforschung der nichtvisuellen Wirkung von Licht und deren Auswirkungen ist noch am Anfang.

Das Light-Dosimeter ist eines der ersten Geräte, mit dem das Licht, das der Mensch über den Tag abbekommt, protokolliert werden kann. Dies ist wichtig zur Bestimmung von Lichtprofilen unterschiedlicher Personengruppen.

www.light-dosimeter.ch

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

 

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