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Ziel erreicht: E-Bike-Förderprogramm NewRide wird eingestellt


Mit dem E-Bike zur Arbeit, zum Einkaufen oder in die Veloferien: E-Bikes sind im Strassenverkehr omnipräsent. Kaum ein Veloladen, der nicht E-Bikes im Angebot hat. E-Bikes sind zum Selbstläufer geworden. Das Programm NewRide, das zur Förderung von E-Bikes lanciert und von 2002 bis 2016 von Energie Schweiz unterstützt wurde, wird deshalb aufgelöst.

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer besitzen heute ein E-Bike. Ende 2021 waren etwa 885’000 E-Bikes unterwegs. 2002 – vor 20 Jahren sah es noch gar nicht danach aus. Rund 1000 Personen fuhren damals E-Bike. Als Exoten wurden sie belächelt, wenn sie wieder mal stecken blieben, weil der Motor versagte. Der Verein NewRide wollte den E-Bikes Schub verleihen. Ziel war, «der Bevölkerung die Vorteile der Elektrozweiräder zu kommunizieren und im Rahmen von Roadshows Testfahrten zu ermöglichen», wie im NewRide-Rückblick von 2017 nachzulesen ist.

«Das Elektro-Bike und das Fahrrad können einen wesentlichen Beitrag leisten zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele der Schweiz.» So begründete das Bundesamt für Energie (BFE) 2002 in seiner Medienmitteilung die Unterstützung von Energie Schweiz für das Programm NewRide. Und weiter: «Die ökologisch verantwortungsbewussten Bürger, denen das Zufussgehen zu langsam und das Velofahren zu anstrengend ist, finden in elektrisch angetriebenen Zweirädern eine Alternative, die schnell und bequem ist, aber auch die Lebenslust steigert, die Mitmenschen und die Umwelt respektiert und damit zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.»

Nach 20 Jahren hat das Programm NewRide seine Aktivitäten nun eingestellt. Energeiaplus zieht mit dem letzten NewRide-Geschäftsführer, Bernhard Schneider, Bilanz.

Energeiaplus: Bernhard Schneider, seit wann fahren Sie E-Bike?

Bernhard Schneider war Geschäftsführer von NewRide Bild zvg. Bernhard Schneider

Bernhard Schneider: Seit meiner Jugend bin ich Velofahrer. Ab 2001 testete ich die jeweils aktuellen E-Bikes regelmässig an Testanlässen. 2013 kaufte ich dann ein eigenes E-Bike, einen Flyer X, das vollgefederte Topmodell der ersten am Markt erfolgreichen E-Bike-Generation. Diesen ersetzte ich in diesem Frühjahr durch ein neues E-Bike.

Das E-Bike brauche ich anstelle des Autos, wenn ich nicht zu viel Gepäck mitführe. Seit 2013 substituiere ich so jährlich etwa 5000 Autokilometer. Demgegenüber habe ich mit dem E-Bike noch keinen einzigen Velokilometer ersetzt. Wenn ich kein oder nur sehr wenig Gepäck dabeihabe, eine Dusche und einen sicheren Aufbewahrungsort am Ziel zur Verfügung habe, wähle ich nach wie vor das Triathlon-, das Rennvelo oder das normale Bike.

Lange wurden E-Bike-Fahrer belächelt, unter anderem wegen der Batterien und deren Reichweite. Dazu haben Sie geforscht. Was haben Sie da herausgefunden.

Ja, ich habe von 2006 bis 2008 ein Forschungsprojekt zur Reichweite von E-Bikes im Auftrag des BFE geleitet. Dazu entwickelte ich eine Methode, mit der man die Performance der E-Bikes bei einer bestimmten körperlichen Leistung mit dem Rennrad vergleichen konnte. Ich kam zu zwei relevanten Schlüssen, die bis heute gelten: Erstens ist die Reichweite von zu vielen Faktoren abhängig, als dass sie mit einer einzigen Zahl quantifiziert werden könnte. Zweitens lohnt sich Rekuperation, d.h. Aufladen der Batterie beim Bremsen, bei den vergleichsweise leichten E-Bikes nicht.

Was hat den E-Bikes zum Durchbruch verholfen?

Es kamen verschiedene Faktoren zusammen. E-Bikes entsprechen angesichts des Klimawandels global dem Bedürfnis nach effizienten leichten Fahrzeugen, die wenig Fremdenergie benötigen. In der Schweiz als Pionierland erfolgte der Durchbruch früher als etwa in Deutschland.

Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Fahrradhändlern, Herstellern und Importeuren von E-Bikes mit NewRide führte dazu, dass E-Bikes überall in den Medien erschienen und zudem getestet werden konnten. Interessant ist auch, dass mit Flyer ein einheimischer Anbieter den Durchbruch zum Massenprodukt als Erster schaffte.

Bessere Batterien, grössere Reichweite, leichtere Fahrräder haben den Boom begünstigt. Hätte sich der E-Bike-Boom nicht auch ohne NewRide eingestellt?

Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Aber NewRide hat sicher einen grossen Anteil daran, dass die Branche in der Schweiz früher als irgendwo sonst rentabel verkaufen konnte. Die grossen Velo-Anbieter stiegen erst richtig ein, als spezialisierte Hersteller wie Flyer mit ausgereiften Fahrzeugen verschiedener Ausrichtung, vom Flyer C über den sportlichen S bis zum einigermassen geländegängigen X, bewiesen, dass E-Bikes für unterschiedliche Bedürfnisse einen grossen Absatz finden. Die Führungsrolle des Schweizer Marktes hatte Modellcharakter. Mit Verzögerung hätten sich E-Bikes aber auch ohne NewRide zweifellos durchgesetzt.

Ein Programm wie NewRide ist vor allem in der Startphase von Bedeutung. Sobald alle potenziellen Käuferinnen und Käufer Bekannte und Verwandte haben, die mit ihrem E-Bike zufrieden sind, ist der Aufbau von Kenntnissen und Vertrauen zu den neuen Fahrzeugen durch eine unabhängige Organisation wie NewRide weniger zentral.

Welche Akzente hat NewRide gesetzt? Welche Erfolge gehen aufs Konto von NewRide?

NewRide ermöglichte mit seiner Infrastruktur und geschulten Leuten Testfahrten überall im Land mit kompetenter, neutraler Beratung. Als unabhängiges Kompetenzzentrum hatte NewRide hohe Glaubwürdigkeit. Dies äusserte sich auch in den Medien. Wir haben allein mit dem Fotoshooting mit der Miss Schweiz von 2003, Nadine Vinzenz, mehrere Millionen Leserinnen und Leser mit E-Bikes vertraut gemacht. Als Medienverantwortlicher von NewRide wurde ich oft angefragt, wenn ein E-Bike-Anbieter Neuigkeiten verbreitete, was davon zu halten sei. Wir haben während der ganzen 20 Jahre viel investiert, um auf dem Stand der Entwicklung zu bleiben und für unser Fachurteil geschätzt zu werden. Erfreulicherweise teilten auch die wichtigen E-Bike-Anbieter die Auffassung, dass der Branche ein unabhängiges Kompetenzzentrum wesentlich mehr hilft als eine PR-Organisation.

Wir haben aber auch festgestellt, was kaum etwas bringt: Da einzelne Gemeinden Subventionen ausrichteten, war es möglich, den Absatz von Gemeinden mit und ohne Subventionen zu vergleichen. Das Resultat: Subventionen werden zwar gerne angenommen, wenn sie angeboten werden, aber nur von Leuten, die ohnehin ein E-Bike kaufen wollten. Deshalb war kein signifikantes Plus an Verkäufen dank Subventionen feststellbar. Hingegen haben aktive, engagierte Händler kommunal sehr viel erreicht.

Ein Ziel von NewRide: Einen Beitrag zur Verminderung des CO2-Ausstosses leisten. Wie sieht Ihre Bilanz da aus?

Die Tabelle zeigt, dass auch hier der Anfang schwer war: Zuerst musste ein relevanter Bestand an E-Bikes aufgebaut werden, um nennenswert CO2 einzusparen. Diese Zahl wurde 2008 erreicht. Im Jahr 2021 bewegten sich gemäss unserer Schätzung etwa 880’000 E-Bikes auf Schweizer Strassen, legten etwa 2.3 Milliarden Kilometer zurück, substituierten etwa 885’000 Motorfahrzeugkilometer. Das entspricht einer Reduktion des CO2-Ausstosses um 122’000 Tonnen.

Grafik: NewRide

E-Bikes machen das Velofahren angenehmer, aber auch schneller. Das hat auch Fragen der Sicherheit, der Infrastruktur und des Konfliktpotenzials mit anderen Verkehrsteilnehmenden in den Vordergrund gerückt. Wie positionierte sich NewRide da?

Wir haben von Beginn weg die Haltung vertreten, dass ein rücksichtsvolles Nebeneinander allen dient. Wir empfahlen, beim Überholen von Fussgängern auf das Tempo eines Joggers abzubremsen. Wir vertraten auch die Ansicht, dass kombinierte Fuss-Radwege nur bergauf sowie in gewissen Ausnahmefällen sinnvoll sind. Die Markierung «Fussweg, Velos erlaubt» verweist schnelle E-Bikes auf die Strasse und ist in den meisten Fällen sinnvoller als ein Fussweg, auf dem alle Zweiräder bis hin zu Mofas erlaubt sind. Vor allem innerorts sind schnelle E-Bikes kaum langsamer als Motorfahrzeuge und damit ein Vielfaches schneller als Fussgängerinnen und Fussgänger, deshalb gehören sie auf die Strasse, um diese und langsamere Velofahrende nicht zu gefährden.

Wichtig ist auch die Schulung von Leuten, die mit dem E-Bike erstmals auf zwei Rädern unterwegs sind. Wir stellten oft fest, dass erfahrene Fahrerinnen und Fahrer mehr Rücksicht nehmen als unerfahrene. Gute Radfahrer können auch rücksichtsvoll bremsen.

Doch nicht nur Rücksichtnahme und Fahrtechnik sind für die Sicherheit bedeutend. Physikalisch sind Motorfahrzeuge zwar viel gefährlicher als Zweiräder, doch insbesondere schnelle E-Bikes stellen auch eine gewisse Gefahr für schwächere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer dar. Für unsere Positionierung war immer entscheidend, dass wir genügend unabhängig und kritisch waren, um auch Problempunkte von Elektrozweirädern anzusprechen.

Die Aktivitäten von NewRide beschränkten sich nicht nur auf E-Bikes, also auf Fahrräder mit Elektromotor, sondern auch auf E-Motos oder E-Scooters. Weshalb?

Das ursprüngliche Anliegen war die Unterstützung der Markteinführung aller Elektrozwei- und -dreiräder. Vor allem im professionellen Bereich besteht hier viel Potenzial, nicht nur bezüglich der Reduktion der CO2-Emissionen, sondern auch aus lufthygienischer Sicht. Hier verläuft die Entwicklung wesentlich langsamer, denn eingefleischte Töff-Fahrer haben grosse Mühe, auf Elektro umzusteigen, und die kleinen E-Scooters setzen sich nur sehr beschränkt gegen E-Bikes durch. Ein grosser Erfolg ist aber der Einsatz der Kyburz Dreiräder durch die Post. Immer mehr Werkbetriebe setzen zudem E-Motos oder Scooters ein, denn gerade im Stop-and-Go-Verkehr sind darüber hinaus auch die Unterhaltskosten und die Abschreibedauer markant besser.

Nun stellt NewRide seine Aktivitäten ein. Mit dem Erfolg von E-Bike und Co. hat das Programm seine Aufgabe erfüllt. NewRide wird sozusagen Opfer seines eigenen Erfolgs?

Ich würde nicht sagen, Opfer. Die Organisation NewRide verfolgte immer klare Ziele. Dass sie sich nun erübrigt hat, ist ein Erfolg.

Auf der Webseite newride.ch konnten Interessierte Infos erhalten. Wie lange wird die Seite noch weiter betrieben?

Dies lässt sich nicht genau sagen, sondern hängt von der technologischen Entwicklung ab. Wir haben Datenbanken, die nicht mehr aktuell sind, gelöscht, um kein Upgrade durchführen zu müssen. Wir hoffen aber, dass die Entwicklung die Nutzung unserer handprogrammierten HTML-Seiten und die herunterladbaren PDF noch eine Zeit lang ohne Sicherheitsprobleme zulässt. Die Serverkosten und kleinere technische Anpassungen für mehr Sicherheit übernehme ich bis dann gerne.

 

E-Bike: Die Entwicklung in Zahlen (Quelle NewRide)

 

E-Bike VerkäufeBestandkm e-bikeskm substitutionEinsparung t CO2Durchschnitt co2-km
20021’0001’0002’600’000988’000195197.5
20031’5002’5006’500’0002’470’000482195
20042’0004’50011’700’0004’446’000854192
20052’5007’00018’200’0006’916’0001307189
20064’00011’00028’600’00010’868’0002032187
20077’00017’26044’876’00017’052’8803121183
200813’00029’43076’518’00029’076’8405088175
200927’00055’130143’338’00054’468’4409096167
201040’00093’380242’788’00092’259’44014854161
201149’700140’566365’471’600138’879’20821526155
201253’000189’446492’559’600187’172’64828263151
201349’400232’318604’026’800229’530’18433351145.3
201457’700277’804722’290’400274’470’35239030142.2
201566’332326’609849’184’336322’690’04843628135.2
201675’665380’275988’715’156375’711’75950195133.6
201787’601442’9841’151’758’504437’668’23258691134.1
2018111’661528’1401’373’163’532521’802’14271904137.8
2019133’033625’3861’626’004’016617’881’52685144137.8
2020171’132751’3891’953’612’336742’372’688103932140.0
2021187’302885’5132’302’332’812874’886’469122484140.0

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: shutterstock, Stock Photo ID: 1428455678

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