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Das imposante Gebäude in Wankdorf zieht unweigerlich die Blicke der Passanten auf sich. Auf den ersten Blick mag der Hauptsitz von PostFinance kühl und technisch wirken. Doch der Schein trügt: Das Dach des Sockels ist mit Pflanzen geschmückt, die man sonst eher in Gärten findet.

Das dreizehnstöckige Gebäude in Form eines unregelmäßigen Sechsecks steht seit fast zehn Jahren stolz auf dem Berner Gelände und hat sein Erscheinungsbild maßgeblich geprägt. Das Gebäude thront auf einem Sockel, unter dem sich Besprechungs- und Kreativräume befinden. Die großen Glasfassaden verleihen dem Gebäude je nach Sonnenstand ein anderes Aussehen. Eine verglaste Vorderfront schützt sie vor Wind und Wetter, während dazwischen Sonnenjalousien angebracht sind. Zwei Wärmepumpen mit 18 Sonden, die sich jeweils in 330 m Tiefe befinden, liefern Wärme, die über eine thermoaktive Decke abgegeben wird. Die Abwärme wird direkt wieder in das Gebäude eingespeist. Bereits beim Bau wurde großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt: 80% des verwendeten Betons stammen aus Recycling. So wurde nicht nur auf Energieeffizienz, sondern auch auf eine umweltfreundliche Bauweise Wert gelegt. Folgerichtig ist das Bürogebäude nach Minergie-ECO zertifiziert.

Nachhaltige Außenbereiche

Das Konzept der Nachhaltigkeit erstreckt sich auch auf die Außenbereiche. Eine Fläche von 400m2 des Gebäudesockels ist begrünt. Darüber hinaus sind die Innenhöfe und das Erdgeschoss des Gebäudes mit Bäumen, Sträuchern und Rasen bepflanzt. Für den Standort in Wankdorf wurden flache Ballenpflanzen "Steinrosenflur" für eine extensive Begrünung verwendet. Im Gegensatz zur intensiven Dachbegrünung ist sie weniger pflegeintensiv, so dass auf Pestizide, Nährstoffe und Bewässerung verzichtet werden kann. Die Fläche wird bis auf die jährliche Pflege vollständig der Natur überlassen.

Die meisten der verwendeten Pflanzen gehören zur Familie der Sedumgewächse, die auch als Knabenkraut bezeichnet werden. Diese trockenheitsresistenten Stauden setzen vom Frühjahr bis zum Herbst regelmäßig blühende Akzente auf dem Flachdach. Die flächendeckenden Arten bilden einen grünen Teppich, auf dem sich diese Farbakzente abheben. Die Pflanzen aus der Familie der Sedumgewächse sind in Nordeuropa weit verbreitet und zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, Wasser in ihren Blättern zu speichern. Sie wachsen an trockenen, felsigen Standorten und eignen sich daher hervorragend für sonnige Flachdächer, da ihnen Trockenheit und Sonne nichts anhaben können. Außerdem sind sie ein wahres Paradies für Insekten und Schmetterlinge. Die Begrünung stellt somit einen wichtigen Lebensraum in der Stadt dar.

Anpassung an den Klimawandel

Generell werden begrünte Fassaden oder Dächer von Gebäuden immer häufiger. Und das aus gutem Grund: Vor allem in Städten und der umliegenden Agglomeration sind diese Flächen wertvoll und können Standorte in Bezug auf die Biodiversität aufwerten. Gleichzeitig tragen sie zur Anpassung an den Klimawandel bei. Die Aufwertung von Freiflächen in Siedlungen und Agglomerationen, zum Beispiel durch Grünflächen und Fassaden- oder Dachbegrünung, ist eine der Massnahmen im Bereich Biodiversitätsmanagement des Aktionsplans 2020-2025 "Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz: Aktionsplan 2020-2025" des Bundes. Grünflächen steigern nicht nur das Wohlbefinden, sondern können auch zur Vermeidung von Hitzeinseleffekten beitragen, insbesondere in Städten. Denn versiegelte Flächen absorbieren die Sonnenstrahlen und heizen so die Umgebung auf. Grünflächen, die durch Maßnahmen wie bewegte Wasserflächen oder Schattenbereiche ergänzt werden, verringern diesen Effekt.

Ein Vorteil sowohl für Innen- als auch für Außenbereiche

Auch im Inneren des Gebäudes ist ein positiver Einfluss zu beobachten: "Wir stellen eine ausgleichende Wirkung der Dachbegrünung auf die Raumtemperatur fest", sagt David Lengyel, Spezialist für Nachhaltigkeit im Immobilienmanagement von PostFinance. Gleichzeitig sorgt die Begrünung für Schallschutz und bindet Feinstaub, was vor allem wegen der Nähe zur Autobahn ein großer Vorteil ist. Auch die Infrastruktur des Gebäudes profitiert von der grünen Abdeckung: Diese schützt das Dach vor Witterungseinflüssen und UV-Strahlung. Im Sommer wird die thermische Belastung der Gebäudestruktur reduziert. Außerdem hält die Grasdecke bei starken Regenfällen einen Teil des Meteorwassers zurück. Durch die Verdunstung wird das Wasser nach und nach an die Umwelt abgegeben. Dadurch werden die Kanalisationssysteme entlastet. "Nicht zuletzt bietet eine solche Begrünung natürlich auch einen ästhetischen Mehrwert", betont David Lengyel. So fügt sich die Begrünung unauffällig in das Gebäudekonzept ein: "Es wurden nur niedrige Pflanzen gewählt, um die Silhouette des Gebäudes zu erhalten."

Technische Herausforderungen
Eine solche Dachbegrünung erfordert im Vorfeld eine sorgfältige Planung. Das Substrat muss mindestens 8 cm dick sein, dazu kommt noch das Fundament. Daraus ergibt sich die folgende Reihenfolge: Pflanzendecke, Filter, Wasserspeicher, Wurzelschutz und Dachaufbau. Um Staunässe zu vermeiden, vervollständigen Entwässerungsrinnen und Kiesstreifen die Struktur. Das Gewicht auf dem Dach ist daher höher, insgesamt mindestens 80 kg pro Quadratmeter. Bei Feuchtigkeit erhöht sich das Gewicht. "Dieses höhere Gewicht musste in der Statik berücksichtigt werden", erklärt Lengyel.

Die Dachbegrünung erfordert sowohl beim Bau als auch beim Betrieb eine gewisse Aufmerksamkeit. Im Vergleich zu einem konventionellen Dach müssen das Dach und die Abschlüsse regelmäßig kontrolliert werden, um Schäden durch Wurzeln frühzeitig zu erkennen. Außerdem müssen die Drainage und die Filtergräben frei bleiben. Die Kosten für Schnitt und Pflege, Unkrautbeseitigung und Reinigung der Entwässerungsrinnen sind daher höher als bei einem konventionellen Flachdach: "Die jährliche Pflege der Pflanzen verursacht Unterhaltskosten in fünfstelliger Höhe" Trotzdem würden sich die Verantwortlichen ohne zu zögern wieder für eine Dachbegrünung entscheiden: "Die Vorteile überwiegen eindeutig die Nachteile, sei es für die Mitarbeiter, die Bewohner oder die Natur."

Strom oder Pflanzen?

Lange Zeit mussten sich Bauherren zwischen Photovoltaikmodulen und Dachbegrünung entscheiden. Diese Dualität schwindet allmählich. Die beiden Systeme ergänzen sich sogar: Die Verwendung von Photovoltaikmodulen erhöht die Biodiversität, indem sie die biologischen Nischen diversifiziert - zum Beispiel durch Beschattung. Außerdem verbessert sich durch ihre Nutzung das Mikroklima. Gleichzeitig erhöht die Vegetationsdecke die Leistung der Module, indem sie diese vor allem im Sommer kühlt. Um das ideale Verhältnis von Photovoltaikmodulen und Vegetation zu erforschen, finanziert SIG im Rahmen seines "Fonds Vitale Environnement" ein Pilotprojekt zur Begrünung von Solardächern der Genfer Hochschule für Landschaft, Ingenieurwesen und Architektur HEPIA. Das Pilotprojekt "PLANETE" endet in diesem Jahr.

Bild: Vanina Moreillon

Vorbildfunktion für Energie und Klima

Die Initiative "Vorbildfunktion Energie und Klima" ist eine Massnahme der Energiestrategie 2050. Sie richtet sich an führende Schweizer Anbieter von Leistungen im öffentlichen Interesse, die im Energiebereich innovativ und vorbildlich handeln wollen. Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung verpflichten sie sich, zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 beizutragen. Die Akteure verbessern ihre Energieeffizienz kontinuierlich und durch konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie berichten transparent über die Erreichung ihrer Ziele und teilen ihre Erfahrungen, damit auch andere Unternehmen und Organisationen davon profitieren können. Der Initiative gehören derzeit folgende Akteure an: ETH-Bereich, Flughafen Zürich AG, Genève Aéroport, Die Post, PostAuto, PostFinance, RUAG MRO Holding SA, SBB, SIG, Skyguide, SRG, Suva, Swisscom, VBS und die Eidgenössische Zivilverwaltung.

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