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Wahr oder fake? Der grosse Mythen-Check zum Stromnetz – Teil 1


Viele Mythen rund ums Stromnetz halten sich hartnäckig. Doch stimmen diese Behauptungen wirklich? Höchste Zeit für einen Mythen-Check, der mit Halbwahrheiten und Irrtümern aufräumt. Experte Marc Vogel von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid nimmt die Mythen unter die Lupe. Die Antworten erschienen zuerst im Blog von Swissgrid. Energeiaplus publiziert diesen Artikel  in zwei Teilen als Zweitverwertung. Hier der erste Teil mit den Mythen 1 bis 6. Den zweiten Teil mit den Mythen 7 bis 12 lesen Sie hier.

Marc Vogel ist Senior Specialist Market & System Design bei Swissgrid. Bild: Swissgrid

Mythos 1: Strom lässt sich im Netz speichern.

Marc Vogel: Leider nein, das Netz kann keinen Strom speichern. Es dient einzig dem Transport des Stroms. Zu jedem Zeitpunkt muss genau so viel Strom ins Netz eingespeist werden, wie ihm an anderen Orten entnommen wird. Denn es gilt: Energieverbrauch und -produktion müssen stets im Gleichgewicht sein. Darum kümmert sich Swissgrid rund um die Uhr.

Mythos 2: Strom kann im Netz jederzeit frei fliessen.

Die Leitungen im Höchstspannungsnetz sind die Autobahnen der Stromverteilung. So wie es auf den Strassen Staus gibt, können auch im Stromnetz Engpässe auftreten. Das kann beispielsweise vorkommen, wenn zu wenig Transportkapazitäten bei hoher Kraftwerksproduktion vorhanden sind. Aber auch lokale Schwankungen, also eine hohe Produktion oder Nachfrage, können zu Netzengpässen führen.

Solche Engpässe sorgen künftig zum Beispiel dafür, dass nicht alle E-Autos gleichzeitig laden und die Solaranlagen im Sommer zeitweise nicht ihren gesamten Strom ins Netz einspeisen können. Um Engpässe zu beherrschen, braucht es Massnahmen wie zum Beispiel dynamische Stromtarife. Sie setzen Anreize, den Strom dann zu verbrauchen oder zu speichern, wenn er lokal erzeugt wird. Lademanagement für Elektrofahrzeuge ist notwendig, damit jedes Auto zum gewünschten Zeitpunkt bedarfsgerecht geladen ist, ohne dass dabei das Netz überlastet wird.

Mythos 3: Bei einer Strommangellage kommt es zum Blackout.

Das ist nicht der Fall, denn ein Blackout und eine Mangellage sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ein Blackout erfolgt unvermittelt und ungeplant, beispielsweise in Folge eines technischen Fehlers. Ein Blackout ist ein grossräumiger Stromausfall der weitreichende Folgen für die Gesellschaft hat, wenn er länger andauert. Eine Strommangellage hingegen bedeutet die Knappheit an elektrischer Energie: Sie tritt nicht überraschend auf und dauert in der Regel länger als ein Blackout. Eine Strommangellage führt zu keinem plötzlichen Versorgungsunterbruch, sondern lässt sich rechtzeitig durch Gegenmassnahmen entschärfen. Dazu gehören unter anderem Stromsparmassnahmen, das Begrenzen des Stromverbrauchs oder, als einschneidendste Massnahme, geplante kurzzeitige Stromabschaltungen.

Link zu: Strommangellage vs. Blackout (swissgrid.ch)

Mythos 4: Leistung ist das Gleiche wie Energie.

Energie und Leistung sind zwar verwandte, aber unterschiedliche Grössen. Leistung wird in Kilowatt gemessen, Energie hingegen in Kilowattstunden. Über Stromleitungen wird Energie transportiert. Möchte man wissen, wie viel Energie (Kilowattstunden) über eine Leitung geflossen ist, so misst man die Leistung (Kilowatt) in jeder Sekunde und summiert die Messwerte über eine Stunde auf. Stromleitungen sind für eine maximale Leistung ausgelegt, die in der Praxis aus Gründen der Betriebssicherheit nur selten auftritt. Über eine Höchstspannungsleitung kann typischerweise die Leistung eines grossen alpinen Pumpspeicherkraftwerks von bis zu 1 GW fliessen.

Mythos 5: Mit dem Höchstspannungsnetz und dem Hochspannungsnetz ist dasselbe Stromnetz gemeint.

Falsch, dies sind zwei Netze, die mit verschiedenen Spannungen betrieben werden und unterschiedlichen Unternehmen gehören. Im Höchstspannungsnetz werden grosse Strommengen über weite Strecken von den grossen Kraftwerken und aus dem Ausland in die verschiedenen Regionen der Schweiz transportiert. Dieses Stromnetz mit 380 beziehungsweise 220 Kilovolt Spannung wird von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid betrieben und auch für den Stromtransit zwischen den Ländern genutzt. Das Hochspannungsnetz hingegen dient dem regionalen Stromtransport und hat eine Spannung von 36 bis 150 Kilovolt. Für seinen Betrieb sind die regionalen Verteilnetzbetreiber verantwortlich.

Link zu: Netzebenen (swissgrid.ch)

Mythos 6: Unterirdische Stromleitungen sind besser für die Gesundheit der Menschen als Freileitungen.

Geht es um Stromleitungen oder elektrische Geräte, wird oft über elektromagnetische Strahlung und deren mögliche Risiken für die Gesundheit diskutiert. Sowohl oberirdische Freileitungen als auch unterirdische Erdkabel erzeugen elektrische und magnetische Felder. Bei unterirdischen Leitungen ist dies der Bevölkerung weniger bewusst, weil sie im Gegensatz zu Freileitungen nicht zu sehen sind und das Erdreich als Schutzschicht gegen die elektromagnetische Strahlung wahrgenommen wird. Doch das magnetische Feld direkt über einem Erdkabel ist wegen der geringeren Distanz sogar grösser als unter einer Freileitung. Dafür weisen Erdkabel eine geringere Ausdehnung des Magnetfelds auf. Denn durch die Anordnung der Kabel kompensieren sich deren Felder teilweise. Der Anlagengrenzwert von Erdkabeln wird bei einem seitlichen Abstand zwischen sechs und acht Metern eingehalten. Bei einer Freileitung braucht es dazu 60 bis 80 Meter.

Link: Emissionen (swissgrid.ch)

Autorin: Sandra Bläuer; Communication Manager, Swissgrid

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