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CHACOMO: «Eine Million Carsharing-Nutzende bis 2030»


Das Schweizer Mobilitätsbarometer 2023 zeigt: Eine von zehn befragten Personen nutzt bereits ein Carsharing-Angebot, und jede fünfte Person kann sich vorstellen, «eher oder sehr wahrscheinlich» in den nächsten fünf Jahren Carsharing zu nutzen. Wie wird aus «eher oder sehr wahrscheinlich» ein «sicher»? Hier setzt das Programm «Shared Mobility Accelerator» der Mobilitätsakademie des TCS und von CHACOMO an, das von EnergieSchweiz unterstützt wird.

Zuerst ein paar Zahlen:

Schweizweit stehen knapp 8500 geteilte Autos an fast gleich vielen Standorten zur Verfügung. Die Daten hat CHACOMO, der Branchenverband für geteilte Mobilität, erhoben. Zum Vergleich: 2023 waren in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik 4,8 Millionen Personenwagen immatrikuliert, also ein Vielfaches der Carsharing-Fahrzeuge, die man dann nutzen kann, wenn man sie braucht. Über 380’000 Personen waren im vergangenen Jahr auf einer Carsharing-Plattform registriert und setzten sich über 1,3 Millionen Mal ans Steuer eines Carsharing-Autos. Und es sollen mehr werden.

Schaut man die regionale Verankerung von Carsharing in den Städten an, fällt auf: Die Kernstädte Zürich, Aarau, Lausanne, Luzern oder Bern weisen am meisten Fahrzeuge pro 1000 Einwohner auf. Die Gleichung – grosse Stadt = grosses Carsharing-Angebot – stimmt indes nicht. In Basel und Genf ist das Angebot deutlich kleiner. Aber Carsharing ist nicht nur ein Thema für Städte. Dank Plattformen, die das Teilen von Privatautos ermöglichen, finden sich in einigen kleinen Gemeinden sogar mehr buchbare Fahrzeuge pro Kopf als in den grossen Städten.

Mehr Nutzerinnen und Nutzer, mehr Angebote, eine bessere Verankerung. Das ist das Ziel des «Shared Mobility Accelator». Das Programm setzt Massnahmen um, die die Shared Mobility Agenda 2030 (SMA 2030)  zusammengestellt hat. Die SMA 2030 versteht sich als Grundlagendokument zur Marktentwicklung der Shared Mobility in der Schweiz. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung der SMA 2030 initiierte die Mobilitätsakademie mit 13 weiteren Unternehmen die Swiss Alliance for Collaborative Mobility CHACOMO, die sich als Branchenverband für geteilte Mobilität versteht.

Energeiaplus wollte von Jonas Schmid, Geschäftsführer von CHACOMO, unter anderem wissen, wie die Nutzung von Sharing-Angeboten erhöht werden kann respektive soll.

Energeiaplus: Wann haben Sie zuletzt ein Auto geteilt?

Jonas Schmid, Geschäftsführer des Branchenverbandes CHACOMO für geteilte Mobilität und Leiter Forschung und Projekte bei der Mobilitätsakademie AG des TCS. Bild: TCS – Jonas Schmid

Jonas Schmid: Wir teilen unseren VW-Bus über eine Peer2Peer-Plattform mit anderen Camping-Freaks. Das letzte Mal wurde er im August für drei Wochen gebucht. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten – zudem können solche Plattformen helfen, den Motorisierungsgrad zu senken.

Schaut man das Verhältnis immatrikulierte Personenwagen (4,8 Millionen) und Carsharing-Angebote (8500 Fahrzeuge) an, scheint Carsharing noch eine Nische zu sein. Kann man das so sagen?

Der Vergleich der Anzahl Fahrzeuge führt zu einem verzerrten Bild der Bedeutung von Carsharing in der Schweiz. Die Idee von Carsharing ist ja gerade, dass mit möglichst wenig Fahrzeugen die Mobilitätsbedürfnisse von möglichst vielen Menschen abgedeckt werden können. Aufschlussreicher ist ein Blick auf die Anzahl der Carsharing-Nutzenden in der Schweiz: Wenn fast jede 10. Person in der Schweiz Carsharing nutzt, wie der Mobilitätsbarometer zeigt, kann man definitiv nicht mehr von einem Nischenangebot sprechen.

Die roten Fahrzeuge des grössten Schweizer Sharing-Anbieters Mobility sind auf der Strasse allgegenwärtig. Trotzdem ist die Akzeptanz in Ihren Augen noch nicht genügend.

Viele Leute, die Carsharing noch nicht nutzen, könnten sich vorstellen, dies in Zukunft zu tun. Dieses Potenzial gilt es auszuschöpfen. Mit CHACOMO haben wir uns eine Million Carsharing-Nutzende bis 2030 zum Ziel gesetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, können wir auf eine grosse Angebotsvielfalt zählen. Was vielen nicht bewusst ist: Neben dem erfolgreichen Carsharing-Angebot von Mobility gibt es viele weitere Anbieter im Markt. Ein Drittel unserer Mitglieder sind Unternehmen, die im Bereich Carsharing aktiv sind.

Und wie kann die Akzeptanz erhöht werden? Was planen Sie da ganz konkret?

Einerseits machen wir es uns zur Aufgabe, die Akzeptanz auf der Fach- und Entscheidungsebene zu erhöhen, unter anderem mit systematischen Facts&Figures zum Shared Mobility Markt. Wir erstellen weiter Leitfäden mit Empfehlungen zu Planungs- und Regulierungsfragen, und wir versuchen, Kooperationen zwischen Shared Mobility Anbietern zu fördern. Das Ziel dabei ist, bei der Vermarktung und dem Betrieb der Angebote Synergien zu nutzen und sich dabei gegenseitig zu unterstützen.

Das Car-Sharing Angebot ist in Aarau am grössten pro 1000 Einwohner, in grösseren Städten wie Basel oder Genf ist das Angebot kleiner. Trotzdem wurde der Kanton Basel-Stadt kürzlich ausgezeichnet – mit dem CHACOM-Oscar für die Förderung von Carsharing. Wie geht das auf?

Mit dem CHACOM-Oscar zeichnen wir Gemeinden, Städte, Kantone oder Regionen aus, die sich in einem besonderen Mass für die geteilte Mobilität einsetzen. Der Kanton Basel-Stadt tut dies im Bereich Carsharing, indem er proaktiv Flächen im öffentlichen Raum zu günstigen Konditionen für geteilte Autos zur Verfügung stellt. Das hat Vorbildcharakter für viele weitere Städte und zeugt von viel politischem Willen, Carsharing voranzubringen. Gut möglich, dass diese Massnahme Basel bald unter die Top-Städte im Carsharing katapultiert!

Bessere Rahmenbedingungen und eine bessere Verankerung im Gesamtverkehr. Das ist ein Ziel, das mit dem Programm «Shared Mobility Accelerator» erreicht werden soll. Was muss konkret besser werden? Können Sie Beispiele nennen?

Die Shared Mobility kann durch eine effizientere Nutzung von Fahrzeugen und Infrastrukturen einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Mobilitätszukunft leisten. Dazu müssen die Angebote massiv skaliert und noch besser mit dem öV (öffentlichem Verkehr) und dem privaten Verkehr verzahnt werden. Eine entscheidende Rolle spielt zudem, dass von der öffentlichen Hand und von privater Seite ausreichend Flächen für geteilte Fahrzeuge bereitgestellt werden.

Carsharing ist ja nur ein Angebot von geteilter Mobilität neben Leihvelos, E-Trottinette oder On-demand-Shuttles. Was tragen all diese Angebote derzeit zu einem energie- und raumeffizienten sowie klimagerechten Verkehrssystem bei?

All diese Angebote ermöglichen es uns, mit weniger Fahrzeugen gleich beziehungsweise noch mobiler zu sein, sobald geteilte Fahrzeuge intensiver genutzt respektive besser ausgelastet werden als Fahrzeuge im Privatbesitz. Zudem können wir dank der Angebotsvielfalt der geteilten Mobilität jede Mobilitätsform gezielt für die Wege nutzen, auf denen sie auch wirklich Sinn macht und effizient ist. Damit sparen wir Flächen, Energie und Emissionen ein.

Und wo soll die Reise hinführen?

Das Verkehrsdenken entlang der klassischen Pole öV, MIV (Motorisierter Individualverkehr) und Langsamverkehr ist angesichts der neuen individuellen und kollektiv zugänglichen Mobilitätsformen längst überholt. Die Reise führt in eine neue, vielfältigere und klimaneutrale Mobilitätswelt, in der die gemeinschaftliche Nutzung von Fahrzeugen und das Teilen von Fahrten zum Regelfall wird.

Text/Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Keystone-sda, Symbolic picture sharing. (KEYSTONE/DPA/Frank May)

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