Dank Machine Learning beim Heizen Energie sparen
Energie sparen mit intelligenten Thermostaten: Das verspricht das ETH-Spin-off viboo. Viboo hat eine Technologie entwickelt, mit der Heizkörper in bestehenden Gebäuden so gesteuert werden, dass weniger Energie verbraucht wird und trotzdem niemand frieren muss. Die Technologie funktioniert auf der Basis von selbstlernenden, vorausschauenden Algorithmen und verändert damit die Art und Weise, wie konventionelle Heizsysteme funktionieren.
Und das geht so: Die Thermostate an den Heizkörpern messen die Raumtemperatur über einen bestimmten Zeitraum (zwei Wochen). Auch die Position des Ventils wird erfasst. Die Daten laufen auf einer Cloud Plattform zusammen, die kontinuierlich das thermische Verhalten des Raums analysiert. Das System lernt so gewissermassen jeden Raum kennen und erarbeitet für jeden ein Modell. Dabei werden zum Beispiel auch das Wetter draussen miteinbezogen und der Einfluss von Wänden, Fenstern und anderen strukturellen Elementen.
Nun kann die Optimierung der Heizenergie starten. Alle paar Minuten werden aktuelle Messpunkte erfasst, die Wettervorhersage einbezogen und mit Hilfe von Algorithmen die optimale Ventilstellung für jeden einzelnen Raum errechnet. Die Modelle, die zuvor erstellt wurden für jeden Raum, simulieren dann, wie sich die Temperatur über die nächsten Stunden entwickeln wird. So kann der Energieverbrauch vorausschauend optimiert werden.
Funktioniert das auch? Was sind die Erfahrungen? Wo sind die Einsatzmöglichkeiten? Das wollte energeiaplus von Felix Bünning, CEO und Mitgründer von viboo, wissen.
Energeiaplus: Die Viboo-Technologie in einem Satz zusammengefasst: Das System lernt also aus dem, was gewesen ist, für das, was kommen wird. Kann man das so sagen?
Felix Bünning: Ja, das fasst die Funktionsweise ganz gut zusammen. Unsere Algorithmen lernen aus Messdaten wie das Gebäude sich thermisch verhält und können dieses Wissen dann nutzen, um vorherzusagen, wie das Gebäude optimal gesteuert werden muss. Wichtig ist aber noch zu erwähnen, dass das aber auch zum Beispiel für Wetterverhältnisse funktioniert, die der Algorithmus vorher noch nicht „gesehen“ hat.
Sie haben die Technologie im November 2021 in einem Verwaltungsgebäude der Empa in Dübendorf installiert und am Anfang der Heizperiode 2022/23 in der Schulanlage von Männedorf im Hauswarthaus. Was sind die Erfahrungen?
In beiden Gebäuden konnten wir bei gleichgebliebenem oder teilweise verbessertem Komfort signifikant Energie einsparen. In der Empa sind es 31%, in Männedorf 27%. Sowohl die Empa als auch die Gemeinde Männedorf haben nach der Pilotphase weitere Gebäude mit viboo ausgestattet.
Mit Ihrer Technologie Energiesparen ist das eine, gleichzeitig die CO2-Emissionen zu reduzieren das andere. Wie sieht da die Bilanz aus?
Die meisten Gebäude unserer Kunden und Kundinnen werden nach wie vor mit Gas beheizt. Das heisst, dass man mit jeder eingesparten Kilowattstunde Gas circa 200g CO2 einspart. Im Fall der Empa sind das zum Beispiel knapp 8 Tonnen CO2 pro Jahr für ein Gebäude. Wir haben ausgerechnet, dass man mit dieser Lösung hochgerechnet auf den gesamten Gebäudebestand der Schweiz zwei bis maximal vier Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermeiden kann.
Man muss mit ihrem System ja nicht die bestehende Heizung ersetzen, wenn man Energie sparen will. Das könnte dem Ziel, fossile Heizungen durch erneuerbare Heizsysteme zu ersetzen, zuwiderlaufen. Was sagen Sie dazu?
Im Endeffekt geht es doch darum, möglichst kostengünstig möglichst viel CO2 zu sparen, egal mit welcher Technologie. Da ist viboo die günstigste Variante, noch vor der Wärmepumpe. Der zweite Schritt muss dann aber natürlich irgendwann der Einbau eines Heizsystems sein, das ohne fossile Energie funktioniert. Das viboo-System kann beispielsweise mit einer Wärmepumpe auch weiter genutzt und so weiter Energie gespart werden.
Was war die Motivation für die Entwicklung von viboo?
Wir kommen aus der Forschung im Bereich Regelungstechnik und Urbane Energiesysteme. Dabei haben wir festgestellt, dass wir mit datengetriebenen Algorithmen sehr viel Energie und CO2 sparen können. Der nächste logische Schritt war dann, die Technologie in möglichst viele Gebäude zu bringen, um den grösstmöglichen Nutzen aus der Technologie zu ziehen. Unsere Motivation ist also jedes eingesparte Kilogramm CO2.
Welche Installationen sind überhaupt nötig? Kosten?
Für die Installation muss nur das manuelle Heizkörperthermostat gegen ein digitales ausgetauscht werden und dieses mit dem Internet verbunden werden. Je nachdem, ob wir direkt das Internet der Kundin oder des Kunden nutzen können oder ein separates Netzwerk aufbauen müssen, kostet das Gesamtpaket aus Hardware, Installation und Algorithmus CHF 150 bis 200 pro Thermostat. Durch die Energieeinsparungen ist die Investition innerhalb von 2-5 Jahren amortisiert.
Sie haben die Technologie unterdessen bei weiteren Gebäuden installiert. Wo sehen Sie das grösste Potenzial dafür?
Das grösste Potential sehen wir bei älteren Bürogebäuden mit Gasheizungen. Dort haben wir nicht selten so hohe Energieverbräuche durch schlechte Isolation, dass sich viboo bereits nach zwei Jahren lohnt.
Wie ist die Resonanz auf Ihre Entwicklung bei Eigentümern und Eigentümerinnen von Wohnliegenschaften?
Da die Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnliegenschaften die Heizkosten an die MieterInnen weitergeben, gibt es hier weniger einen monetären Anreiz, sondern einen starken Umweltanreiz. Nicht wenige Eigentümer und Eigentümerinnen, gerade die institutionellen Liegenschaftsbesitzer, haben sich selbst starke CO2-Absenkpfade verordnet. Da können wir eine sehr schnell umsetzbare und dazu kostengünstige Lösung anbieten.
Gibt es weitere Projekte im Bereich Gebäudeautomation?
Wir entwickeln unser Produkt ständig weiter. Während sich unser ursprüngliches Werteversprechen sehr auf Energieeinsparungen und Komfort fokussiert hat, bereiten wir nun ein ganzheitlicheres Angebot vor, welches eine Software enthält, die den Betrieb von Gebäuden deutlich vereinfacht. Das beinhaltet beispielsweise eine automatisierte Erkennung von Heizungsausfällen, die Optimierung des hydraulischen Abgleiches, oder Schimmelwarnungen.
Viboo wurde von Unternehmern und Forschern der Empa und der ETH Zürich aus dem Bereich Gebäudeautomation gegründet. Das Ziel des Unternehmens ist es, Lösungen für Energieeffizienz in Gebäuden zu finden und zu implementieren. Auf dem Empa-Campus wurde das System erstmals eingesetzt. Mehr dazu hier und hier.
Viboo beschäftigt derzeit 12 Mitarbeitende.
Text/Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
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