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Neue Staumauer im Grimselgebiet: Wie erfolgt die Inbetriebnahme aus Sicht BFE


Die neue Spitallamm-Staumauer im Grimselgebiet ist fertiggestellt. Geht alles nach Plan, soll die Mauer 2026 definitiv in Betrieb sein. Bis dahin läuft ein klar definiertes, mehrstufiges Inbetriebnahmeprogramm, bei dem das Bundesamt für Energie (BFE) als Aufsichtsbehörde jeweils die Freigabe für die nächste Etappe erteilt. Nötig sind dafür auch Inspektionen vor Ort. Energeiaplus hat die beiden BFE-Fachspezialisten bei einer Besichtigung begleitet.

Laien mag der Blick vom Grimsel-Hospiz Richtung Staumauer und Grimselsee irritieren. Zwei Staumauern stehen voreinander. Talabwärts sieht man die neue Spitallamm-Bogenmauer und dem See zugewandt die alte Mauer. Zwischen den beiden Mauern hat sich ein See mit milchig-trübem Wasser gebildet. Das Wasser kann jederzeit durch einen Durchlass, der in die alte Mauer gebohrt wurde, in den sogenannten Zwischensee fliessen und auch wieder zurück in den Grimselsee.

Mitte April 2025 haben die Kraftwerke Oberhasli (KWO), die die Stauwerke im Grimselgebiet betreiben, mit dem Einstauen des Sees begonnen. Zuvor war der Stausee Anfang 2025 vollständig entleert worden. Das sieht das Programm für die Inbetriebnahme der neuen Staumauer vor. Auch das Wiederfüllen des Sees – Fachleute reden von Einstau – erfolgt nach klar definiertem Fahrplan.

Rolle des BFE bei Talsperren:

Das BFE ist die Aufsichtsbehörde des Bundes über die Sicherheit der Stauanlagen in der Schweiz. Die direkte Aufsicht teilen sich der Bund und die Kantone, wobei die Sektion Aufsicht Talsperren des BFE für die grossen Anlagen zuständig ist. Das BFE übt zudem die Oberaufsicht über die der Aufsicht der Kantone unterstehenden Stauanlagen aus. Bei den vom BFE beaufsichtigten grossen Anlagen handelt es sich um 200 Stauanlagen mit insgesamt 222 Absperrbauwerken.

Weitere Informationen gibt es hier. Talsperren

Unsere Besichtigung findet während dem sogenannten Ersteinstau statt. Für Laien wirkt der See schon recht voll. Tatsächlich ist er bereits zu drei Vierteln der Höhe gefüllt, obwohl erst 50% des Wasserdrucks auf die neue Staumauer wirken. Der Pegel im Grimselsee und im Zwischensee ist gleich hoch. Das zeigt, dass der Durchlass das Wasser so durchfliessen lässt wie geplant.

Um zu prüfen, ob sich die neue Mauer mit der Wasserlast so verhält, wie sie sollte, erfolgt unter anderem diese Inspektion vor Ort. Neun Männer in Schutzkleidung und mit Helm auf dem Kopf sind dabei. Neben den beiden BFE-Fachspezialisten, ein Geologe, Vertreter des Planungsbüros und der Betreibergesellschaft KWO. «Die visuelle Kontrolle ist eine Ergänzung zu den Messungen und Berichten, die die KWO regelmässig zur Überprüfung ans Bundesamt für Energie zustellt. Nur wenn alles in Ordnung ist, können wir die Freigabe für die nächste Etappe erteilen», erklärt Andrej Suprunov. Er ist beim Bundesamt für Energie (BFE) für die Sicherheit von Talsperren zuständig und beim BFE hauptverantwortlich für die neue Spitallamm-Mauer.

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Zuerst führt der Kontrollgang über die Krone der alten Mauer. Andrej Suprunov und sein BFE-Talsperren-Stellvertreter Thomas Menouillard machen Fotos. «So können wir sichtbare Veränderungen dokumentieren», sagt Andrej Suprunov. Über die Krone der neuen Mauer erreichen wir den Zugang zu den Kontrollgängen in der Mauer. Die Kontrollgänge – mit Treppen verbunden – sind auf fünf Ebenen in der neuen Spitallamm-Mauern angelegt. Sie führen durch die ganze Mauer, die aus 15 Betonblöcken besteht. Die Fugen zwischen den einzelnen Blöcken interessieren die BFE-Fachspezialisten unter anderem. Bei jeder Fuge ist ein Messgerät angebracht. Gibt es Auffälligkeiten, Verschiebungen? Ist Sickerwasser sichtbar?

Die beiden notieren, ob alle Überwachungseinrichtungen installiert sind, ob sie funktionieren? An drei verschiedenen Standorten in der Mauer hängen Gewichts- und Schwimmlote in Schächten, welche vom obersten Kontrollgang bis in das Felsfundament der Staumauer reichen. Sie zeigen horizontale Verschiebungen an. Wir kommen an sogenannten Extensometern vorbei, die allfällige Verformungen des Felsfundaments messen. Ausserdem wurden Manometer installiert, um den Wasserdruck im Fels unter der Mauer zu überwachen, Druck, der vom gestauten Wasser, aber auch vom Dichtungsschirm im Fels abhängt.

Talseitig tauchen Türen in der Mauer auf. Sie führen auf kleine Balkone, die ebenfalls zur Überwachung der Staumauer-Sicherheit dienen. Auf den Balkonen stehen sogenannte geodätische Pfeiler, die dreidimensionale Verschiebungen genau erfassen. Später geht’s an einem Stollen vorbei, der zur alten Mauer führt. Der Zugang zur alten Mauer ist mehrere Meter dick zubetoniert.

Facts and Figures:

Die Spitallamm-Staumauer befindet sich auf rund 1900 Meter über Meer. Es handelt sich um eine sogenannt doppelt gekrümmte Bogenstaumauer (vertikal und horizontal gebogen). Sie ist 113 Meter hoch, und damit fast gleich hoch wie die alte Mauer. Die Krone ist 212 Meter lang.

Baustart war 2019. Gebaut wurde in den schneefreien Monaten, bei vollem Betrieb. Für die 15 Blöcke wurden 215’000 m3 Beton (Material vom Aushub der neuen Staumauer und von einer nahegelegener Deponie) verbaut. Kosten für die neue Staumauer: Rund 125 Millionen Franken

Für weitere Infos: Kraftwerke Oberhasli AG | Ersatz Staumauer Spitallamm

Gut zwei Stunden dauert der ganze Kontrollgang. Es ist die dritte Inspektion, seit das BFE die Bewilligung für die Inbetriebnahme erstellt hat. «Es sieht visuell gut aus», sagt BFE-Fachspezialist Andrej Suprunov. «Der zunehmende Druck, den das Wasser auf die Mauer ausübt, führt zu einem Schliessen der Fugen.» Denn: Eine Staumauer ist kein statisches Bauwerk, sie bewegt sich je nach Aussentemperatur oder Wasserdruck. Noch gibt es aber offene Punkte. An der Nachbesprechung sollen sie geklärt werden.

Vor der Inspektion hatte die Betreibergesellschaft KWO verschiedene Unterlagen einreichen müssen. Dazu gehören Messdaten sowie Berichte über die Kontrollgänge, die die KWO-Talsperrenwärter drei Mal pro Woche durchführen. Die BFE-Inspektion vor Ort ist damit nur ein Puzzle-Teil, damit die BFE-Fachspezialisten die Sicherheit zuverlässig beurteilen können.

Und wie geht es nun weiter nach dieser dritten BFE-Inspektion der neuen Staumauer? Der See kann weiter gefüllt werden. Das heisst konkret, zunächst auf die nächste planmässige Einstaustufe und dann nachfolgend auf das Stauziel. Danach erfolgt wieder eine Absenkung des Sees. So sieht es das Inbetriebnahmeprogramm vor, das den Ersteinstau, den ersten Abstau sowie den zweiten Einstau umfasst.

Läuft alles nach Plan, kann die Staumauer 2026 definitiv in Betrieb genommen werden. In den Jahren darauf folgt ein Übergangsregime für die Überwachung («verstärkte Überwachung zu Beginn der Betriebszeit»). Denn das oberste Ziel ist, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit während des Betriebs ausschliessen zu können. Jedes noch so kleine Detail bei der Aufsicht ist also relevant – für die Sicherheit.

Blick auf die neue Spitallamm-Staumauer

Text und Bilder: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie

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