Im Juni 2023 haben das BFE und die für Energie- und Klimaberechnungen zuständigen Organisationen die Schweizer Labels im Gebäudebereich harmonisiert. Am 13. September fand die offizielle Einführung der neuen, überarbeiteten Labels im Zentrum Paul Klee in Bern statt. Minergie, der Vorläufer der Gebäudelabels, feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Der Präsident von Minergie, Herr Fabian Peter, erläutert energeiaplus die Geschichte, die Entwicklung und vor allem die Zukunft von Minergie.

Als Vorreiter der Gebäudelabels feiert Minergie dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Wie wichtig waren Klimaschutz und Energieeffizienz in der Baubranche vor 25 Jahren? 

Damals wusste man schon, dass die Abhängigkeit von fossilen Energien nicht gut ist und die Wissenschaft wusste über den Klimawandel Bescheid. Man machte sich Gedanken über Energieeffizienz und Sonnenenergie. Aber das Bewusstsein in der Bevölkerung war noch sehr gering. Entsprechend haben nur wenige Personen und Unternehmen diese Erkenntnisse beim Bauen umgesetzt, und die gesetzlichen Vorschriften waren noch sehr zaghaft. Minergie war seiner Zeit also weit voraus.

Wie kam es, dass vor 25 Jahren das Minergie-Label eingeführt wurde?

In den 1990er-Jahren machte man sich in vielen Ländern Gedanken, wie das solare Bauen und die Niedrigenergiebauweise in die Breite getragen werden kann. Es entstanden dafür mehrere Standards, wie etwa das Passivhaus, LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) und BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method). Minergie positionierte sich dezidierter als diese Standards, setzte den Fokus auch auf den höheren Komfort, den Werterhalt und die Lebensqualität.

Das erste Minergie-Haus wurde 1994 in Kölliken (AG) gebaut, vier Jahre später wurde der Verein Minergie gegründet. Ist der Minergie-Standard deshalb im Kanton Aargau stärker vertreten?

Aargau ist wahrhaftig ein Kanton mit überdurchschnittlich vielen Minergie-Zertifikaten. Seit 1998 wurden im Kanton Aargau 7’700 Gebäude Minergie-zertifiziert, das sind elf Gebäude pro 1000 Einwohnende. Das ist weit über dem Schweizer Durchschnitt von sieben Gebäuden pro 1000 Einwohnende. Mehr Zertifikate als im Aargau gibt es jedoch im Kanton Thurgau und dem Fürstentum Liechtenstein. Gründe dafür gibt es mehrere: eine gute Förderung, umfassende kantonale Energieberatungsangebote, die Charakteristik des Gebäudebestands, Anreize auf kommunaler Ebene oder ein dichtes Netzwerk an entsprechend kompetenten Firmen.

Die Labels sind jetzt einfacher geworden. Was sind die nächsten Ziele? Wird es irgendwann nur noch ein einziges Label geben?

Die Minergie Labels sind nicht einfacher geworden, sondern fokussierter. Es würde wenig Sinn machen, nur noch ein Minergie-Label anzubieten. Schliesslich gibt es beim nachhaltigen Bauen verschiedene, allesamt berechtigte Vorlieben. Die einen stellen die Energieeffizienz ins Zentrum und wählen Minergie-P. Andere legen den Fokus auf die Eigenstromproduktion, das führt zu Minergie-A. Und wenn man die Themen Bauökologie und Gesundheit noch mehr vertiefen möchte, wählt man den ECO-Zusatz. Beim neuen Minergie-Areal wird der Klimaschutz sogar noch über das Gebäude hinausgedacht. Den «einfachen» Minergie-Standard braucht es für den Einstieg und in der Sanierung, wo man mit bestehender Bausubstanz umgehen muss. Künftig könnte man pro Standard auch die Grenzwerte für die grauen Treibhausgasemissionen differenzieren.

Hat die Energiekrise dazu beigetragen, das Bewusstsein für Energielabels im Bauwesen und damit auch den Bekanntheitsgrad von Minergie zu erhöhen?

Das ist schwierig zu sagen, die Prozesse im Bausektor dauern sehr lange. Sicher ist, dass die Nachfrage bei Minergie und beim GEAK trotz inzwischen schwierigem Umfeld weiterhin ansteigt. Wir sind zuversichtlich, dass die Energiekrise in diesem Sinne auch etwas Gutes hat: Man wird sich wieder bewusst, dass Energie, egal ob fossil oder erneuerbar, sehr wertvoll und darum die Energieeffizienz sehr wichtig ist.

Am 18. Juni 2023 hat die schweizerische Stimmbevölkerung das Klima- und Innovationsgesetz angenommen. Der Klimaschutz gewinnt damit an Bedeutung, vor allem auch im Gebäudebereich. Glauben Sie, dass dies Auswirkungen auf den Minergie-Standard haben wird? Wird die Zahl der zertifizierten Gebäude steigen?

Auch hier ist es zu früh für ein Fazit. Wir sind allerdings zuversichtlich, dass Minergie weiterhin eine wesentliche Rolle im Klimaschutz spielen wird. Weil unsere Anforderungen zu Gebäuden führen, die sehr geringe CO2-Emissionen verursachen und darum sehr klimafreundlich sind. Kombiniert mit dem guten Schutz vor Sommerhitze und im Zuge steigender Energiepreise wird das Minergie noch mehr Erfolg bescheren.

Den Minergie-Standard gibt es nun auch im Frankreich, geht die Expansion noch weiter?

Wir sind nun seit drei Jahren aktiver unterwegs in anderen Märkten, bleiben aber vorsichtig. Minergie wird nur dort aktiv, wo wir von den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überzeugt sind, sich die Marke und damit die Qualität schützen lässt und wir entsprechend verlässliche Partner finden. Es werden vielleicht ein bis zwei weitere Märkte dazukommen in den nächsten Jahren, mehr nicht.

Der Bau oder die Renovierung eines Minergie-Gebäudes ist für Hausbesitzer immer noch eine kostspielige Angelegenheit. Haben Sie Lösungen bezüglich Erleichterungen bei der Finanzierung?

Klimaschutz, gleichzeitig den eigenen Wohnkomfort oder die Behaglichkeit in Bürogebäuden verbessern: In Gebäuden geht das Hand in Hand. Wie man nun jene Bauherren stärker fördern könnte, welche die Anfangsinvestitionen nicht tragen können, obwohl diese über die Lebensdauer des Gebäudes sowohl ökologisch als auch ökonomisch Sinn machen würden, ist eine vieldiskutierte Frage. Wir haben als kleiner Verein keine Mittel, Bauherrschaften finanziell zu unterstützen. Beispielsweise könnte man aber auf politischer Seite Lösungsansätze mit Banken prüfen. Dies zählt jedoch nicht zum Kerngeschäft von Minergie.

Bisher wurden 55’000 Gebäude zertifiziert. Wie sehen Sie die Entwicklung von Minergie in den nächsten 25 Jahren?

Natürlich kann ich nicht wissen, was in 25 Jahren ist – die Branche ist schnelllebig und verändert sich kontinuierlich. Heute haben wir je nach Region im Neubau einen Marktanteil von 10 bis 20 Prozent. Bei der Sanierung ist dieser Anteil viel tiefer – noch immer sind Gesamtsanierungen im Vergleich zu Einzelmassnahmen wie Fenster- oder Heizungsersatz klar in der Minderheit. Das kann man begründen mit der Finanzierbarkeit und auch der Komplexität einer sorgfältigen Gesamtsanierung. Dennoch – wir streben eine Erhöhung der Minergie-Sanierungen an, zum Beispiel mit liberalen Vorgaben bei der Gebäudehülle, der Lüftung oder der Eigenstromproduktion. Und wir werden auch im Betrieb der Gebäude immer aktiver. Dort schlummert nämlich auch noch ein Potenzial, das man relativ einfach nutzen könnte. Wichtig ist, dass Minergie weiterhin Orientierung bietet, wie sämtliche Anforderungen an Klimaschutz, Komfort und Effizienz unter einen Hut gebracht werden können.

 

Sandrine Klötzli, Kommunikation, Bundesamt für Energie

Bild: Minergie

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