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Der Gletscherrückzug bietet Möglichkeiten für zusätzliche Speicherkraftwerke

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Angesichts der aktuellen energiepolitischen Entwicklungen und des Klimawandels ist es dringend notwendig, sowohl die Stromproduktion als auch die Speicherkapazitäten aus erneuerbaren Energien in der Schweiz zu erhöhen. Der anhaltende Gletscherschwund bietet Möglichkeiten für neue Stauseen und entsprechende neue Wasserkraftwerke in den Alpen (Abbildung 1). Das Wasserkraftpotenzial solcher neuen Speicher an Standorten, die voraussichtlich eisfrei werden, wurde in einem aktuellen Forschungsprojekt im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 70 des Schweizerischen Nationalfonds systematisch untersucht.

Als Grundlage der Studie dienten Schätzungen des zukünftigen Abflusses von 1576 Gletschern in der Schweiz unter Verwendung von 14 globalen Verkehrsmodellen und drei Klimawandelszenarien. Die Ergebnisse aller Zirkulationsmodelle wurden gemittelt und Abflussprognosen für das intermittierende, "realistische" Klimaszenario verwendet. Standorte mit jährlichen Abflussmengen von mehr als 10 Millionen Kubikmetern wurden weiter analysiert. 62 Standorte blieben erhalten und wurden unter Berücksichtigung von 16 wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Kriterien konsequent bewertet. Die sieben am besten bewerteten neuen Speichersysteme (Abbildung 2) mit ihren zusätzlichen 1,1 TWh/a würden dazu beitragen, das durch das Energiegesetz vorgegebene Ziel von mindestens 37,4 TWh/a der jährlichen Wasserkraftproduktion im Jahr 2035 zu erreichen. Noch wichtiger ist, dass diese Vorhaben das heutige Speicherenergieäquivalent um etwa 1,3 TWh oder 15 Prozent erhöhen und damit zur Steigerung der heimischen Stromerzeugung im Winter und der Flexibilität der Produktion beitragen, was auch für die Integration anderer erneuerbarer Energien in das Stromnetz wichtig ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Umsetzung anspruchsvollerer Umweltflussregelungen nach dem Gewässerschutzgesetz die Wasserkraftproduktion je nach Szenario bis 2035 und 2050 um rund 1 bzw. 3 TWh/Jahr sinken dürfte. Die sieben am besten bewerteten potenziellen Stauseen außer dem am Triftgletscher liegen innerhalb der BLN-Gebiete (Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung). Daher ist es wichtig, bei der Entwicklung dieser Wasserkraftwerke Kompromisse unter Berücksichtigung der Schutzziele der einzelnen Standorte zu finden. Neue Stauseen können auch dazu beitragen, Naturgefahren wie Überschwemmungen, Murgänge und Ausbrüche von Gletscherseen zu mildern, oder sie dienen der Wasserfreisetzung bei Zugluft (Mehrzweckstauseen). Angesichts der zu erwartenden Interessenkonflikte an neuen Standorten sind die Modernisierung und Erhöhung bestehender Wasserkraftwerke bzw. Dämme weitere wichtige Maßnahmen, um die Produktion und Kapazität der Speicherwasserkraft in naher Zukunft zu erhöhen.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter hier.

Robert Boes, Professor und Direktor, Labor für Hydraulik, Hydrologie und Glaziologie, ETH Zürich
Titelbild: KWO / Foto: Robert Bösch

Abbildung 1. Neuer See an der Zunge des Triftgletschers am 30. Juni 2004 (links) und 3. Juli 2014 (rechts), der den schnellen Gletscherrückzug in den Schweizer Alpen veranschaulicht (Bild mit freundlicher Genehmigung der VAW, ETH Zürich)

Abbildung 2. Standorte der sieben am besten bewerteten potenziellen neuen Speicher-HPs in den Schweizer Alpen (von Ehrbar et al., 2018)

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