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«Eisberge frühzeitig erkennen»

Sibylle Ackermann vom Beirat Entsorgung (Quelle: BFE)

Sie will einen Beitrag dazu leisten, dass der Sachplan geologische Tiefenlager keinen Schiffbruch erleidet, so beschreibt Sibylle Ackermann ihre Arbeit als Ethikerin im Beirat Entsorgung. Dieser wurde 2009 vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingesetzt. Er berät dieses bei der Durchführung des Auswahlverfahrens für geologische Tiefenlager. Sibylle Ackermann unterstützte den Beirat seit Beginn mit ihrem Wissen zur Ethik und ihrem kritischen Blick. Per Ende 2016 wird Sibylle Ackermann aus dem Beirat austreten, um beruflich vorwiegend im Bereich Medizinethik tätig zu sein. In einem Interview erzählt sie, was sie besonders beeindruckt hat und warum das rechtzeitige Erkennen von Hindernissen entscheidend ist für die erfolgreiche Umsetzung des Sachplans.

Frau Ackermann, Sie haben den Beirat Entsorgung während acht Jahren unterstützt und beraten. Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der acht Jahre entwickelt?
Als ich dem Gremium im Alter von 35 Jahren beitrat, kannte ich diese Form von Arbeit nicht. Ich war vorher zwar in der Politikberatung tätig, jedoch war diese rein wissenschaftlich orientiert. Für mich war es von Anfang an spannend in einem solch interdisziplinären Gremium mitwirken zu dürfen. Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen gaben ihre Empfehlungen als Mitglieder des Beirats weiter. Es war faszinierend über Partei- und Generationsgrenzen hinweg zu arbeiten und trotz dieser grossen Vielfalt stets in kollegialem Verhältnis und auf Augenhöhe miteinander zu stehen. Sehr erfreulich war immer wieder zu sehen, dass die Empfehlungen des Beirats wahrgenommen und umgesetzt wurden. Am Anfang hatte ich wenig Ahnung davon, was in den Regionen vorging. Ich bot im Namen des Bundesamts für Energie (BFE) Weiterbildungsmodule im Ethik-Bereich an, wofür ich sowohl Lob wie Kritik erntete. Jede neue Person, die in die Regionalkonferenz eintrat, war eingeladen diesen Prozess zu durchlaufen und die Ethik-Diskussionen (u. a. worin liegt unsere Verantwortung? Wann ist „sicher“ sicher genug?) mitzugestalten. Für mich gehören diese Prozesse und die Zusammenarbeit mit den Betroffenen in den Regionen zu den Highlights meiner Zeit im Beirat Entsorgung.

Sie haben davon gesprochen, wie anspruchsvoll es war, mit einem solchen Thema Akzeptanz zu finden. Wie erging es Ihnen dabei?
Ich habe meine acht Jahre im Beirat insgesamt als sehr positiv erlebt. Es war eine anspruchsvolle Aufgabe. Immer wieder fragte ich mich: Habe ich genügend Weitblick? Bin ich genügend unabhängig, wenn ich mich auf den Rat von anderen Fachleuten wie Geologen verlassen muss? Bekommt das geisteswissenschaftliche Wissen in diesem Verfahren genügend Gewicht? Aber wie bereits erwähnt, machte ich vorwiegend gute Erfahrungen, auch weil man offen gegenüber der Ethik war. Der Beirat wies immer wieder darauf hin, dass es ausreichend Zeit und Ressourcen für dieses Verfahren braucht.

Sie waren seit 2009 dabei. Was nehmen Sie mit, und was wird Ihnen fehlen?
Es ist weltweit noch kein Tiefenlager für hochaktive Abfälle in Betrieb, und vielerorts erweist sich die Suche nach einem Lagerstandort als äusserst schwierig. Die Schweiz hat ein vielversprechendes Verfahren, es ist gleichzeitig ein mutiger und verantwortungsvoller Weg. Es war einmalig daran teilnehmen zu können, und ich brauchte durchaus etwa zwei Jahre, um festzustellen, wie gross das ganze Verfahren der Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager ist. Ich erhielt ein viel besseres Verständnis für grosse Prozesse und werde diese Erfahrungen mitnehmen und weiter verfolgen. Fehlen wird mir die Möglichkeit, einen vertieften Einblick in die Arbeit eines Bundesamtes zu gewinnen, speziell in die Arbeit der Sektion Entsorgung radioaktiver Abfälle, und in das Zusammenspiel mit den Standortkantonen, Regionen und der Politik. Auch wenn wir innerhalb des Beirats und mit Aussenstehenden nicht immer einer Meinung waren, kamen wir durch gute Zusammenarbeit zu einem gemeinsamen Nenner. Ich werde diese enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sicher vermissen.

Nun wurde mit Anna Deplazes Zemp eine Nachfolgerin für Sie im Beirat Entsorgung gefunden. Was möchten Sie Ihrer Nachfolgerin weitergeben?
Ich habe Anna Deplazes Zemp bereits erlebt. In meiner letzten Sitzung des Beirats war sie ebenfalls dabei und hat bereits Bemerkungen eingebracht, die von ihrem umfangreichen Sachwissen für ethische Aspekte in (bio-)technischen Prozessen zeugen. Ich wünsche mir, dass sie rasch das Vertrauen findet, dass es auch für dieses Gremium wichtig und möglich ist, auf ihr Bauchgefühl zu hören, und sie benennen soll, wenn für sie etwas nicht stimmt. Auf diese Art kann hinterfragt werden, worin die Ursachen dafür liegen. Als Fachperson der Ethik kann sie dazu beitragen, Eisberge in diesem Bereich frühzeitig zu erkennen, um Schiffsbrüche zu vermeiden. Allem voran wünsche ich Anna Deplazes Zemp eine spannende Arbeit in diesem abwechslungsreichen Gremium.

Seraina Branschi, Fachspezialistin Grundlagen Entsorgung BFE

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