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Chile absolviert Tiefenprüfung seiner Energiepolitik


Chile will der Internationalen Energie-Agentur (IEA) beitreten und absolviert eine sogenannte Tiefenprüfung seiner Energiepolitik. Ich leitete vergangene Woche ein internationales Expertenteam und präsentierte Energieminister Rebolledo erste Empfehlungen.

Bereits Anfang 80er-Jahre liberalisierte Chile den Energiesektor als eines der ersten Länder. Subventionen sind verpönt. Das enorme Wasserkraft-Potenzial, beste Solarressourcen, viel Biomasse und Wind entlang des über 4000 Kilometer langen Landes bieten ideale Voraussetzungen für eine nachhaltige Stromversorgung. Doch muss das Stromnetz ausgebaut werden, die zwei wichtigsten Netzsysteme werden Ende Jahr verbunden sein, internationale Leitungen sind rar. Die Importabhängigkeit bei fossilen Energien ist hoch. 2008 stoppte Argentinien seine Gaslieferungen, Chile bewältigte die Krise mit Diesel und zwei Flüssiggas-Terminals. Doch blieben die Energiekosten im internationalen Vergleich hoch. Weitere Preistreiber sind die Marktkonzentration und eine ungenügende Entflechtung.

2008 wurde mit einem – schnell überholten – Quotensystem die Diversifizierung des Strommixes eingeleitet. Die Regierung Bachelet erhob die Energiepolitik zur Priorität. Der Strommarkt wurde stetig reformiert. Neue Kapazitäten wurden mit Ausschreibungen und Langfristverträgen mit industriellen Endkunden und Verteilnetzbetreibern angereizt. So wurden in den vergangenen Jahren fast 5 Gigawatt an neuen Erneuerbaren zugebaut. Die gebotenen Preise fielen rapide (4.76 US Cent/kWh im 2016). Ausschreibungen zielten vermehrt auf Lieferungen für bestimmte Tageszeiten, um einzelne Technologien zu fördern. Später kamen Ausschreibungen für Solardächer auf öffentlichen Gebäuden hinzu. Der Boom führte bald zu Integrationsschwierigkeiten für Solarenergie, Abregelungen nahmen sprunghaft zu. Der Netzausbau erfolgt wegen Einsprachen nicht zügig genug, der Regelenergiemarkt ist noch rudimentär, und Pumpspeicherinvestitionen sind aufgrund der tiefen Spot-Preise nicht rentabel. Chiles Ziel, 60 Prozent Erneuerbare im Strommix bis 2035 zu erreichen, wird auch von der Entwicklung der konventionellen Kraftwerke abhängen. Noch stammt knapp 60 Prozent des Stroms aus den nach der Krise gebauten Kohle- und Gaskraftwerke. Die 2017 eingeführte Steuer von 5 US Dollar pro Tonne CO2 wird fossilen Strom nicht verdrängen.

Die Jahrzehntelange „Laissez-faire“-Politik, wo Unternehmer ohne Auflagen bauen durften, rächt sich nun durch unzählige Einsprachen. Die Regierung Bachelet sprach dem Staat eine „neue Rolle“ zu und führte zahlreiche Dialoge mit Bürgern. Betroffen ist u.a. die Wasserkraft, da oft Zielkonflikte mit Wassernutzung bestehen. Eine besondere Herausforderung ist, dass im Glauben des Mapuche-Volkes Wasser einen „Geist“ besitzt. Die Regierung zaudert vor weiteren Eingriffen, so auch bei der noch wenig entwickelten Effizienzpolitik.

Holzenergie deckt rund 20 Prozent des Energiebedarfs. In kälteren Regionen wird weitgehend mit feuchtem Holz geheizt, was zu sehr hoher Luftverschmutzung führt. Die Regierung fördert effizientere Heizungen, Gebäudesanierungen und die Trocknung des Holzes, doch sind die Mittel begrenzt.

Die Resilienz des Energiesystems wurde am 24. April getestet. Kurz vor dem offiziellen Dinner mit Vizeministerin Jara ereignete sich ein recht starkes Erdbeben (7.1 Richter-Skala). Während des Dinners erhielt die Vizeministerin laufend Berichte über die Wiederinbetriebnahme des Stromnetzes und der Gasinfrastruktur.

Jean-Christophe Füeg, Leiter Sektion Internationales, BFE

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