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Wieviel Strom braucht’s für die Bereitstellung von Benzin und Diesel?


Wieviel Strom wird für die Herstellung von Benzin und Diesel gebraucht, bis der Treibstoff an der Tankstelle ist? In Fachartikeln, Interviews und in den Kommentarspalten werden immer wieder Zahlen zum hohen Stromverbrauch für die Herstellung eines Liters Benzin oder Diesel zitiert. Auch das Bundesamt für Energie (BFE) erhält regelmässig Zuschriften von Personen, die argumentieren, dass ein Verbrennerauto auf 100 km indirekt ebenso viel Strom verbraucht wie ein modernes Elektroauto. Doch wie sieht es tatsächlich aus? Im Rahmen der jährlichen Aktualisierung der Umweltkennwerte für die Energieetikette für Personenwagen hat das Ökobilanz-Beratungsunternehmen treeze im Auftrag des BFE diese Frage untersucht. Energeiaplus fragte bei Rolf Frischknecht nach. Er ist Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich und Gründer und Inhaber von treeze.

Energeiaplus: Herr Frischknecht, Sie haben den Strombedarf entlang der sogenannten «Lieferkette» des Kraftstoffs analysiert. Was bedeutet das genau?

Rolf Frischknecht: Wir haben analysiert, wie hoch der Energieaufwand ist, um Treibstoff und Elektrizität für Fahrzeuge bereitzustellen. Diese Analyse umfasst die gesamte Lieferkette. Für die fossilen Treibstoffen Benzin und Diesel ist das die Ölförderung, der Ferntransport via Pipelines oder mit Schiffen, Bahn und LKW, das Raffinieren sowie das Ausliefern an die Tankstellen und das Tanken. Dieses System wird auch als «well to tank» («vom Bohrloch bis in den Tank») bezeichnet.

«well to tank» («Vom Bohrloch bis in den Tank»)

Energieaufwand zur Bereitstellung der Antriebsenergie (Treibstoff oder Fahrstrom), von der Gewinnung (z.B. Bohrloch oder Stausee, inkl. Bauphase und Unterhalt) bis zur Bereitstellung im Fahrzeug (Tank oder Batterie).

Rolf Frischknecht ist Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich und Gründer und Inhaber des Ökobilanz-Beratungsunternehmens treeze.

Entlang dieser Lieferkette wird fossile und elektrische Energie benötigt, beispielsweise Schweröl in den Hochseetankern, Diesel in den Tanklastwagen oder Strom für den Betrieb der Pipelines. Wir haben nun untersucht, wieviel Strom verbraucht wird, um aus Rohöl einen Liter Benzin beziehungsweise Diesel herzustellen, der an einer Tankstelle in der Schweiz getankt wurde. Mit Strom wird jedoch lediglich ein Teil des Energiebedarfs der Lieferkette von Benzin und Diesel abgedeckt.

Woher stammen die Daten für Ihre Berechnungen? Sind diese Quellen und die angewendeten Methoden verlässlich?

Die Daten stammen aus der Ökobilanzdatenbank des Bundesamts für Umwelt (BAFU) . Diese enthält detaillierte, aktuelle und transparente Daten zu den Lieferketten der Benzin- und Dieselbereitstellung in der Schweiz. Diese Daten beschreiben den Energiebedarf, die Effizienz, die Emissionen in Luft und Wasser und die Abfälle, die dabei entstehen, und basieren auf nationalen und internationalen Statistiken, Umweltberichten von Erdölkonzernen und wissenschaftlichen Publikationen. Daneben braucht es auch immer Expertenschätzungen und -annahmen, da die verfügbaren Datenquellen den Informationsbedarf selten komplett abdecken können. Die Daten wurden durch unabhängige Dritte verifiziert, bevor sie in die Datenbank eingespeist wurden. Dieser Schritt trägt bei zur Sicherung einer guten Qualität der Ökobilanzdaten. Die Ökobilanzdaten sind schliesslich auch Basis für die Umweltkennwerte der Energieetikette von Fahrzeugen.

Umweltkennwerte :

Primärenergiebedarf und Schadstoffemissionen im Herstellungsprozess der verschiedenen in der Schweiz verbrauchten Kraftstoffe und Elektrizität. Da die Quellen und Herkunftsländer fossiler Energie und Elektrizität (Wasserkraft, Kernkraft usw.) von Jahr zu Jahr variieren, werden die Auswirkungen der Nutzung dieser Energieträger jedes Jahr auf der Grundlage der Datenbank der Bundesverwaltung aktualisiert.

Wie viel Strom braucht nun die Herstellung eines Liters Benzin? Gibt es Unterschiede je nach Treibstoff, und wenn ja, wie lassen sich diese erklären?

Das Bereitstellen von Benzin und Diesel an einer Schweizer Tankstelle benötigt insgesamt knapp 0.175 kWh Netzstrom pro Liter Benzin und knapp 0.12 kWh Netzstrom pro Liter Diesel. Der Netzstrombedarf ist bei Benzin deutlich höher, insbesondere bedingt durch den höheren Verarbeitungsaufwand in der Raffinerie. Neben dem Netzstrombedarf der Raffinerie ist der Netzstromverbrauch der Tankstellen von Bedeutung. Dieser ist jedoch für Benzin und Diesel fast gleich hoch.

Netzstrom

Elektrizität wird aus dem Stromnetz bezogen. Strom, der im Eigenverbrauch aus einer PV-Anlage oder einem Generator stammt, gilt nicht als Netzstrom.

Weiss man, aus welchen Ländern und von welcher Qualität dieser Strom zur Treibstoffherstellung ist?

Das haben wir nicht im Detail untersucht. Wir haben jedoch analysiert, wie hoch die CO2-Emissionen sind, die durch den Netzstromverbrauch verursacht werden und diese in Beziehung gesetzt zu den CO2 Emissionen der gesamten Lieferkette von Benzin und Diesel. Demnach macht der Strom rund 10 Prozent der gesamten CO2 Emissionen der Kraftstoffbereitstellung aus.

Neben Elektrizität werden für die Treibstoffherstellung auch fossile Energieträger benötigt, z.B. für den Transport auf See, in der Raffinerie oder bei der Belieferung der Tankstellen. Kann man dies auch beziffern? Wie viel ist das im Vergleich zum Energieinhalt des Treibstoffs?

Neben dem Netzstrombedarf und den CO2-Emissionen haben wir auch den gesamten Energiebedarf (inkl. Gas, Treibstoff, usw.) quantifiziert und analysiert. Um 1 Liter Diesel oder Benzin (deren Energiegehalt entspricht ca. 10 kWh bzw. 9 kWh in den Autotank zu bringen, müssen auf dem Weg vom «well-to-tank» zusätzlich etwa 3 bzw. 3,5 kWh Energie eingesetzt werden. Bei dieser Bereitstellungs-Energie handelt es sich u.a. um Gas, Treibstoff sowie Netzstrom, die es für für den See- und Strassentransport, den Betrieb der Pipelines, die Raffinerien, Tankstellen usw. braucht. Die oben erwähnten 0,175 respektive 0,12 kWh Netzstrom pro Liter machen also nur einen Bruchteil der Bereitstellungsenergie aus.

Ein Bericht mit mehr Details zu diesem Thema ist hier unter der Rubrik «Broschüren und Berichte» aufrufbar.

Interview: Daniel Schaller, Fachspezialist Energieeffizienter Verkehr, Bundesamt für Energie
Photo: Shutterstock; Asset-ID: 1670028922, Alessandro Coronas

 

 

 

 

 

 

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