Tiefengeothermie und kritische Rohstoffe

Die Tiefengeothermie ermöglicht es, die Wärme der Erde zu nutzen, indem sie entweder in Strom umgewandelt oder direkt als Wärmequelle verwendet wird. Geothermische Fluide können diese Energie im Erdinnern aufnehmen und an die Oberfläche transportieren.

Die Analyse dieser Fluide ermöglicht ein besseres Verständnis ihrer Eigenschaften, ihrer Herkunft und ihres Verlaufs im Untergrund sowie ihres Nutzungspotenzials. Eine genaue Analyse hilft auch bei der Prognose betrieblicher Probleme bei deren Nutzung wie Ablagerungen, Korrosion oder Ausgasung und somit bei der Auswahl der richtigen Anlagen im Vorfeld des Betriebs. Sie ermöglicht auch herauszufinden, ob die Fluide kritische Rohstoffe wie Lithium enthalten.

Das Bundesamt für Energie (BFE) und das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) haben einen Leitfaden für die hydrochemische Charakterisierung von geothermischen Fluiden veröffentlicht. Dieser Leitfaden wurde auf der Grundlage des umfangreichen Fachwissens der Nagra erstellt, dass diese im Rahmen ihre Tiefbohrkampagne erworben hat.

Energeiaplus hat mit den verschiedenen Autoren gesprochen: Emiliano Stopelli (Senior Specialist Collaboration – Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle – Nagra), Nicole Lupi (Spezialistin für Tiefengeothermie beim Bundesamt für Energie – BFE) und Thomas Galfetti (Koordinator Mineralische Rohstoffe – Bundesamt für Landestopografie – swisstopo). Sie erklären uns die Bedeutung solcher Analysen für zukünftige geothermische Projekte.

Energeiaplus: In der Schweiz steht die Tiefengeothermie am Anfang, die Erforschung des Untergrunds nach nutzbaren geothermischen Ressourcen hat gerade erst begonnen. Warum wird jetzt der Fokus spezifisch auf geothermische Fluide und ihre chemische Zusammensetzung gelegt? 

Nicole Lupi: Wenn wir an Tiefengeothermie denken, denken wir an die Wärme der Erde und damit automatisch an die Geologie. Oft wird jedoch vergessen, dass diese Energie erst an die Oberfläche befördert werden muss, bevor sie genutzt werden kann. Geothermische Fluide können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Beim Aufstieg zur Oberfläche werden diese Fluide zahlreichen Temperatur- und Druckänderungen ausgesetzt, die ihre ursprüngliche chemische Zusammensetzung verändern. Eine systematische hydrochemische Analyse dieser Fluide ermöglicht es, die Eigenschaften des geothermischen Reservoirs, sein Potenzial und die möglicherweise damit verbundenen Betriebsrisiken zu charakterisieren. Je nach ihrer chemischen Zusammensetzung können Fluide betriebliche Probleme verursachen, wie Korrosion oder die Ausfällung bestimmter chemischer Komponenten, die die Integrität der Bohrlöcher oder die Leistung der Oberflächenanlagen beeinträchtigen können. Der Schlüssel liegt also darin, diese Probleme zu prognostizieren, um die notwendigen technischen Mittel so früh wie möglich einzusetzen, um sie zu beheben. Bei der Analyse der Zusammensetzung dieser Fluide kann es auch zu positiven Überraschungen kommen, wie der Entdeckung wirtschaftlich interessanter Konzentrationen von Lithium oder anderen Elementen. Aus diesen Gründen hält es das BFE für sinnvoll, die Eigenschaften der geothermischen Fluide bereits in der Explorationsphase zu kennen.

Diagramm, das die Vorteile gegenüber den Kosten der Probenahme und Analyse von geothermischen Fluiden aufzeigt

Thomas Galfetti: Die sogenannten kritischen Rohstoffe stehen derzeit im Zentrum der globalen (geo)politischen Diskussion, da sie für die technologische Entwicklung im Rahmen der Energiewende von entscheidender Bedeutung sind und ein besonders hohes Risiko bezüglich der Versorgungssicherheit aufweisen. Lithium zum Beispiel, ein entscheidendes Element für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien, kann sich in geothermischen Fluiden in gelöster Form befinden, wie zahlreiche Explorationsprojekte gezeigt haben.

Die Schweiz verfügt nach heutigem geologischem Kenntnisstand über keine nennenswerten Vorkommen kritischer Rohstoffe, die für einen wirtschaftlich rentablen konventionellen Bergbau geeignet wären. Die Kombination von Geothermie mit der Nutzung potenziell metallhaltiger Fluide kann eine interessante Option sein, um zur Versorgung mit kritischen Rohstoffen beizutragen, die heute vollständig von Importen abhängig ist. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine umfassenden und zuverlässigen Daten über das Vorhandensein kritischer Rohstoffe in geothermischen Fluiden.

Aus diesem Grund empfiehlt swisstopo, deren chemische Zusammensetzung zu analysieren. Dies erlaubt die Bewertung des Potenzials, kritische Rohstoffe auf diese Art mit begrenzten Auswirkungen auf Umwelt und Raum zu gewinnen.

Energeiaplus: Welche Informationen sind in diesem Dokument enthalten und wie kann es verwendet werden?

Emiliano Stopelli: Unser Hauptziel war es, ein praktisches Werkzeug für technische Fachkräfte und Behördenmitarbeitende zu entwickeln, welche für die Umsetzung resp. Aufsicht eines Projekts zuständig sind. Dazu musste ein klares Dokument verfasst werden, das das Bewusstsein für die Bedeutung der Charakterisierung geothermischer Fluide schärft und die Bestimmung der besten Strategie für die Probenahme, Analyse und Beschreibung dieser Fluide erleichtert. Der Leitfaden enthält eine Reihe leicht zugänglicher Informationen, wie z. B. eine Checkliste zur Charakterisierung von geothermischen Fluiden, Tabellen mit guter Industriepraxis für Probenahme- und Analysemethoden, ein detailliertes Beispiel für eine Probenahmestrategie, eine Vorlage für die Datenerfassung und Empfehlungen für deren Interpretation.

Um eine gewisse Flexibilität für jedes einzelne Projekt, jede Projektphase und jeden (hydro)geologischen Kontext zu gewährleisten, werden mehrere Probenahme- und Analyseoptionen vorgeschlagen. Gleichzeitig kann die Bereitstellung eines solchen Leitfadens die Verwendung ähnlicher Ansätze über mehrere Projekte fördern, und so eine hohe und vergleichbare Qualität der gesammelten Daten und letztlich die Vergleichbarkeit der erzielten Ergebnisse gewährleisten.

Bei der Erstellung dieses Leitfadens haben wir mehrere Spezialisten hinzugezogen, die auf aktuellen Projekten arbeiten oder Behördenvertreter im Bereich der geothermischen Exploration sind. Dies, um sicherzustellen, dass wir unser Ziel, ein nützliches Werkzeug zu erstellen, auch erreichen. Wir sind sehr dankbar für ihren Beitrag. Und wir würden uns auch sehr über Feedback freuen!

Energeiaplus: Wer kann von diesem Leitfaden profitieren? An wen richtet er sich und wozu dient er?

Nicole Lupi: Unser Ziel ist es, dass dieses Dokument eine wertvolle Grundlage für alle sein kann, die im Bereich der Tiefengeothermie arbeiten. Dazu gehören Projektträger, für die eine genaue hydrochemische Charakterisierung für die Erschliessung und nachhaltige Nutzung geothermischer Ressourcen unerlässlich ist. Es wurde auch für die Kantone konzipiert, denen der Untergrund und seine Ressourcen gehören und die diese Ressourcen nicht nur für die geothermische Produktion, sondern auch für alle anderen Nutzungen des Untergrunds, wie z. B. die Wärmespeicherung, verwalten müssen. Das BFE wird dieses Dokument auch bei der Bewertung der Arbeitsprogramme zur Charakterisierung geothermischer Fluide im Rahmen der Fördergesuche für Geothermie-Projekte verwenden.

Thomas Galfetti: Die Landesgeologie von swisstopo ist das Kompetenzzentrum des Bundes für die Erhebung, Analyse, Lagerung und Bereitstellung geologischer Daten von nationalem Interesse. Durch die Standardisierung einer Methode zur Datenerfassung von geothermischen Fluiden, wie in diesem Dokument vorgeschlagen, wird sichergestellt, dass zuverlässige Daten gewonnen werden, die systematisch in den Datenbanken von swisstopo strukturiert und dann beispielsweise im Rahmen zukünftiger Explorationsprojekte wiederverwendet werden können.

Das vollständige Dokument ist unter folgendem Link abrufbar: Guideline on the Hydrochemical Characterisation of Geothermal Fluids.

Sandrine Klötzli, Kommunikation, Bundesamt für Energie, Bild: BFE