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Nonproliferation – Verpflichtungen und Bemühungen der Schweiz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen – Teil 2


Die Schweiz setzt sich international dafür ein, dass Atomwaffen nicht weiterverbreitet und irgendwann vollständig beseitigt werden. Energeiaplus berichtet in einer dreiteiligen Blogserie, wie die Schweiz dieses Ziel umsetzt. In Teil 2 der Blogserie geht es um die Verpflichtungen der Schweiz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 legte der amerikanische Delegierte Bernard Baruch der UNO 1946 erstmals einen Plan zur Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen vor. Der so genannte «Baruch-Plan» sah vor, Atomwaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Obwohl der Plan damals scheiterte, war er ein erster Schritt, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Im Rahmen der Initiative «Atoms for Peace» des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower folgte 1957 die Gründung der IAEA mit dem Ziel, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern und gleichzeitig die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Die Schweiz ist seit der Gründung 1957 Mitglied der IAEA. Das Labor Spiez und die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) sind «Collaborating Centers» der IAEA.

Die Überwindung der Kubakrise von 1962, die die Welt an den Rand eines Atomkriegs gebracht hatte, führte ab 1963 zu einer Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten. Die Unterzeichnung des Vertrags über das Verbot von Atomwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser (Partial Test Ban Treaty, PTBT) von 1963 war ein weiterer Schritt zur Eindämmung der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Die Schweiz unterzeichnete den Vertrag 1963 und ratifizierte ihn 1964. US-Präsident John F. Kennedy warnte damals davor, dass in den 1970er-Jahren bereits 15, 20 oder 25 Staaten über Atomwaffen verfügen könnten. Das gemeinsame Interesse der USA und der Sowjetunion, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern, führte 1968 zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags (NPT). Die Schweiz unterzeichnete den Vertrag 1969 und ratifizierte ihn 1977. Sie verpflichtete sich damit, die Kernenergie ausschliesslich zu friedlichen Zwecken zu nutzen und ihre Kernmaterialien (Uran, Plutonium und Thorium) internationalen Kontrollmassnahmen zu unterstellen. Der Atomwaffensperrvertrag war zunächst auf 25 Jahre befristet und wurde 1995 unbefristet verlängert.

Der Atomwaffensperrvertrag verpflichtet alle Nicht-Atomwaffenstaaten, keine Atomwaffen zu beschaffen oder zu entwickeln und entsprechende Kontrollmassnahmen der IAEA zu akzeptieren. Die Schweiz hat 1978 ein Safeguardsabkommen mit der IAEA ratifiziert. Zur Durchführung dieser Kontrollen definiert das Abkommen Massnahmen wie Buchführungspflichten, Verifikationsmöglichkeiten und Berichterstattungspflichten des jeweiligen Staates gegenüber der IAEA. Für die Art der internationalen Überwachung, d.h. die Häufigkeit der Inspektionen, die Häufigkeit und Art der Messungen und die Häufigkeit der Berichterstattung, hat die IAEA allgemeingültige Kriterien festgelegt, die sich an der Menge, den vorhandenen Anlagen und den nuklearen Fähigkeiten des Landes orientieren. In jedem Fall ist der IAEA einmal jährlich das gesamte Kernmaterialinventar pro Standort der IAEA zu melden. In der Zwischenzeit werden der IAEA im Rahmen der Meldepflichten auch alle Bestandsänderungen mitgeteilt.

Unter dem Vorsitz von Claude Zangger, dem damaligen Vizedirektor des Eidgenössischen Amtes für Energiewirtschaft, erarbeitete eine Gruppe von 15 Staaten, die Lieferanten von nuklearen Gütern waren, zwischen 1971 und 1974 ein gemeinsames Verständnis der im Atomwaffensperrvertrag erwähnten Kontrollbestimmungen für Nuklearexporte. Das sogenannte «Zangger-Komitee» erstellte erstmals eine Liste von Ausrüstungen und Materialien, die zur Herstellung von Atomwaffen verwendet werden können. Der indische Atomwaffentest von 1974 veranlasste dann die USA, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Kanada und die Sowjetunion dazu, ihre Exportkontrollen im «Londoner Club» (seit 1991 Gruppe der nuklearen Lieferländer oder Nuclear Suppliers Group, NSG) aufeinander abzustimmen. Die NSG führt gemeinsame Richtlinien für Nuklearexporte sowie Listen von kontrollierten nuklearen Gütern und von nuklear verwendbaren Dual-Use-Gütern, die zur Herstellung von Atomwaffen verwendet können. Die Mitglieder der NSG haben sich zum Ziel gesetzt, nur solche Exporte zu genehmigen, die nicht zu einer Weiterverbreitung von Atomwaffen führen. Die Schweiz ist seit 1978 Mitglied der Gruppe.

Die IAEA-Inspektionen im Zusammenhang mit den Atomwaffenprogrammen im Irak und in Nordkorea führten 1997 zur Verabschiedung eines freiwilligen Zusatzprotokoll-Modells durch die IAEA. Dieses soll der IAEA in Zukunft erleichtern, nicht deklarierte nukleare Aktivitäten aufzudecken. Das ursprüngliche Safeguardsabkommen hatte den Schwachpunkt, dass die IAEA nur Material überprüfen konnte, das zuvor vom Staat deklariert worden war. Das Zusatzprotokoll erweiterte die Informationspflichten erheblich, verbesserte die Zugangsmöglichkeiten für Inspektionen und ermöglichte den Einsatz verbesserter Techniken und Analysemethoden wie Wischproben und Umgebungsproben an allen möglichen Orten sowie die Nutzung von Satellitenbildern. Die Staaten haben eine umfassende Informationspflicht über alle Aktivitäten und Standorte, die mit Kernmaterialien zu tun haben, z.B. Forschungsaktivitäten, Nuklearexporte, Kernreaktoren, Abfalllager oder Uranminen. Die IAEA kann zusätzliche Informationen anfordern. Alle der IAEA gemeldeten Gebäude können kurzfristig inspiziert werden. Grundsätzlich kann die IAEA an jedem Ort Umweltproben entnehmen. Die Staaten sind verpflichtet, administrative Hürden für die Inspektoren abzubauen und die Kommunikation mit der IAEA jederzeit zu ermöglichen.

Die Schweiz hat 2005 das Zusatzprotokoll der IAEA zum Safeguardsabkommen ratifiziert. Nach einer Totalrevision des Schweizer Kernenergierechts wurde 2005 zusammen mit dem Kernenergiegesetz und der Kernenergieverordnung auch die Safeguardsverordnung in Kraft gesetzt. Damit wurden das Safeguardsabkommen und das Zusatzprotokoll explizit in Schweizer Recht umgesetzt. Mit der erstmaligen Erteilung der Broader Conclusion im Jahr 2015 hat die IAEA bestätigt, dass die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Safeguardsabkommen und dem Zusatzprotokoll zur nuklearen Nonproliferation einhält und ihr Nuklearprogramm ausschliesslich friedlichen Zwecken dient. Seit 2001 wendet die IAEA die so genannten «Integrated Safeguards Measures» an, welche die nuklearen Fähigkeiten eines Landes berücksichtigen, z.B. welche Art von Anlagen ein Land besitzt, ob Anreicherung, Brennstoffherstellung und Wiederaufbereitung in einem geschlossenen Brennstoffkreislauf möglich sind und welche Forschungsaktivitäten bzw. -kapazitäten bestehen. Für die Anwendung auf einen Staat wurde ein individueller Ansatz entwickelt, der als «State Level Approach» (SLA) bezeichnet wird. Seit 2018 wird dieser Ansatz auch in der Schweiz angewendet.

Ein weiterer integraler Bestandteil der Bemühungen gegen die Verbreitung von Atomwaffen ist die nukleare Sicherung. Diese soll verhindern, dass unbefugte Akteure wie beispielsweise Terroristen Zugang zu Nuklearanlagen und -materialien erhalten. Die Schweiz hat 1986 das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial (Convention on the Physical Protection of Nuclear Material, CPPNM) unterzeichnet und 1987 ratifiziert. Ziel des Übereinkommens ist die Verhinderung, Aufdeckung und Bestrafung von Diebstahl und anderen Straftaten im Zusammenhang mit zivil genutztem Kernmaterial. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedete die IAEA eine Resolution zur nuklearen Sicherung und zur Verhinderung von terroristischen Aktivitäten. Im Jahr 2005 wurde das Übereinkommen revidiert, um seinen Geltungsbereich auszuweiten und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu verstärken, damit gestohlenes oder geschmuggeltes Kernmaterial lokalisiert und wiederbeschafft, die radiologischen Folgen von Sabotageakten gemildert und Straftaten verhütet und bekämpft werden können. Die Schweiz hat die revidierte Konvention 2008 ratifiziert, 2016 ist sie schliesslich in Kraft getreten.

Die Schweiz hat sich zudem verpflichtet, die IAEA-Richtlinien zur Sicherung und Sicherheit radioaktiver Quellen umzusetzen. Dies wurde 2018 mit der Revision der Strahlenschutzverordnung umgesetzt, die den Umgang mit radioaktiven Quellen ausserhalb des Kernenergiebereiches regelt. Damit soll sowohl der Missbrauch für terroristische Zwecke als auch die unkontrollierte Weiterverbreitung durch die illegale Ein-, Aus- und Durchfuhr von radioaktiven Materialien verhindert werden. Ziel ist es, böswillige Handlungen mit radioaktiven Quellen zu verhindern, wie z. B. den terroristischen Einsatz einer schmutzigen Bombe, also einer Bombe die abgebranntes Nuklearmaterial verwenden, oder die gezielte, missbräuchliche Bestrahlung von Personen. Um die Gefahren, die von unkontrollierten radioaktiven Materialien ausgehen können, weiter zu reduzieren, hat der Bundesrat im Jahr 2020 den vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) ausgearbeiteten Aktionsplan zur Erhöhung der radiologischen Sicherung und Sicherheit 2020–2025 verabschiedet. Dieser beinhaltet Massnahmen zur Verhinderung von Diebstahl und Sabotage von radioaktiven Materialien. Betriebe, die mit gefährlichen hochradioaktiven Stoffen arbeiten, müssen den unbefugten Zugang zu diesen Stoffen verhindern.

Hier geht es zu Teil 1 der Blogserie.

Michael Fischer, Fachspezialist Bundesrats- und Parlamentsgeschäft BFE
Uwe Georg, Leiter Sektion Safeguards BFE
Bild: IAEA und Wikimedia commons

 

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