Für den Durchbruch der Elektromobilität beim Schwerverkehr ist ausschlaggebend, wie weit ein Lastwagen mit einer vollen Batterie fahren kann. Die Resultate eines Demonstrationsprojekts von Designwerk Technologies AG zeigt nun: Bei grossen Elektro-LKW ist eine Ladeleistung von über 1 Megawatt (MW) möglich. Damit kann ein E-LKW nach einer Ladedauer von rund 40 Minuten eine Strecke von mehr als 500 Kilometern fahren. Das Projekt wurde vom Bundesamt für Energie (BFE) über das Pilot- und Demonstrationsprogramm unterstützt.
Der weisse Container auf dem Nationalstrassen-Werkhof in Oberbüren SG hat es in sich: Mega Charger steht in schwarzen Grossbuchstaben drauf. Im Container ist die Ladetechnik eingebaut, die eine Ladeleistung von bis zu 1’140 Kilowatt (kW) erlaubt. Das ist deutlich mehr, als die Leistung einer Schnellladestation für Elektroautos (bis 400 kW). Der Mega Charger enthält auch Batteriepuffer, so dass überschüssiger Strom zwischengespeichert werden kann.

In diesem Container ist die Ladetechnik eingebaut. Bild: © Designwerk Technologies AG
Das System soll das schnelle Laden (d.h. im Megawatt-Bereich) von Elektro-Lastwagen mit entsprechender Ladetechnik ermöglichen. Diese Ladetechnik ermöglicht es, dass keine grossen Fahrzeugbatterien benötigt werden, die viel kosten und wegen ihrem Gewicht die Nutzlast reduzieren, um auf die erforderliche Reichweite zu kommen. Stattdessen können in diesen E-LKW kleinere Batterien eingesetzt werden, die mehrmals am Tag innert kürzester Zeit wieder aufgeladen werden können.
Beim Test-LKW waren vier Hochvolt-Batterien mit je 250 kWh eingebaut, was einer Kapazität von 1000 kWh entspricht. In 42 Minuten konnte sie von 10 auf 80 Prozent aufgeladen werden. «Ein 40-Tonner lädt dank Mega Charging so schnell wie ein Elektroauto – nur mit deutlich mehr Leistung», lässt sich Niels Ross, Projektleiter Ladetechnik von Designwerk in der Medienmitteilung zitieren. «Das ist der Schlüssel, um den Schwerlastverkehr zu elektrifizieren.» Denn mit dieser Ladeleistung kann ein 40-Tonnen-Elektro-LKW eine Strecke von mehr als 500 Kilometern fahren.
Die Firma Designwerk ist spezialisiert auf Elektromobilität rund um Nutzfahrzeuge. Sie hat das Mega Charging System (MCS) und auch einen LKW-Prototypen mit der neuen Megawatt-Ladetechnik entwickelt. Die Tests, die im Juli 2024 durchgeführt wurden, eröffneten neue Perspektiven beim Fernverkehr mit E-LKW, heisst es in der Medienmitteilung weiter.
- Tagesreichweiten von bis zu 1000 Kilometern sind damit technisch möglich.
- Die erforderlichen Ladezeiten entsprechen den gesetzlichen Pausen, die LKW-Fahrer und -Fahrerinnen ohnehin machen müssen.
- Ladepunkt-Betreiber können mit dem Mega Charger ohne Netzausbau Ladeinfrastruktur bereitstellen – dank der Puffer-Batterien.
Technisch funktioniert das Schnellladesystem für E-LKW also. Das haben die Praxistests gezeigt. Sind die Perspektiven aber auch realistisch? Welche Fragen müssen noch geklärt werden? Energeiaplus fragte bei Men Wirz nach. Er leitet im Bundesamt für Energie das Pilot- und Demonstrationsprogramm, das das Mega Charger Projekt unterstützt.
Energeiaplus: Designwerk spricht von einem Durchbruch für die Elektromobilität beim Schwerverkehr auf Langstrecken. Teilen Sie diese Beurteilung?

Men Wirz leitet das Pilot- und Demonstrationsprogramm im Bundesamt für Energie. Bild: BFE – Jan Holger Engberg
Men Wirz: Der erreichte Meilenstein ist sicherlich sehr wichtig, für Designwerk als Unternehmen, aber auch für den Schwerverkehr in der Schweiz. In Europa haben bisher nur vereinzelte Akteure diese neue Ladetechnik erfolgreich demonstriert. Damit ist zumindest aus technischer Sicht eine wichtige Grundlage gelegt, um den Schwerverkehr zu elektrifizieren. Ob dem Megawatt-Laden dann effektiv der Durchbruch gelingt, muss sich aber noch zeigen. Neben den technischen Anforderungen, die mit den Praxistests nachgewiesen werden konnten, spielen letztendlich wirtschaftliche und betriebliche Aspekte eine entscheidende Rolle.
Was sind das für wirtschaftliche und betriebliche Aspekte?
Die entscheidende Frage wird sein: Rechnet sich diese Schnellladung für die Transporteure? Schnellere Ladevorgänge können im Vergleich zur heutigen Schnellladung die Flexibilität im Betrieb erhöhen, aber der Ladevorgang muss betrieblich möglich sein. Also muss z.B. die Mittagspause auf einen Stopp bei einer Megawatt-Ladestation fallen. Und am Ende müssen sich die tieferen Kosten, die sich aus der kleineren Batterien im LKW und der dadurch gesteigerten Nutzlast ergeben, auch unter Berücksichtigung der Investitions- und Betriebskosten für die Megawatt-Ladeinfrastruktur rechnen. Wir erhoffen uns aus dem Projekt Antworten auf diese Fragen, indem mögliche Geschäftsmodelle für diese Technologie wissenschaftlich analysiert werden.
Könnte diese Technologie auch in anderen Bereichen für die Dekarbonisierung eingesetzt werden?
Ja, diese Schnellladung könnte beispielsweise auch in der Schifffahrt genutzt werden, z.B. für Autofähren oder Kursschiffe. Oder allgemein in Bereichen, in denen ein hoher Energiebedarf und lange Betriebszeiten nötig sind, z.B. bei Baumaschinen oder bei einem vollelektrischen Schneepflug.
Der Mega Charger von Designwerk hat Puffer-Batterien eingebaut, könnte also Strom zwischenspeichern. Dennoch: Ladestationen im Megawatt-Bereich sind nicht unproblematisch fürs Stromnetz. Wie sehen Sie das?
Der Einsatz von Puffer-Batterien ist sicherlich eine Möglichkeit, das Stromnetz zu entlasten. Gleichzeitig werden damit aber auch die Kosten und der ökologische Fussabdruck erhöht. Der Einsatz von Second Life Batterien, wie sie Designwerk zukünftig verwenden will, kann helfen diese Auswirkungen zu reduzieren. Zudem ist aufgrund der Menge an benötigtem Strom nicht ausgeschlossen, dass es zu gewissen Zeiten zu Engpässen im lokalen Stromnetz kommt. Alle diese Einflüsse sollen im Rahmen dieses P+D-Projekts untersucht werden, um die sinnvollsten Stossrichtungen identifizieren zu können.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?
Eine weitere offene Frage ist, was diese Art von Schnellladung für die Lebensdauer der Batterien bedeutet, sowohl im LKW als auch in einem allfälligen Pufferspeicher. Dies hätte ebenfalls Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und den ökologischen Fussabdruck. Auch hierzu erhoffen wir uns erste Hinweise aus den wissenschaftlichen Untersuchungen.
Das Bundesamt für Energie hat das Projekt im Rahmen des Pilot- und Demonstrationsprogramms unterstützt. Hat das Projekt die Erwartungen erfüllt?
Um diesen Meilenstein zu erreichen, galt es zahlreiche technische Herausforderungen zu meistern. Das ist nicht zu unterschätzen. In dieser Hinsicht hat das Projekt definitiv die Erwartungen erfüllt, denn es konnten sehr wertvolle Erkenntnisse im Umgang mit Megawatt-Ladung und dem neuen Industriestandard gewonnen werden. Natürlich erhoffen wir uns jetzt auch noch Aussagen darüber, was dieser Meilenstein nun konkret für die Praxis bedeutet. Dadurch profitiert nicht nur Designwerk als Anbieter von Lösungen, sondern die ganze Transportbranche.
Der Praxistest mit dem E-LKW und der Ladeinfrastruktur fand vom 28. bis 31. Juli 2024 im Nationalstrassen Gebiet VI (GEVI) in Oberbüren SG statt. Der LKW-Prototyp und das Mega Charging System wurden von Designwerk Technologies entwickelt. Galliker Transport AG stellte sich als Pilotkunde zur Verfügung. Weitere Projektpartner waren die Berner Fachhochschule BFH, die Ostschweizer Fachhochschule OST sowie Wyssmann LLC.
Das Bundesamt für Energie hat das Projekt über das Pilot- und Demonstrationsprogramm unterstützt. Mehr dazu hier.
Text und Interview: Brigitte Mader, Kommunikation Bundesamt für Energie BFE
Bilder: © Designwerk Technologies AG
Neuste Kommentare