Umstieg auf erneuerbare Heizung: Kostenlose Beratungen sind gefragt

Insgesamt gilt es, alleine in den Schweizer Wohnbauten cirka 1.1 Millionen Heizungen zu ersetzen, 720’000 Ölheizungen, 310’000 Gasheizungen und 140’000 Elektroheizungen. D.h. rund 40’000 Heizungen pro Jahr müssen ersetzt werden, wenn die Schweiz das Klimaziel Netto-Null bis 2050 erreichen will. Eine Impulsberatung unterstützt Hausbesitzerinnen und -besitzer beim Umstieg auf ein erneuerbares System. Seit April 2022 ist das Angebot kostenlos, wenn die Heizung älter als 10 Jahre ist. Über 30’000 Beratungen wurden seither durchgeführt.

25’000 Beratungen betrafen Einfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser (MFH) mit weniger als sechs Wohneinheiten. Bei 7000 Beratungen ging es um den Heizungsersatz in grösseren Mehrfamilienhäusern (mit mehr als sechs Wohneinheiten). «Es ist erfreulich, dass sich vermehrt auch Eigentümerschaften und Verwaltungen von grösseren MFH mit einem erneuerbaren Heizungsersatz beschäftigen», sagt Charlotte Lienhard. Sie ist für das Förderprogramm Impulsberatung «erneuerbar heizen» beim Bundesamt für Energie zuständig. (Ein Interview mit Charlotte Lienhard vom Oktober 2022 finden Sie hier.)

Pauline Steiner ist Immobilienverwalterin bei Gérance Bosshart & Gautschi SA in La Chaux-de-Fonds. Die Firma verwaltet rund 50 Gebäude, zum grössten Teil mit Mietwohnungen und Stockwerkeigentum im Kanton Neuenburg. Pauline Steiner respektive  die von ihr vertretene Eigentümerschaft hat die 30’000. Impulsberatung erhalten.

Energeiaplus: Ihre Verwaltung besitzt keine eigenen Liegenschaften. Trotzdem nutzten Sie das Angebot der kostenlosen Impulsberatung. Warum?

Pauline Steiner, Immobilienverwalterin in La Chaux-de-Fonds; Bild: Pauline Steiner

Pauline Steiner: Wir haben der Eigentümerschaft vorgeschlagen, diese Impulsberatung zu machen. Wir konnten unserem Kunden so aufzeigen, welche Lösungen sich für seine Liegenschaft eignen. Die Impulsberatung bietet ja eine umfassende Analyse der technisch realisierbaren Lösungen.

Die Impulsberatung bezieht sich jeweils auf ein bestimmtes Gebäude. Haben Sie denn schon mehrere Beratungen in Anspruch genommen?

Ja. Wir haben rund zehn Beratungen im Auftrag der jeweiligen Eigentümerschaften gemacht. Wir konnten den Eigentümerschaften so eine von einer Fachperson erstellte Übersicht über die möglichen Verbesserungen am Gebäude präsentieren. Die Impulsberatung gibt nicht nur Aufschluss darüber, welches erneuerbare Heizsystem für die jeweilige Liegenschaft sinnvoll ist. Man erhält auch Informationen für energetische Verbesserungen am Gebäude. Und nicht zuletzt: Wir profitieren auch als Immobilienverwaltung. Wir sind à jour, was die geltenden Anforderungen angeht – beim Heizungsersatz, bei energetischen Sanierungen.

Und wie reagieren die Eigentümerschaften? Setzen Sie die Vorschläge um? Sie müssen die Massnahmen schliesslich finanzieren. Welche Erfahrungen machen Sie da?

Angesichts der steigenden Energiekosten – insbesondere beim Gas – haben einige unserer Kunden beschlossen, ihre Heizung zu ersetzen und sich an einem Fernwärmenetz anzuschliessen. Die grösste Herausforderung bei MFH ist, dass die Eigentümerschaft die Investitionen für energetische Verbesserungen tätigen muss. Auch wenn einige Massnahmen gefördert werden, muss die Eigentümerschaft erhebliche Summen investieren, die sie auch finanzieren können muss.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Impulsberatung gewonnen?

Beim Austausch eines Heizsystems, besonders bei solchen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Abhängig von der Energieeffizienzklasse des Gebäudes kann es notwendig sein, weitere Verbesserungen vorzunehmen. Die Impulsberatung unterstützt Eigentümerinnen und Eigentümer dabei, die erforderlichen Anforderungen zu verstehen, um das neue Energiegesetz einzuhalten. So können sie entscheiden, welche Sanierungsmassnahmen sie umsetzen wollen.

Impulsberatung «erneuerbar heizen»
Die Impulsberatung «erneuerbar heizen» ist ein Angebot des Bundes und steht Eigentümerschaften von Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie Stockwerkeigentümerschaften seit April 2022 kostenlos zur Verfügung. Bei der Impulsberatung besichtigt eine Fachperson das Gebäude und gibt im persönlichen Gespräch einen Überblick zu den Möglichkeiten, die bestehende Heizung durch ein erneuerbares Heizsystem zu ersetzen. Auch eine grobe Kostenschätzung und Tipps zum weiteren Vorgehen sind Teil der unverbindlichen Beratung.

Eine Impulsberaterin oder einen Impulsberater in Ihrer Nähe finden Sie hier.
Wer die Heizkosten für Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser verschiedener Systeme vergleichen möchte, erhält hier mit wenigen Klicks eine erste Übersicht.

25’000 Beratungen bei Einfamilienhäusern und 7’000 bei MFH. Wie erklärt sich dieser Unterschied? Sind MFH-Besitzerinnen und -besitzer weniger interessiert am Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme? EFH-Besitzende bewohnen ihre Liegenschaft meist selber und haben damit auch einen direkten Nutzen, wenn sie in ein neues Heizsystem investieren (tiefere Energiekosten). Bei Mietliegenschaften sieht es etwas anders aus. Die Eigentümerinnen und Eigentümer investieren, können aber nicht alle Kosten auf die Mieterinnen und Mieter abwälzen, die ihrerseits unter Umständen von tieferen Energiekosten profitieren.

Lukas Zemp führt Impulsberatungen durch. Er ist Projektleiter bei diePROJEKTFABRIK AG und prüft zudem im Auftrag des BFE eingereichte Checklisten der Impulsberatung. Energeiaplus fragte ihn, was sein Eindruck ist. Sind MFH-Besitzerinnen und -besitzer beim Umstieg auf erneuerbare Systeme zurückhaltender?

Lukas Zemp ist Projektleiter Energie bei die PROJEKTFABRIK AG; Bild: diePROJEKTFABRIK AG.

Lukas Zemp: MFH-Besitzerinnen und -besitzer sind gemäss meiner Erfahrung nicht zurückhaltender. Oft gibt es einzelne Personen, welche sehr motiviert sind und Projekte vorantreiben möchten. Natürlich sind alle Eigentümer miteinzubeziehen. Das erschwert vielfach die Entscheidungsfindung. Eine Impulsberatung kann hier eine wichtige Unterstützung sein, damit alle Beteiligten über die Möglichkeiten aufgeklärt sind.

Welche Herausforderungen treffen Sie bei der Beratung von MFH-Besitzenden an?

Die Herausforderung besteht darin, die Eigentümer über die zulässigen Heizsysteme zu informieren und Missverständnisse auszuräumen. Unter diesen Missverständnissen verstehe ich insbesondere falsche Annahmen hinsichtlich der Installation, der technischen Spezifikationen, der Wirtschaftlichkeit und der Wartung. Entscheidend bei jeder Beratung ist, dass nach dem Gespräch alle Beteiligten das gleiche Wissen teilen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Welche Heizsysteme als Ersatz für eine fossile Heizung infrage kommen und realisierbar sind, hängt stets von den jeweiligen Gegebenheiten ab und muss sorgfältig geprüft werden.

Gibt es einen Unterschied zu Stockwerkeigentümerschaften?

Ja, auf jeden Fall. Bei Stockwerkeigentümern und -eigentümerinnen, welche sich untereinander gut verstehen, ist eine Umsetzung und Realisierung viel einfacher. Sobald kritische Stimmen laut werden, wird die Unsicherheit grösser, und das Projekt kann dadurch verzögert werden. Eine neutrale Beratung gibt eine Gesamtübersicht und dient als Entscheidungsgrundlage. Mit der Impulsberatung können wir diese Gesamtsicht bieten.

Wird nach der Beratung auch effektiv umgestellt? Beraten lassen kann man sich ja immer, wenn es gratis ist. Was stellen Sie da fest?

Nach den meisten Beratungen wird der Heizungsersatz tatsächlich in Detail geplant und dann realisiert. Der Zeitpunkt kann je nach Dringlichkeit variieren. Bei einem älteren System wird schneller umgestellt als wenn das Heizsystem noch in einem guten Zustand ist.

Welche Heizsysteme sind denn gefragt?

Am meisten gefragt sind Wärmepumpensysteme mit unterschiedlichen Quellen. Die Wahl des erneuerbaren Heizsystems hängt indes von verschiedenen Faktoren ab – von der Machbarkeit vor Ort, und technischen Faktoren wie der Heizleistung und den Vorlauftemperaturen.

Text und Interview: Brigitte Mader, Kommunikation; Bundesamt für Energie
Bild: CRK