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Studie zu Energiemanagementsystemen: Potenzial ist gross


Photovoltaik auf dem Dach, E-Auto vor dem Haus, Batterie und Wärmepumpe im Keller. Aber die Geräte sprechen nicht miteinander – werden nicht aufeinander abgestimmt betrieben. Das ist leider noch sehr oft der Fall. Abhilfe können sogenannte Energiemanagementsysteme (EMS) schaffen. Darum geht es in der Studie InnoNet-Energy, welche die eidgenössisch-technische Hochschule in Lausanne (EPFL) mit Unterstützung des Bundesamts für Energie (BFE) durchgeführt hat.

Energiemanagementsysteme (EMS) sind ein wichtiger Baustein bei der Digitalisierung des Energiesektors. Sie liefern den Nutzern und Nutzerinnen nicht nur Daten in Echtzeit, sondern spielen eine zentrale Rolle für die Steuerung von Produktion und Verbrauch von Energie. In ihrer Umfrage wollten die Studienautoren und -autorinnen wissen, wer diese Systeme bereits heute nutzt, was die Treiber und die Barrieren für eine Anschaffung sind, wie und mit wem Informationen ausgetauscht werden und welche Empfehlungen sich aus den Erkenntnissen für eine Beschleunigung der Transformation ableiten lassen.

Die Studie zeigt: Von den Umfrageteilnehmern und -teilnehmerinnen haben zwei Drittel (65%) gleich mehrere Energietechnologien installiert – Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Elektrofahrzeuge. 16% der Haushalte steuern diese verschiedenen Systeme mit einem EMS. Ein Drittel (35%) der Befragten hat ausschliesslich eine Photovoltaik-Anlage oder ein Elektro-Auto.

Matthias Galus, Leiter Sektion Geoinformation und digitale Innovation im Bundesamt für Energie und Maria Anna Hecher, Forscherin im Labor für Mensch-Umwelt Beziehungen in Urbanen Systemen der EPFL ordnen die Ergebnisse der Studie ein und zeigen mögliche Massnahmen zur Reduktion von Barrieren auf.

Energeiaplus: PV oder Wärmepumpen sind schon weit verbreitet. Anders sieht es bei Energiemanagementsystemen aus. Überrascht sie das?

Matthias Galus leitet die Sektion Geoinformation und Digitale Innovation im BFE. Bild: BFE

Matthias Galus: Das überrascht – leider – nicht. Uns ist bekannt, dass Gebäudeautomation oder EMS noch nicht weit verbreitet sind. Wir stellen beispielsweise in Gesprächen mit Einfamilienhausbesitzern und -innen das fest, was diese Studie nun auch erstmals wissenschaftlich belegt. Ein Potential liegt schon länger brach. Die Studie bestätigt Diskussionen, die wir auch im Rahmen des Projektes «Digitalisierung im Gebäude – Interoperabilität und Informationssicherheit» 2022 geführt haben.

Welche Gründe sehen Sie dafür?

Matthias Galus: Scheinbar haben wir einen toxisch wirkenden Cocktail. Installateure sind ausgelastet, ihr Geschäft brummt sowieso. Zusätzliche Komplexität wird gescheut, man konzentriert sich auf sein jeweiliges Kerngeschäft, beispielsweise der Photovoltaik-Installateur auf den Photovoltaik-Anlagenbau, der Wärmeinstallateur auf die Wärmepumpe, usw. Systemintegration bleibt da sekundär und wird kaum aktiv angeboten beziehungsweise vermarktet seitens der Installateure. Auf der anderen Seite ist die Nachfragekompetenz bei Immobilienbesitzenden noch nicht ausgeprägt. Den Überblick über EMS-Lösungen zu erhalten ist nicht einfach, und nur ein kleiner Teil der Nachfrager und Nachfragerinnen ist bereit, sich darum zu bemühen, um dann ihre Dienstleister kompetent zu beauftragen.

Hinzu kommt der bisher noch eher geringe bzw. unklare finanzielle Nutzen. Einsparungen ergeben sich aktuell vor allem durch die Optimierung des Eigenverbrauchs. Dynamische Stromtarife oder die Nutzung von Flexibilität, welche EMS ermöglichen, bietet die Stromwirtschaft aktuell nicht an. Der geschlossene Markt und die noch wenig digitalisierten Verteilnetze stehen dem entgegen.

Da EMS keine primäre Massnahme der Mustervorschriften Kantonaler Energieplanungen (MuKEN) sind, gibt es zudem keine Vorgaben und finanzielle Förderungen sind auch nicht verfügbar. Die Studie der EPFL identifiziert die Komplexität auf der Anbieter- sowie Anwenderseite als wichtigste Barrieren für die Verbreitung von EMS, gemeinsam mit der Rentabilität, die als eher gering eingeschätzt wird.

 Wer nutzt diese Systeme denn bereits? Gibt es da ein Muster?

Maria Anna Heche forscht im Labor für Mensch-Umwelt Beziehungen in Urbanen Systemen der EPFL Bild: © Miriam Raneburger

Maria Anna Hecher: Ja, das sind in der Regel Einfamilienhausbesitzer und -innen, die in einer Partnerschaft mit Kindern leben und ein höheres Bildungsniveau sowie Haushaltseinkommen haben. Wer EMS anwendet, ist gegenüber erneuerbaren Energien positiv eingestellt, strebt nach Energieunabhängigkeit und will seinen Eigenverbrauch optimieren. Anwender und Anwenderinnen fühlen sich in der Lage, mit EMS umzugehen und geben an, genügend Informationen darüber zu haben. Dennoch: Die finanzielle Attraktivität von EMS wird als eher niedrig wahrgenommen.

Energiemanagementsysteme können eine zentrale Rolle spielen für die Energiezukunft. Sie können Stromnetze entlasten, indem sie den Betrieb nicht benötigter Geräte regulieren. Dennoch sind die Anwenderinnen und Anwender noch zurückhaltend. Besteht ein Informationsdefizit – auch zur Rentabilität?

 Matthias Galus: Ja, es besteht sicherlich ein Informationsdefizit auf Seiten der Nutzer beziehungsweise Nachfragerinnen, und dadurch bleiben viele Möglichkeiten für die Transformation ungenutzt. Eine Möglichkeit ergibt sich immer dann, wenn Photovoltaik-Anlagen oder Wärmepumpen neu installiert werden oder bei Gebäudesanierungen, immer dann, wenn sich Konsumenten und Konsumentinnen mit dem Thema der Optimierung befassen. Hier gilt es zeitgleich über Chancen der EMS zu informieren, die Wirtschaftlichkeit darzulegen und über den Nutzen zu informieren.

Wichtig ist auch, die Komplexität für die Nutzer und Nutzerinnen zu reduzieren, beispielsweise über Leitfäden zur Interoperabilität oder wie eine Systemintegration aussehen könnte. Potentielle Nachfrager und Nachfragerinnen dazu mit erfahrenen EMS-Nutzer und Nutzerinnen zusammenzubringen, kann die Adoption von EMS stark unterstützen, indem positive Erfahrungen zugänglich gemacht werden. Das kann auch digital erfolgen, beispielsweise über Apps. Wichtig: Die Informationen müssen niederschwellig, einfach und möglichst konkrete Handlungsansätze für Interessenten bereitstellen. So können Barrieren abgebaut werden.

Welche Rolle spielen die Anbieter von solchen Energietechnologien oder auch Energieversorgungsunternehmen oder Stromnetzbetreiber? Insbesondere letztere dürften daran interessiert sein, dass das Stromnetz nicht überlastet wird.

Matthias Galus: Die Anbieter von Energietechnologien sind die erste Anlaufstelle für Anwendern und Anwenderinnen. Dabei spielen die lokale Nähe und das Vertrauen eine wichtige Rolle. Hier kommen Netzwerkeffekte zum Tragen. Die lokalen Anbieter sind vor allem gefragt, wenn es um Interoperabilität und Systemintegration geht. Das muss einfacher werden, und die Interessierten sollten dabei möglichst wenig Aufwand und Kosten haben. Je höher die Komplexität zur Vernetzung wird, desto weniger werden sich Konsumenten und Konsumentinnen darauf einlassen. Ihr Leben soll ja einfacher und bequemer werden – Stichwort «Plug&Play». Davon sind wir noch sehr weit entfernt.

Stromnetzbetreiber haben sicher auch ein Interesse daran. Aber Flexibilität wird heute noch nicht in die Netzplanung und den Netzbetrieb einbezogen – obwohl seit Jahren darüber sinniert wird. Stromnetzbetreiber sind sicherlich auf absehbare Zeit nicht die Treiber zur Verbreitung von EMS, könnten aber über dynamische Tarife Anreize setzen, denn dann bestünde ein spürbarer wirtschaftlicher Anreiz zur Energieoptimierung. Das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung gibt hierzu erstmals regulatorische Vorgaben, da die Branche in den letzten Jahren nicht selber tätig wurde.

Dieses Jahr finden wieder die Powertage statt. Es ist eine Messe, an der sich die Strombranche präsentiert. Eignen sich solche Veranstaltungen auch als Katalysator?

Matthias Galus: Die Studie zeigt, dass Veranstaltungen wie die Powertage vor allem die verschiedenen Akteure auf der Angebotsseite zusammenbringen. Sie ist eine wichtige Veranstaltung, um die Anbieter zu sensibilisieren, welche Barrieren es in der Adoption zu überwinden gibt. Hier können die Anbieter sich vernetzen und gemeinsam Ansätze identifizieren, wie die Komplexität für Anwender und Anwenderinnen reduziert werden kann. Mit solchen Ansätzen und entsprechenden, konkreten Massnahmen gilt es dann, Interessierte abzuholen im direkten Austausch aber auch über digitale Kanäle, die zum richtigen Zeitpunkt aktiviert werden.

Die technischen Aspekte dieser Energietechnologien sind nicht das Thema der Studie, sondern Anwenderinnen und Anwender stehen im Zentrum. Warum dieser Fokus? Was war die Motivation dafür?

Maria Anna Hecher: In unserer Studie wird der Frage nachgegangen, inwieweit EMS verbreitet sind, welche Akteure eine Schlüsselrolle einnehmen und was die Barrieren sind, die auf potentielle Anwender und Anwenderinnen einwirken. Hier spielen neben den technischen, vor allem die verhaltens- und soziopsychologischen Aspekte eine Rolle. Es braucht nicht nur technische Innovationen, sondern die Akzeptanz und den Umsetzungswillen auf der Seite der Anwender und Anwenderinnen. Die Studie geht erstmals diesen Aspekten nach und zeigt darüber hinaus, wie stark räumliche und soziale Netzwerkeeffekte wirken können.

Zum Schluss ganz konret: Welche 3 Massnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden, damit das Potential EMS genutzt wird?

Maria Anna Hecher: Momente, in denen angepackt wird, gibt es nur selten innerhalb eines Gebäudelebenszyklus – etwa bei einer Gebäudesanierung oder der Installation einer Photovoltaik-Anlage. Diese müssen genutzt werden. Dabei spielen Energietechnologieanbieter sowie Installateure und Architekten eine Schlüsselrolle beim Angebot von Technologiebündeln oder später leicht erweiterbaren Systemen. Sie sind ein wichtiger Treiber für die Integration der Systeme. Die Akteure (Energietechnologieanbieter, Installateure und Architekten) müssen auf ihre Einflussmöglichkeiten bezüglich Systemintegration auf lokaler Ebene aufmerksam gemacht werden. Die Anbieter von EMS sollten über Verbände und Veranstaltungen mit Installateuren und Architekten und Architektinnen vernetzt werden, sodass die Sensibilisierung zur Nutzung von EMS und die Reduktion technischer Barrieren stattfinden können und die Systemintegration letztlich auch umgesetzt wird

Matthias Galus: Zunächst würde ich den Aufbau eines digitalen Analysetools sehen, das Anwender und Anwenderinnen bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit von EMS unterstützt. Dieses könnte mit den bestehenden Applikationen sonnendach.ch und Heizkostenrechner.ch verknüpft werden. Sodann gilt es Grundlagen zu schaffen, die Anwender und Anwenderinnen dabei helfen die Komplexität von EMS zu reduzieren oder zu managen, beispielsweise mit einfachen Step-By-Step Leitfäden. Das steigert die Nachfragekompetenz. Zudem könnte man noch versuchen, Interessierte mit Anwendern und Anwenderinnen aus dem näheren Umfeld zusammen zu bringen, um Netzwerkeffekte zu verstärken.

Hier finden Sie die InnoNet-Energy Broschüre in Deutsch, Englisch, Französisch.

Text und Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie BFE
Grafik: Energie Zukunft Schweiz

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