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Technisches Wunderwerk oder Tourismus-Koloss?


Letzte Woche feierte die Schweiz den Bau des Gotthardtunnels als Werk schweizerischer Ingenieurkunst sowie als Umsetzung einer wahrhaft zukunftsgerichteten Vision zur Positionierung der Schweiz in Europa. Gelobt wurde zurecht der Mut der Politik zur Realisierung dieses wichtigen Infrastrukturwerks, welche auch mit Blick auf Umwelt sowie Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene pionierhaft ist. Alle sind happy, viele sind stolz und wir wissen, dass wir Schweizer eben ein wenig anders als die andern sind.

Ebenfalls in diesem Jahr wird ein zweites grosses Infrastrukturprojekt mit einem Investitionsvolumen von mehr als 2,1 Milliarden Franken erstmals für die Stromproduktion genutzt. Auch dieses wurde lange als Zeugnis cleverer schweizerischer Ingenieurskunst gerühmt sowie zu Beginn als mutiges Beispiel des Einbringens der Schweiz in die europäische Netzinfrastruktur gelobt: Das Pumpspeicherwerk Limmern.

Vor zwei Wochen fand die Vernissage (Bild oben: e.huber) einer Fotoausstellung zu diesem Bau in der inzwischen zum Gewerbezentrum Linthpark umgenutzten Spinnerei Linthal statt. Der Glarner Fotograf Fridolin Walcher stellt seine Bilder unter das Motto „Die Pyramide am Berg„. Walcher hat in den letzten Jahren den Wandel des Industriekantons Glarus in vielen Reportagen festgehalten, beispielsweise bebilderte er gekonnt die Demontage von Spinnereimaschinen in Linthal und deren Wiederaufbau in Südamerika.

Ursprünglich war er denn auch von Axpo mandatiert worden, den Bau des Grossprojekts Limmern fotografisch zu begleiten und zu dokumentieren. Doch dieser Auftrag wurde ihm von der Axpo-Projektleitung nach einiger Zeit entzogen, da ja auch eigene Leute periodisch den Baufortschritt festhalten könnten. Als er bei Bauende bat, die Fertigstellung auf eigene Kosten bildlich zu dokumentieren, sei ihm dies von den Zuständigen der Axpo verweigert worden.

Zusammen mit der Zeitschrift Hochparterre und diversen Sponsoren präsentiert Walcher nun die Bilder dieses gewaltigen Baus in einer urtümlichen alpinen Landschaft. Es sind Bilder von Ingenieuren, Baumaschinen, Druckleitungen, Seilbahnen mit angehängten Baggern, Stollen und katakombenähnlichen Hallen aber auch von der Veränderung der Landschaft. Es sind faszinierende Aufnahmen, welche Bauingenieuren sowie Technikfreaks die Herzen höher schlagen lassen, aber auch den doch grossen Eingriff in die Natur dokumentieren. Als Kontrast dazu präsentiert Walcher in einem zweiten Raum Bilder unberührter Landschaften, wobei er aufzeigt, dass sich auch diese im Laufe der Zeit durch Erdrutsche, Verwehungen, Pflanzen, Bäume etc. ändern, dass es auch da kein natürliches, stabiles Gleichgewicht gibt (das ist wohl definitiv ein Wunschbild nur der Ökonomen).

Das Projekt Pumpspeicherwerk Limmern war vor zehn Jahren mit grossen Erwartungen gestartet worden, obwohl schon damals Ökonomen die langfristige Rentabilität bezweifelt hatten. Im Verwaltungsrat der Axpo setzten sich die Ingenieure zusammen mit den Regionalpolitikern durch: Pumpspeicherung versprach hohe Renditen, weil die Preisdifferenz zwischen Tag- und Nachtstrom gross war und ein Export zu Mittagszeit nach Deutschland sowie Italien als sicheres Businessmodell galt. Der Bau brachte für beinahe zehn Jahre viel Wertschöpfung und Beschäftigung in dieses Tal – längerfristig winkte zudem eine schöne Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze in dem vom Strukturwandel stark betroffenen Kanton.

Doch dieses Businessmodell hat inzwischen stark gelitten, ob Limmern wie auch Nant de Drance je profitabel sein werden, ist umstritten. So meint denn auch im Sonderheft des Hochparterre zu dieser Ausstellung der streitbare Energieexperte Heini Glauser, dass kaum jemand diesen „Koloss von Linthal“ wirklich brauche: der Übergang zu dezentraler Energieproduktion mache derartige Grosseinrichtungen überflüssig oder zumindest auch in langer Frist unrentabel. Er prophezeit, dass ähnlich den Pyramiden das Pumpspeicherwerk Limmern höchstens für den Tourismus interessant sein könne und hoffentlich schon bald viele, viele Cars voller Touristen aus aller Welt das attraktive aber nutzlose Monument zuhinterst im Glarnerland bestaunen werden.

Wenn ich mit meinem deutschen Kollegen Staatsekretär Rainer Baake spreche, dann höre ich eine deutlich andere Einschätzung: Spätestens ab Mitte der Zwanzigerjahre werde Deutschland wegen des Zubaus fluktuierender erneuerbarer Energien auf grosse Speicher angewiesen sein – die Pumpspeicherung sei dabei bis jetzt noch immer die kostengünstigste Speichervariante. Ja, Deutschland sei daran interessiert, mit der Schweiz auf diesem Gebiet eng zusammenzuarbeiten.

Unabhängig von der Frage der Zukunft der Pumpspeicherung ist die Ausstellung „Die Pyramide am Berg“ mit den Fotografien von Fridolin Walcher im Linthpark Linthal sehenswert. Sie ist noch bis zum 17. Juni von Mittwoch bis Sonntag nachmittags geöffnet.

Walter Steinmann, Direktor BFE

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