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Die Windenergie ist eine der ältesten vom Menschen genutzten Energieformen. Ein Österreicher soll der erste gewesen sein, der eine Windanlage zur Stromerzeugung baute. Ende 2023 produzierten in Österreich 1426 Anlagen 8 Terawattstunden Strom. Energeiaplus mit einem Blick auf den Stand der Windkraft in unser Nachbarland.

«Die erste belegte windbetriebene Anlage zur Stromerzeugung errichtete 1883 der österreichische Ingenieur Josef Friedländer anlässlich der Internationalen Elektrizitätsausstellung 1883, sie stand im Eingangsbereich des Ausstellungsgeländes vor der Rotunde im Wiener Prater.» So steht es auf Wikipedia.

Bis der Wind in Österreich dann tatsächlich für die Stromproduktion genutzt wurde, dauerte es aber noch. Die erste Windkraftanlage Österreichs ging zwar 1994 ans Netz. Doch, so heisst es auf der Homepage der IG Windkraft, waren «Österreichs Meteorologinnen und Meteorologen bis vor etwa 20 Jahren der Meinung, dass es hierzulande nicht genügend Wind gibt, um damit in grossem Stil Strom zu erzeugen». Erst 2002 startete der Windkraftausbau dann richtig. Ab dann regelte ein Ökostromgesetz die Stromerzeugung durch Windkraftanlagen. Damit wurde auch die Grundlage für die Förderung von Ökostrom gelegt. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurde die Förderung von Ökostrom auf eine neue Basis gestellt, um erneuerbare Erzeugungskapazitäten im Ausmass von 27 TWh bis 2030 zu errichten. Davon sollen 11 TWh aus Windkraft stammen, welche (beinahe) ausschliesslich über Marktprämien gefördert werden.

Im vergangenen Jahr wurden in Österreich 70 neue Windenergieanlagen errichtet. Insgesamt waren Ende 2023 1426 Anlagen in Betrieb. Das zeigt die Statistik zur Marktentwicklung der innovativen Energietechnologien. Die 8 TWh Jahresproduktion entsprachen rund 12% des österreichischen Stromverbrauchs oder dem Verbrauch von 2,55 Millionen Haushalten. Die Windanlagen konzentrieren sich zu einem grossen Teil auf die Region Niederösterreich und auf das Burgenland.

Was begünstigt in Österreich den Zubau? Wo sind Hemmnisse? Und wie sieht die Wind-Zukunft in Österreich aus? Energeiaplus hat bei Marie-Theres Thöni nachgefragt. Sie leitet die Abteilung Erneuerbare Energie Erzeugung im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Energeiaplus: Bis 2030 sollen laut IG Windkraft 1150 Windräder mit einer Leistung von 6900 MW dazukommen. Wie kommt der Zubau voran?

Marie-Theres Thöni leitet die Abteilung Erneuerbare Energie Erzeugung im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; Bild: zvg Marie-Theres Thöni

Marie-Theres Thöni: Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurden die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen und ein langfristig stabiles Investitionsklima für den Ausbau der Windkraft in Österreich geschaffen. Bislang werden rund 800 MW an Windkraftleistung mittels Marktprämie gefördert.

Die im Gesetz festgelegte Mindestmenge an förderbaren Leistungen betragen jährlich 400 MW. Damit kann die gesetzlich verankerte Zielerreichung für Windkraft von +10 TWh bis 2030 erreicht werden.

Die ersten Ausschreibungen für die Förderung mittels Marktprämie haben Ende 2022 stattgefunden und laufen seitdem mehrmals jährlich. Wir sind daher zuversichtlich, dass die gesetzten Ziele des Windkraftausbaus in Österreich realisierbar sind. Obgleich es natürlich noch einige Herausforderungen gibt.

Sie sprechen die Herausforderungen an. Wo sind denn in Österreich die grössten Hemmnisse bei der Planung und Realisierung von Windanlagen?

Die grössten Hemmnisse sind sowohl auf der rechtlichen als auch der technischen Ebene zu finden. Zum einen müssen Genehmigungsverfahren weiter beschleunigt werden, z.B. durch die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) sowie mehr Flächenausweisung für den Windkraftausbau. Hier bedarf es jedoch, durch den hohen Grad an Kompetenzen der Bundesländer wie z.B. dem Raumplanungsrecht, sehr intensiven und feingliedrigen Abstimmungen zwischen dem Bund und den Bundesländern.

Problembereiche auf der technischen Seite sind mangelnde Netzanschlusskapazitäten sowie teilweise auch längere Lieferzeiten von Windkraftanlagen oder die Logistik dahinter. Der Netzausbau sowohl im Verteil- als auch im Übertragungsnetz hat mit dem raschen Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung nicht Schritt halten können. Dadurch können Projekte erst später realisiert werden. Zwar wird intensiv an Lösungen für den beschleunigten Netzausbau gearbeitet. Verständlicherweise sind solche grossen Infrastrukturprojekte und Investitionen mit einer mittel- bis langfristigen Perspektive zu sehen.

Die meisten Windkraftanlagen stehen im Burgenland und in Niederösterreich. Ist diese Region besonders wind-affin?

Grundsätzlich ist Österreich was die Potentiale für die Windkraft angeht, sehr gut aufgestellt. Es gibt sowohl in den östlichen aber auch westlichen Regionen hohe Potentiale für Windkraft. Wie sie bereits in Ihrer Frage richtig gesagt haben, haben wir aktuell in Österreich eine Art Ost/West-Gefälle was den Windkraftausbau angeht.

Es stimmt, dass Niederösterreich und das Burgenland mitunter die besten und durch die Topographie (meist Flachland) die windhöffigsten und am einfachsten zugänglichen Flächen für Windkraft haben. Allerdings wird auch seit langem gerade in diesen zwei Bundesländern auch auf politischer Ebene der Wert und das volkswirtschaftliche Potential der Windkraft für die Regionen sowie das Gesamtsystem erkannt. Daher haben diese Bundesländer schon früh Zonen für Windkraft implementiert und konnten so eine Vorreiterrolle einnehmen. Für den Ausbau spielen neben der technischen Ebene auch die die politische Ebene sowie die Akzeptanz der Bevölkerung eine wichtige Rolle.

Wie wird die Bevölkerung ins Boot geholt?

Seitens der österreichischen Windkraftbranche und den Betreibern und Betreiberinnen sowie den Betreiberfirmen vor jedem neuen Projekt gibt es intensive Gespräche mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen der Projektgemeinden sowie Informationskampagnen. Zusätzlich werden auch regelmässig bei der Inbetriebnahme von Windparks Events und Feste für die ansässigen Bewohner veranstaltet. Dadurch werden offene Fragen, Diskussionen aber oftmals auch Sorgen der BewohnerInnen ausgeräumt. Durch die Möglichkeit, die Anlagen auch zu besichtigen wird ein Naheverhältnis und oftmals auch eine Faszination für die Windkraft erzeugt.

Zudem gibt es Bundesländer wie das Burgenland, wo gesetzliche Abgaben an das Bundesland und die Gemeinden festgelegt sind, um wichtige Investitionen in den Gemeinden zu finanzieren. Darüber hinaus bieten einige Betreiberfirmen die Möglichkeit an, sich direkt an Projekten oder über Anleihen und Aktien an der Windkraft auch finanziell zu beteiligen. Dadurch wird neben den finanziellen Investitionsmöglichkeiten nochmal eine persönliche Verbindung zur Windkraft hergestellt.

Welche Einsprachemöglichkeiten bestehen – z.B. für die direkt betroffene Bevölkerung oder für Umweltorganisationen? Wie werden sie genutzt?

Die meisten Projekte in Österreich fallen in die rechtliche Betrachtung des Umweltverträglichkeitsgesetzes. Darin ist auch geregelt, wie die Parteien während des ganzen Verfahrens Stellung nehmen können respektive Einwände vorbringen können.

In Zukunft sollen durch die nationale Umsetzung der Erneuerbaren Energie Richtlinie RED III der Europäischen Union Genehmigungsverfahren verschlankt werden. Mit den zukünftigen „Beschleunigungsgebieten“ (Gebiete, die speziell ausgewiesen wurden) werden bereits vorab im Rahmen der Zonierung Umweltverträglichkeit und der Schutz von Fauna und Flora überprüft und Ausschlusszonen bestimmt. Dadurch wird es für Projekte und Behörden einen reduzierten Prüfaufwand geben. Jedoch wird es auch hier zuverlässige Elemente in Genehmigungsverfahren geben, um sämtliche relevante Interessensgruppen einzubinden.

In der Schweiz weht den Windkraftanlagen ein steifer Wind entgegen. Argumente der Kritiker und Kritikerinnen sind unter anderem das Landschaftsbild, die Nähe zu bewohntem Gebiet, Zweifel am effektiven Umfang der Windproduktion oder die Gefahr für Vögel. Angesichts des Zubaus in Österreich entsteht der Eindruck, in Österreich gebe es nicht so viel Gegenwind. Stimmt dieser Eindruck?

Die Frage der Akzeptanz der Windkraft ist in Österreich differenziert zu sehen. Umfragen zeigen, dass besonders in Gebieten, wo es Windkraft gibt, diese zum Landschaftsbild gehören und dort auch eine hohe Zustimmung für Windkraft erreicht wird. Wichtig ist hier die regionale Verankerung der Betreiberfirmen und die aktive Kommunikation mit der Bevölkerung. Es wurde auch schon wissenschaftlich gezeigt, dass in den letzten Jahren trotz Windkraftausbau in bestimmten Gebieten die Population diverser Vogelarten gleich geblieben oder sogar gestiegen ist. All diese Faktoren begünstigen die Akzeptanz der Windkraft.

Trotzdem muss man eingestehen, dass in Regionen mit wenig bis keiner Windkraft, noch sehr viel an Überzeugungsarbeit für neue Projekte zu leisten ist.

Noch wenig Windkraft gibt es in den weiter westlich gelegenen Bundesländern (Gebiete Richtung Schweiz)? Wird die Windenergienutzung künftig auch dort ausgebaut?

Auch in Bundesländern abseits von Niederösterreich oder dem Burgenland werden Schritte zu einem Windkraftausbau gesetzt. Beispielsweise hat die Steiermark bereits eine eigene Windkraftzonierung und auch schon mehrere Windparks errichtet. In anderen westlicheren Bundesländern wie Tirol wurden vor kurzem aktuelle Windmessungen durchgeführt, um eine Potentialabschätzung machen zu können, was eine Grundlage für mögliche Zonierungsgebiete sein wird.

Darüber hinaus muss Österreich sein westliches Windpotential nützen, um die von der Europäischen Union gesetzten Klima – und Energieziele zu erreichen. Gerade die Windkraft deckt, bereits jetzt und wird das in Zukunft immer stärker tun, Lücken in der Erzeugung in den Wintermonaten ab. Das heisst also in Zeiten, in denen PV und Wasserkraft weniger erzeugen können.

Seitens des Klimaschutzministeriums wurde zudem ein Konsortium aus spezialisierten Unternehmen mit Unterstützung der ESA (Europäische Raumfahrtbehörde) zur Aktualisierung des bestehenden Windatlas beauftragt. Ziel der Aktualisierung ist, über ein kürzlich entwickeltes Tool sowohl die in Österreich vorhandenen wissenschaftlich ermittelten Windpotentiale inklusive relevanter Geländeinformationen auf den heutigen Wissensstand zu bringen und darzustellen. Damit soll in interaktiver und benutzerfreundlicher Weise eine Abschätzung über mögliche neue Projekte ermöglicht und online zugänglich gemacht werden. Gerade in dem Bereich wird das Tool für viele Stakeholder Barrieren in der Projektplanung bzw. Abschätzung beseitigen. Dieses Tool kann natürlich auch für andere Länder angewendet werden, sofern die Datenbasis gegeben ist.

Welche Rolle spielt die Förderung im Zusammenhang mit dem Zubau?

Gerade im Bereich der Windkraft sind Investitionssummen in Millionenhöhe für neue Windparks auch in Österreich eher die Regel als die Ausnahme. Daher ist es wichtig für Banken und Investoren aber auch für Windkraftbetreiber, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Risiko aus den Projekten zu nehmen. Dabei spielt die staatliche Förderung von Windkraft eine wichtige Rolle. Durch die Marktprämienförderung wird ein möglicher Verlust beim Stromverkauf am Markt durch zu niedrige Preise kompensiert. Das bietet eine wichtige Absicherung für Projekte.

In Österreich werden nicht nur neue Windanlagen gebaut, es werden auch alte abgebaut. In den letzten Jahren waren es rund 100. Warum?

Wie bereits erwähnt gibt es seit rund 30 Jahren in Österreich Windkraft. In den letzten 5 bis10 Jahren gab es dabei enorme Technologiesprünge, besonders was die Leistung einzelner Anlagen angeht. Während vor ein paar Jahren die Leistung einer Standardanlage noch bei rund 3 MW lag, bewegen wir uns mittlerweile im 5 bis 7 MW Bereich. Gerade in Österreich bzw. Onshore ist derzeit meistens die Logistik und Transport der limitierende Faktor, was die Grösse neuer Anlagen angeht.

Aufgrund der letzten technologischen Entwicklungen und teilweise auch dem Lebenszyklusende vieler Anlagen, haben viele Betreiber beschlossen, alte Anlagen auszutauschen bzw. zu Repowern. Mögliche Gründe, warum Anlagen weiter in Betrieb bleiben oder ausgetauscht werden, liegen natürlich in Strategieentscheidungen der Betreiberfirmen.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: Windenergieanlagen im Burgenland, Österreich; Shutterstock;
Stock-Foto ID: 706977850; Zoltan Tarlacz

 

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Es ist eine wichtige Wegmarke in der Geschichte der Energiepolitik der Schweiz: Das Parlament hat sich in der Herbstsession 2023 auf einen Kompromiss im Energie-Mantelerlass geeinigt und somit den Weg geebnet für eine höhere Stromproduktion mit Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen im Inland. In allen Stromproduktionsbereichen soll es künftig an bestimmten Standorten einen Vorrang gegenüber dem Naturschutz geben. Damit soll in Zukunft mehr erneuerbare Energie produziert werden und somit auch einem Strommangel im Winter vorgebeugt werden. Weiterlesen

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Diese Woche findet vom 25.-29.09.2023 die 67. Generalkonferenz (GK) der IAEA in Wien statt. Im Zentrum des Interesses der Schweiz stehen traditionell die Themen der nuklearen Sicherheit, Sicherung und Safeguards sowie die technischen Anwendungen und Kooperationen, welche zu den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Vereinten Nation (UN) beitragen. Im Fokus der diesjährigen
Generalkonferenz steht u.a. der andauernde militärische Konflikt Russlands mit der Ukraine. Für die Schweiz war die Konferenz auch wichtig, um zahlreiche bilaterale Treffen durchzuführen. Weiterlesen

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Stromabkommen, IEA, internationale und EU-Energiepolitik: Wenn es um internationale Aspekte der Schweizer Energiepolitik geht, dann weiss Jean-Christophe Füeg Bescheid. Als Leiter Internationales im Bundesamt für Energie hat er die Schweiz in zahlreichen Gremien vertreten. Ende 2013 wurde er zum Botschafter ernannt. Nun wird Jean-Christophe Füeg pensioniert. Energeiaplus schaut mit ihm auf seine Zeit als BFE-Energiebotschafter zurück.

Energeiaplus: Sie sind 2001 zum BFE gekommen. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Dossier?

Jean-Christophe Füeg vertrat die Schweizer Energiethemen im Ausland. Bild: BFE

Jean-Christophe Füeg: Durchaus. Ich musste ein Referat zur Schweizer Energiepolitik in Brüssel vorbereiten. Da ich aus dem Ausland kam und wenig über die Schweiz wusste, sagte mir mein Chef, ich solle mir Zeit nehmen. Nach zwei Wochen legte ich ihm die Powerpoint-Präsentation vor. Er schreckte auf und meinte: Mit «Zeit nehmen» habe er sich zwei Monate vorgestellt. Wenige Monate später durfte ich zusätzliche Aufgaben von intern freigewordenen Stellen übernehmen und wurde unter anderem als Referent nach Armenien, ans George Marshall Center für Sicherheitsstudien und nach Bolivien eingeladen (diese Reisen habe ich übrigens mit Flugmeilen aus meinem früheren Job bezahlt).

Gut 20 Jahre waren Sie Leiter Internationales im BFE. Was sind die grössten Veränderungen, die Sie erlebt haben?

Eindeutig die fortschreitende weltweite Energiewende und die damit einhergehende Komplexität. 2002 konnten die westlichen Länder beim Welt-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg nicht einmal ein «Erneuerbaren-Ziel» festschreiben. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit.

Was macht der Leiter Internationales denn genau?

Er vermittelt im Ausland die Schweizer Energiepolitik, vertritt die Schweiz in internationalen Gremien und verhandelt mit der EU oder einzelnen Ländern. Und er leitet Energiedialoge mit einer leider immer kleineren Anzahl Länder. Unter Bundesrätin Leuthard hatte die Cleantech-Exportförderung mit unzähligen Delegationsreisen einen hohen Stellenwert.

Was war das schwierigste Dossier in Ihrer Berufskarriere? Das Stromabkommen, das die Schweiz mit der EU anstrebt? Auf youtube finden sich Videos, in denen Sie den Standpunkt der Schweiz darlegen.

Schwierig war das Stromabkommen an und für sich nicht. Doch gewisse Interessengruppen haben es schwierig gemacht, indem sie ständig mit unerfüllbaren Sonderwünschen aufwarteten und nicht begreifen wollten, dass die Schweiz in Europa nicht einzigartig ist. Bis 2012 hätte das Stromabkommen mit etwas Kompromisswillen abgeschlossen werden können. Als die EU das Stromabkommen an institutionelle Lösungen (institutionelles Rahmenabkommen) knüpfte, wurde das Stromabkommen in Geiselhaft genommen. Seit der letzten Verhandlungsrunde im Juli 2018 ging es vor allem um Schadensbegrenzung. 15 Jahre Verhandlungen ohne Abschluss sind eine ungeheure Verschwendung.

In einem Artikel der «Finanz und Wirtschaft» vom Juni 2019 werden Sie zitiert. «Wir könnten das Stromabkommen innert zwei Tagen fertig verhandeln.» Ein Abschluss des Stromabkommens war damals aber nicht in Sicht. Wie gehen Sie mit solchen Erfahrungen um?

«Nicht in Sicht» würde ich mit Blick auf die jüngsten Entscheide des Bundesrats  relativieren. Manchmal kann es intellektuell stimulierend sein, tagelang zu recherchieren, um irgendwo in Europa einen Tatbestand zu finden, der als Argument für eine Schweizer Extrawurst herhalten könnte. Aber irgendwann erlahmen auch solche Anreize, da letztlich dafür kaum Erfolgschancen bestehen.

Ein wichtiger Akteur, mit dem Sie oft zu tun hatten, war die Internationale Energieagentur (IEA). Die IEA bewertet regelmässig die Energiepolitik von Mitgliedsländern im Rahmen der sogenannten Tiefenprüfung. Dabei wurde auch schon Kritik laut, es handle sich dabei um einen Werbespot für die nationale Energiepolitik. Was sagen Sie dazu? Erst letztes Jahr haben die internationalen ExpertInnen die Schweiz ja erneut unter die Lupe genommen.

Die Resultate der neuen Tiefenprüfung der Schweiz wurde am Tag nach dem Klimagesetz-Referendum bei der IEA besprochen und rief viele Fragen anderer Staaten hervor. Im Spätsommer wird diese durch Bundesrat Rösti und IEA-Exekutivdirektor Birol veröffentlicht. Tiefenprüfungen sind ein Wechselspiel zwischen dem untersuchten Land und den besuchenden Experten. Ein Werbespot sind sie indes nicht. So beanstandet die IEA seit Jahrzehnten, dass Brennstoffe in der Schweiz mit einer CO2-Abgabe belegt werden, Treibstoffe (Benzin und Diesel) aber weitgehend ungeschoren davonkommen.

Inwiefern haben Ereignisse wie Fukushima oder der Ukraine-Krieg Ihre Tätigkeit beeinflusst?

Fukushima wirkte sich vor allem im Inland aus – mit dem Entscheid zum schrittweisen Atomausstieg.  Nur Deutschland traf einen ähnlichen Entscheid. Ansonsten hinterliess Fukushima in der internationalen Energiepolitik wenig Spuren. Ganz anders bei der Ukraine-Krise und den immer noch laufenden Bestrebungen, die Schweiz vertraglich in der europäischen Gaslandschaft abzusichern, mit bis anhin durchwachsenen Ergebnissen.

Ende 2013 hat der Bundesrat Sie zum Botschafter ernannt. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihre Tätigkeit?

In Europa, null, denn man kennt sich; oder es kann sogar das Gegenteil bewirken, bei Gesprächspartnern, die man noch nicht kennt und die  hinter dem Titel einen fachlich wenig beschlagenen Diplomaten vermuten. Ausserhalb Europas imponiert der Titel, manchmal dermassen, dass sogar langjährige Kollegen in Afrika sich weigerten, mich weiter zu duzen.

In Ihrem Editorial für das BFE-Magazin energeia haben Sie 2016 geschrieben: «Die Schweiz hat einen schwierigen Stand in der internationalen Energiepolitik.» Würden Sie das heute auch noch so sagen?

Die Isolation der Schweiz hat sich mit der fortschreitenden Integration in Europa und der Pandemie bedeutend verstärkt. Einzig im Pentaforum (Im Penta-Forum arbeiten die Energieministerien aus folgenden Ländern freiwillig zusammen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und der Schweiz und diskutieren Stromthemen und auch weitere Energiethemen wie Wasserstoff) werden wir noch als ebenbürtiger Partner wahrgenommen.

Zur Person:

Die BFE-Laufbahn von Jean-Christophe Füeg begann 2001. Er führte Verhandlungen mit der EU und internationalen Organisationen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) oder der UNO-Unter-Organisation Wirtschaftskommission für Europa. Er war zudem Leiter von Experten-Gremien zur Beurteilung der Energiepolitik von verschiedenen Ländern wie Indien, Indonesien, Chile, Kanada, Russland, Estland, Türkei, Kroatien, Mazedonien oder Mongolei.

Zuvor – von 1999 bis 2001 – war Füeg Leiter (Administrator) der Abteilung der Nicht-Mitgliedsorganisationen der IEA in Paris. Von 1998  bis 1999 war er Co-CEO von IHS Energy/Petrolconsultants Group für Öl und Gas. Von 1985 bis 1996 hatte er verschiedene Positionen im Bereich Erdölberatung in der ehemaligen Sowjetunion, Angola, Italien und Indonesien. Jean-Christophe Füeg hat ursprünglich Internationale Beziehungen, Russisch und Kunstgeschichte in Genf studiert.

Argumente wie «Die Schweiz als Stromdrehscheibe Europas» sind indes längst verpufft. Die Nordsee mit ihrem Windkraft- und Wasserstoff-Hub ist längst ein grösserer Faktor.  Man lächelt uns freundlich zu, aber wir werden kaum noch als Teil einer energiepolitischen Schicksalsgemeinschaft wahrgenommen.

Gut zehn Jahre ihres Berufslebens drehten sich um Erdöl. Sie haben zahlreiche Länder beraten. Reden Sie heute über diesen Energieträger anders als in den 1990er-Jahren?

Kaum. Hochentwickelte Länder können sich einen Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte Jahrhundert leisten – abgesehen von den grauen Emissionen unserer Importe. Ganz anders die Entwicklungs- und Schwellenländer.

Die IEA sieht den Zenit der Erdölförderung in wenigen Jahren. Danach wird die Förderung über viele Jahrzehnte langsam sinken. Selbst das tugendhafte Dänemark wird erst 2050, nachdem es das letzte Kohlenwasserstoffmolekül aus seinem Boden gepresst hat, die Förderung aufgeben. Jemand wird das Erdöl fördern, raffinieren und transportieren müssen. Wenn es nicht die von Aktivisten verteufelten Ölmultis sind, dann die mittelöstlichen, russischen oder chinesischen Staatsfirmen. Ob das für die Umwelt und die gute Regierungsführung von Vorteil ist?

An welche Begegnung während Ihrer Berufskarriere erinnern Sie sich besonders gern?

Viele, auch überraschende. Ein türkischer konservativer Energieminister, der mir nach einer langen Verhandlungsnacht mit einem High Five gratuliert. Ein chinesischer Energie-Vizeminister, der mich nach einer mehrstündigen Sitzung, für die ich eigens nach Beijing geflogen war und gegen den Schlaf kämpfte, umarmte. Der Präsident von Ghana, dem ich bei einem offiziellen Essen in 60 Sekunden den Erneuerbaren blockierenden Reformstau in seinem Land erklären konnte, so dass er umgehend seinen Minister schalt.

Nun werden Sie pensioniert. Wie wird das Thema Energie Sie weiterhin beschäftigen?

Ich bin zum Schluss gekommen, dass Energie zu anspruchsvoll ist, um sich nur im Teilpensum damit zu beschäftigen. Man wird schnell obsolet und schweigt dann lieber.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Foto: Brigitte Mader, BFE

 

 

 

 

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Welche Konzessionen sollen beim Naturschutz möglich sein, um mehr Strom zu produzieren? Und sollen Hauseigentümer und -eigentümerinnen verpflichtet sein, auf ihren Dächern Solarpanels zu installieren? Das waren die Fragen, die der Nationalrat in der Frühlingssession zu entscheiden hatte. Zur Debatte stand die Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes (auch Mantelerlass genannt), das den Ausbau der erneuerbaren Energien vorsieht. Weiterlesen

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Im Dezember 2021 unterzeichnete die Schweiz mit den Ländern des Pentalateralen Energieforums eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Stromkrisenvorsorge (Memorandum of Understanding on Risk Preparedness in the Electricity Sector). Dieses sieht vor, dass die Penta-Länder (Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und die Schweiz) regelmässig gemeinsame Übungen zur Bewältigung von Stromkrisen durchführen. Eine erste Übung hat am 24. Mai 2022 in Paris anlässlich der französischen Krisenübung «BLACK-OUT 22» erfolgreich stattgefunden (Medienmitteilung Penta-Forum). Weiterlesen

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