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„Die Branche ist in Bewegung“


Seit vier Jahren steht mit Daniela Decurtins eine Frau an der Spitze des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie (VSG). Im Interview spricht sie über die aktuellen Herausforderungen der Branche.

Ende September 2016 hat das Parlament die Energiestrategie 2050 in der Schlussabstimmung angenommen. Was bedeutet dieser Entscheid für die Gasbranche?
Die Energiestrategie 2050 ist sehr stark auf Strom fokussiert. Die Rolle, die Gas in der zukünftigen Energieversorgung spielen könnte, wird unterschätzt, denn aus unserer Sicht sind sowohl der Energieträger wie auch die Infrastruktur zentrale Elemente im Umbau unseres Energiesystems.

Inwiefern?
Unser Gasnetz kann im Unterschied zum Stromnetz Energie nicht nur transportieren, sondern auch speichern. Die erneuerbaren Energien, auf die wir in Zukunft vermehrt setzen, fallen unregelmässig an und die Speicherthematik wird immer wichtiger werden. Dank dem Power-to-Gas-Verfahren kann überschüssiger erneuerbarer Strom in Gas umgewandelt und in unserem Netz gespeichert werden. Auch aus CO2-Optik ist Erdgas, Biogas und erneuerbares Gas interessant.
Leider honoriert der Gesetzgeber die Anstrengungen der Branche, die Gasversorgung erneuerbar zu machen, nicht. Biogas, das zum Heizen verwendet wird, ist beispielsweise noch nicht anerkannt als erneuerbare Energie. Dabei wäre aus unserer Sicht die Gasversorgung ebenfalls ideal, um unser Energieversorgungsystem zu stabilisieren. Gas lässt sich hervorragend kombinieren mit PV oder Solarthermie, um Spitzen abzudecken.
Ebenfalls zu wenig Aufmerksamkeit schenkt die Energiestrategie dem Thema Wärme-Kraft-Kopplung. Wir bedauern das sehr, weil WKK-Anlagen insbesondere in den Wintermonaten dazu beitragen können, die Stromimporte zu reduzieren, da sie ja sowohl Wärme als auch Strom produzieren. Der importierte Strom stammt ja bekanntlich mehrheitlich aus deutschen Kohlekraftwerken.

In der Strombranche ist vieles in Bewegung geraten: neue Player mischen den Markt auf, neue Geschäftsfelder erschliessen sich. Erwarten Sie eine ähnliche Entwicklung für die Gasbranche?
Der Energieträger Gas und damit auch die Branche selber waren seit jeher dem Wettbewerb ausgesetzt und Innovationen waren immer ein Thema. Etwa bei der Effizienz von Gaskesseln oder im Biogasbereich, wo die Schweiz ja Pionierin ist. Zum anderen erzeugen neue gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebenen natürlich einen Veränderungsdruck. Unternehmen richten sich neu aus, Energie 360 in Zürich ist ein solches Beispiel, andernorts schliessen sich kleinere Unternehmen zusammen. Und die Querverbundunternehmen entdecken Themen wie Netzkonvergenz für sich und beginnen darin zu agieren. Zu erwähnen wäre da das Hybridwerk Aarmatt in Solothurn. Es ist also bereits viel in Bewegung in der Branche, und das wird sicher so weitergehen.

Wie bereitet sich die Branche auf diese Zukunft vor?
Wir müssen uns den aktuellen Herausforderungen stellen. Eine ist sicher, wie wir die Branche auf mehr erneuerbare Energien umstellen können. Hier stellt sich die wichtige Frage, wie wir erneuerbares Gas zu einem erschwinglichen Preis beschaffen können, wie die Wirtschaftlichkeit der Produktion von erneuerbarem Gas erhöht werden kann, welche Kooperationen dafür nötig und welche Produkte und Geschäftsfelder zukunftsträchtig sind. In dem Sinne stellen sich ähnliche Fragen wie in der Strombranche. Und natürlich müssen wir uns damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen die zunehmende Digitalisierung auf unsere Branche hat.

Die Erarbeitung eines Gasmarktgesetzes ist in den nächsten Jahren vorgesehen. Wie müssen die Rahmenbedingungen aus Sicht der Branche ausgestaltet werden?
Aus unserer Sicht muss ein neues Gasmarktgesetz schlank sein. Die regulatorischen Vorgaben sollten sich auf die Regelung des Netzzugangs beschränken. Dazu gehören die Netznutzung und die Netznutzungsentgelte. Wenn der Gesetzgeber mehr Vorgaben macht, laufen wir Gefahr, dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung im Markt kommt, die dem Energieträger Gas und letztlich auch dem Industriestandort Schweiz schadet. In diesem Kontext macht auch nur eine Teilmarktöffnung Sinn, da verschiedene energiepolitische Massnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden darauf abzielen, Erdgas aus dem Haushaltsbereich zu verdrängen.

Welche Vorteile kann ein solches Gesetz gegenüber der aktuell bestehenden Verbändevereinbarung bringen?
Aus unserer Sicht bestehen auf gesetzliche Ebene keine grossen Mängel. Das Problem ist, dass ein Interpretationsspielraum im Artikel 13 des Rohrleitungsgesetzes, der den Netzzugang reguliert, besteht. Die Verbändevereinbarung beinhaltet eine Teilmarktöffnung, diese kann aber nur der Gesetzgeber beschliessen. Das Gasmarktgesetz würde also in diesem Bereich die notwendige Rechtssicherheit schaffen. (his)

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