Herr V. aus S. im Kanton Schaffhausen fährt seit Anfang 2024 elektrisch. Nun haben er und seine Frau die erste Ferienreise mit dem E-Auto hinter sich. Die Abdeckung mit Ladestationen in den bereisten Ländern sei gut, schreibt er in seinem E-Mail ans Bundesamt für Energie (BFE). Geärgert hat er sich indes über die mangelnde Transparenz bei den Tarifen fürs Laden und bei der tatsächlich gelieferten Leistung der Ladestation. Weiterlesen
Schlagwortarchiv für: Europa
Nonproliferation – Verpflichtungen und Bemühungen der Schweiz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen – Teil 3
Die Schweiz setzt sich international dafür ein, dass Atomwaffen nicht weiterverbreitet und irgendwann vollständig beseitigt werden. Energeiaplus berichtet in einer dreiteiligen Blogserie, wie die Schweiz dieses Ziel umsetzt. In Teil 3 der Blogserie geht es um die Umsetzung der Safeguardsmassnahmen in der Schweiz. Weiterlesen
Aktuelle Energie-Infos neu auch via App abrufbar
Was kostet der Strom an der Börse? Woher kommt das Gas, das nach Europa transportiert wird? Wie viele Heizgradtage gibt es für Ihre Gemeinde? Das Energie-Dashboard des Bundesamts für Energie (BFE) liefert neu auch diese Informationen. Und dies auch via App für iPhone und Android. Weiterlesen
Wimby – Wie Windenergieanlagen nicht nur Projekte bleiben
Windenergieanlagen in der Schweiz sollen bis ins Jahr 2050 4,3 TWh Strom produzieren. Das entspricht 7 Prozent der heutigen durchschnittlichen Stromproduktion. Doch die Windkraft ist rauem Wind ausgesetzt, wenn es um die Realisierung von Anlagen geht. Das europaweite Forschungsprojekt „WIMBY“ (Wind In My BackYard) hat sich nun zum Ziel gesetzt, innovative und interdisziplinäre Tools zu entwickeln, die den Austausch zwischen den beteiligten Parteien von Windkraftprojekten fördern und die Lösungsfindung erleichtern sollen.
Wärmeversorgung: «Bis 2050 liegt noch einiges drin.»
Bis 2050 soll die Schweiz unter dem Strich klimaneutral werden. Im Gebäudebereich heisst das konkret, dass zahlreiche fossile Heizungen durch erneuerbare Systeme ersetzt werden müssen. Wie soll die Wärmeversorgung klimaneutral werden? Welche Rolle spielen Fernwärme und Wärmepumpen? Rita Kobler, Fachspezialistin für Erneuerbare Energien im Bundesamt für Energie hat in einem Interview für das Online-Magazin Klimadreh von IWB, das Energeiaplus hier ebenfalls publiziert, über Hindernisse, Chancen und Technologien gesprochen.
Paul Drzimala: Fangen wir mit ernüchternden Zahlen an: Gebäude machen in der Schweiz noch immer rund ein Drittel der CO2-Emissionen aus. Auch absolut ist die Zahl hoch. Warum?
Rita Kobler: Weil wir viel heizen. In der Schweiz liegt die Durchschnittstemperatur zwischen 12 und 16 Grad. Deshalb brauchen wir viel Energie zum Heizen. Zwar wird im Neubaubereich zum Glück immer mehr erneuerbar geheizt, aber bei Sanierungen hat es lange geharzt. Seit vier Jahren sieht man einen massiven Anstieg bei den Verkaufszahlen von erneuerbaren Heizsystemen. Aber wir haben halt etwa eine Million Einfamilienhäuser, 500?000 Mehrfamilienhäuser und noch einige Dienstleistungsgebäude. Die umzurüsten, da reichen 40?000 Wärmepumpen pro Jahr noch nicht.
Wir heizen also viel. Geht der Wärmebedarf aufgrund der Klimaerwärmung zurück?
Gemäss den Energieperspektiven des Bundes geht er zurück, aber weniger aufgrund des Klimas, sondern weil man Gebäude besser dämmt. Viele Altbauten sind schlecht gedämmt und verlieren viel Energie. Dann gibt es weitere Veränderungen wie Verdichtung und Bevölkerungswachstum, die zusammenspielen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass der Energiebedarf für Raumwärme – heute etwa 100 Terawattstunden pro Jahr – um etwa 30 Prozent zurückgehen wird. Ein grosser Teil aufgrund besserer Dämmung und des effizienteren Betriebs von Gebäuden. Inzwischen merken wir auch, dass die Digitalisierung wirkt. Es gibt zum Beispiel Lösungen der Ventilhersteller, die den Installationsfirmen helfen. Bis 2050 liegt da noch einiges drin.
Ein anderer positiver Befund sind die Verkaufszahlen. Insbesondere Wärmepumpen und Holzheizungen legen zu. Was treibt diese Entwicklung an?
Natürlich hat der Krieg in der Ukraine den Trend noch einmal verstärkt. Aber schon in den drei Jahren davor haben sich die Verkaufszahlen jährlich verdoppelt. Treiber sind einerseits das Gebäudeprogramm des Bundes und seine Fördermittel. Dann sind es die kantonalen Energiegesetze, die stetig verschärft wurden – Basel-Stadt ist da Vorreiterin. Ausserdem gibt es mehr Sensibilisierung und Beratung wie unsere Impulsberatungen beim BFE. Und schliesslich wird der Klimawandel immer sichtbarer. Wir sehen, wie die Gletscher zurückgehen, Jahr für Jahr zeigen sich neue Schäden: heute eine Flutkatastrophe, morgen ein Waldbrand. Das lässt die Eigentümerinnen und Eigentümer umdenken. Sie fragen konkret nach erneuerbaren Energien und wollen nichts mehr hören von Öl und Gas.
Auch wenn der Anteil von Öl- und Gasheizungen zurückgeht, werden sie noch immer verkauft. Wer kauft sie?
Der Kanton Zürich hat vor längerer Zeit eine Umfrage gemacht, und dort kam heraus, dass Alternativen oft schlicht nicht in Betracht gezogen wurden. Und wenn, haben die Installationsfirmen eher die Probleme als die Lösungen betont. Wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer nicht nachgehakt haben, war der Ersatz durch ein fossiles System schnell passiert. Das kippt langsam, auch wenn noch immer manche Menschen skeptisch gegenüber erneuerbaren Energien sind. Zudem gibt es echte Knacknüsse, gerade bei älteren Gebäuden. In denen wohnen oft Leute im Pensionsalter, die in den letzten Jahren tendenziell zu wenig investiert haben. Und wenn die jetzt das Heizsystem wechseln, wird das kurzfristig teuer. Es würde sich zwar langfristig amortisieren, aber sie können aufgrund der Tragbarkeit ihre Hypothek nicht mehr erhöhen. Das ist der finanzielle Aspekt. Bei Mehrfamilienhäusern kommt das Vermieter-Mieter-Dilemma zum Tragen. Die Mieterinnen und Mieter zahlen die Nebenkosten?…
… und die Eigentümerinnen und Eigentümer investieren, profitieren aber nicht.
Die Investitionen können sie abwälzen, das ist nicht das Problem. Das Problem ist der Hypothekarzinssatz. Man geht davon aus, dass viele Vermieterinnen und Vermieter mit den Mietzinsen nicht runter sind, obwohl der Hypothekarzins gesunken ist. Wenn aber eine Vermieterin oder ein Vermieter Investitionen auf die Mieten überschlagen will, braucht es eine Mietvertragsänderung. Weil dann auffallen würde, dass der Mietzins nicht angepasst wurde, investieren sie lieber nicht. Andere wissen gar nicht, wie das mit dem Umwälzen funktioniert. Es gibt viele Privatpersonen, die Mehrfamilienhäuser besitzen und Wohnungen vermarkten. Das sind nicht alles Immobilienhaie, die grossen Gewinn machen wollen. Aber sie wollen Stabilität und scheuen deshalb Veränderungen. Das merkt man auch im städtischen, dicht besiedelten Bereich, wo gemeinsame Lösungen oft die besten sind. Sich selbst zusammentun ist schwer; da muss eine Fernwärmebetreiberin da sein, die direkt eine Offerte vorlegt.
Ihr Spezialgebiet sind Wärmepumpen. Eignen die sich überall bei Sanierungen? Oder wird bei schlecht isolierten Altbauten die Vorlauftemperatur zum Problem?
Mit den heutigen Kältemitteln ist die Vorlauftemperatur technisch nie ein Problem. Das Problem ist vielmehr, dass man die Frage, wie viel Energie ein Gebäude braucht, nicht immer stellt. Viele Bestandsgebäude sind sehr schlecht eingestellt. Denn früher hat man, salopp gesagt, halt einfach geheizt. Dann kamen die Brennwertkessel, die eigentlich effizienter wären, wenn das System gut einreguliert ist. Das hat aber niemand verlangt, im Gesetz wurden nur die Brennwertkessel selbst gefordert. Erst heute mit den Wärmepumpen kommt die Effizienzdiskussion auf. Jetzt haben alle das Gefühl, Effizienz wäre ein Problem der Wärmepumpen, dabei wäre sie bei Öl- und Gasheizungen bereits gefragt gewesen. In vielen Gebäuden wurden vielleicht mal die Fenster ersetzt. Aber danach hat niemand geprüft, ob man die Vorlauftemperaturen senken kann. Deshalb werden auch heute Wärmepumpen zu gross dimensioniert, sogar im Industriebereich, wo Vorlauftemperaturen bis zu 160 Grad möglich sind. Würde man mehr Geld in Planung investieren, könnte man insgesamt sparen.
Das heisst auch: Man thematisiert den grossen Stromverbrauch, aber der grosse Ölverbrauch interessiert niemanden.
Ja, das ist aber ein weltweites Problem. Erdöl ist endlich und deshalb sehr wertvoll. Wir benötigen es ja auch für die Herstellung von Medikamenten. Trotzdem verschwenden wir es einfach. Weil die externen Kosten nicht eingepreist sind; Umweltverschmutzung ist oft leider noch gratis.
Zurück zur Schweiz. Die Kantone haben inzwischen verschiedene Instrumente, um den Wandel zu erneuerbarer Wärme voranzutreiben: von Verboten über Förderprogramme hin zu Informationskampagnen. Was ist effektiv?
Zur Person:
Rita Kobler ist Umweltnaturwissenschaftlerin und Gebäude-Energie-Ingenieurin. Sie arbeitete sechs Jahre als Projektleiterin in der Abteilung EnergieContracting im Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz). Seit 2012 ist sie zuständig für die Wärmepumpentechnologie beim Bundesamt für Energie als Fachspezialistin erneuerbare Energien. Im Rahmen von EnergieSchweiz betreut sie Projekte zur Effizienzsteigerung, zur Qualitätssicherung, zum Wissenstransfer und zur Kommunikation mit Endkundinnen und Endkunden.
Gesetzliche Vorgaben wirken einfach. Punkt. Das hat man bei Neubauten gesehen, als die 80-20-Regel eingeführt wurde, die entweder einen Teil erneuerbare Energie gefordert hat oder sonst eine bessere Dämmung. Viele Generalunternehmen, die grosse Neubauprojekte planen, haben gesagt, dass ihnen die konkreten gesetzlichen Vorgaben eigentlich egal sind. Für sie ist es wichtig, dass sie die Vorgaben von Anfang an kennen, wenn sie die Ausschreibung machen. Als die neuen Energievorschriften für den Neubaubereich gekommen sind, war für sie klar: Jetzt wechseln wir auf Erneuerbare. Natürlich gibt es auch dort welche, die sich sträuben. Aber für die meisten gilt: Jede Diskussion, die sie nicht führen müssen, ist gespartes Geld. Und erneuerbare Energien sind im Wärmebereich auch meist einfach umzusetzen. Ausnahmen gibt es zum Beispiel in Berggebieten. Aber da bieten die Kantone Hand, tragbare Lösungen zu finden.
Schauen wir auf die Städte. Dort gibt es Fernwärmenetze, die oft mit Wärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) versorgt werden. Die verbrennen Kunststoffe und setzen damit fossiles CO2 frei. Wie gehen die damit um?
Auf die KVA kommen verschiedene Herausforderungen zu, aber die haben sie alle auf dem Radar. Eine ist, dass irgendwann im Zuge der Kreislaufwirtschaft die Abfallmenge abnehmen wird. Aber niemand weiss, wann das passiert. Man redet zwar davon, es gibt politische Vorstösse, um die Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft zu verbessern. Trotzdem geht die Abfallmenge nicht zurück. Und die KVA haben den Auftrag, den Abfall zu verwerten. Die andere Herausforderung ist, die CO2-Bilanz zu verbessern. Im Winter haben Fernwärmenetze oft noch CO2-intensive Wärme, da Gas genutzt wird, um die Spitzen abzudecken. Deshalb investieren sie in Speicher, um diese Spitzen nicht zu haben. EWB in Bern will in einem Untergrundspeicher Wärme saisonal speichern. Ausserdem laufen Bestrebungen, dass man auch mit den Wärmebezügerinnen und -bezügern versucht, verbrauchsseitig die Spitzen zu glätten. Doch am Ende wird immer ein Teil an CO2-Emissionen bleiben, den man abscheiden muss. Aber dieser Vorgang ist sehr aufwendig und damit teuer. Wenn wir nicht wollen, dass die Kosten für die Klimaneutralität exorbitant sind, müssen wir erreichen, dass die Emissionen so tief wie möglich sinken. Denn dann müssen wir auch weniger CO2 abscheiden.
In Städten wie Basel gibt es Fernwärmenetze, die ausgebaut werden sollen. Welchen Anteil werden diese an der Dekarbonisierung der Wärme in der Schweiz haben?
Wir gehen davon aus, dass von der Wärme, die wir 2050 benötigen, 17 bis 22 Prozent Fernwärme sein werden. Das leiten wir aus der heutigen Entwicklung ab, die wir laufend korrigieren. Und wenn wir dieses Ziel sehen, heisst dass, dass wir jetzt den Ausbau forcieren müssen.
Manche sehen den Ausbau als logistisches Problem. Wie schätzen Sie das ein?
Es braucht sicher Zeit, das können wir nicht von heute auf morgen machen. Aber die Nachfrage ist gerade sehr hoch, in ganz Europa. Das heisst, dass der Markt zu spielen beginnt. Wir werden in der Folge mehr Innovation sehen, zum Beispiel durch mehr Modulbauweise. Sicher hilft auch die Digitalisierung, dass man etwa den hydraulischen Abgleich bereits via Smartphone im Stockwerk machen kann. Das digitale Bauen ist heute erst bei Neubauten Standard, vielleicht gibt es dort bald einen Sprung, dass es auch bei Sanierungen zum Einsatz kommt. An solche Skalierungen darf man glauben. Man hat lange von einem Sanierungsstau geredet. Jetzt sind wir in einer neuen Phasen mit viel Schwung, da muss manches noch anlaufen. Aber danach reagieren die Firmen. Das ist der Vorteil einer Marktwirtschaft, dass dieser Mechanismus funktioniert.
Immer wieder ist von Lieferengpässen bei Heizungsherstellern die Rede. Wie gross ist dieses Problem?
Ich glaube, das wird sich einpendeln, aber es wird noch eine Weile dauern. Eine Zeit lang gab es auch noch Verzerrungen durch Covid-19; die Chipknappheit hat auch Heizungen betroffen. Dann geopolitische Effekte wie der Krieg in der Ukraine, dessen Wirkung auf die Lieferketten aber wieder nachgelassen hat. Ich hoffe natürlich sehr, dass es zu keiner Eskalation in Taiwan kommt, denn das Land hat eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaft. Früher waren stabile Prognosen etwas einfacher. Aber ich denke auch, dass die Leute gemerkt haben, dass man etwas früher planen muss. Wenn man rechtzeitig auf seine Installateurin oder seinen Installateur zugeht, kann sie oder er auch planen und einkaufen.
Und die Fachleute? Reichen die für die Ausbau- und Sanierungswelle?
Wir brauchen gute Leute in der Installation, in der Planung, im Service. Ja: Wir haben da einen grossen Bedarf. Aber es gibt auch Bildungsoffensiven auf verschiedenen Kanälen. Vielleicht gelingt es dabei noch mehr, herauszustreichen, wie heterogen diese Branche ist. Ich habe Kontakt mit vielen Leuten, und der gegenseitige Umgang ist sehr angenehm. Es wäre gut, das noch mehr zu zeigen, damit zum Beispiel auch junge Frauen abgeholt werden können. 50 Prozent der Bevölkerung werden nur wenig angesprochen für diese Berufe. Denn es ist eine sehr vielfältige Branche mit toller Arbeit. Wenn man einen sicheren Arbeitsplatz sucht, sollte man hier einsteigen.
Sie beobachten die technischen Entwicklungen im Heizungsbereich schon lange. Was für grosse Fortschritte gab es, und welche erwarten Sie?
Der grosse Fortschritt wird die komplett ins Energiesystem integrierte Wärmepumpe sein. Aktuell boomt der Zubau von Photovoltaikanlagen, die Strom bereitstellen, der genutzt werden will, Netze, die entlastet werden wollen. Dieser Prozess der Systemintegration von Wärmepumpen wird von Photovoltaikanlagen getrieben. Auch die Visualisierung der Energietechnik hat viel ausgelöst. Die Leute reden über ihre Solaranlagen, zeigen die Daten herum, posten sie im Internet. Solche Sprünge gab es in der Vergangenheit nicht. Das lag auch daran, dass der Markt lange stagniert hat. Die Hersteller hatten Angst, dass ihre Geräte zu teuer werden, und die Leute dann bei Öl- und Gasheizungen bleiben. Doch jetzt ist die Botschaft angekommen, und der Markt reagiert. Dieser Effekt von Gesetzen wird manchmal unterschätzt. Denn wenn die Industrie weiss, wo sie sich anpassen muss, kann sie auch investieren.
Was fehlt denn der Schweiz noch für den kompletten Umstieg von fossilen auf erneuerbare Wärmequellen?
Nichts. Es ist so einfach. Wir müssen umsteigen aus verschiedenen Gründen, und wir können es, wenn man einige spezialisierte Hochtemperaturanwendungen ausklammert. Wir wissen, wo es langgeht, und wir haben die Mittel dazu. Jetzt müssen wir umsetzen.
Interview. Paul Drzimalla, im Auftrag von IWB für das Magazin Klimadreh
Bild: Shutterstock; Stock Photo ID: 2268925397; Frank HH
Botschafter in Sachen Schweizer Energiepolitik geht in den Ruhestand – Ein Rückblick
Stromabkommen, IEA, internationale und EU-Energiepolitik: Wenn es um internationale Aspekte der Schweizer Energiepolitik geht, dann weiss Jean-Christophe Füeg Bescheid. Als Leiter Internationales im Bundesamt für Energie hat er die Schweiz in zahlreichen Gremien vertreten. Ende 2013 wurde er zum Botschafter ernannt. Nun wird Jean-Christophe Füeg pensioniert. Energeiaplus schaut mit ihm auf seine Zeit als BFE-Energiebotschafter zurück.
Energeiaplus: Sie sind 2001 zum BFE gekommen. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Dossier?
Jean-Christophe Füeg: Durchaus. Ich musste ein Referat zur Schweizer Energiepolitik in Brüssel vorbereiten. Da ich aus dem Ausland kam und wenig über die Schweiz wusste, sagte mir mein Chef, ich solle mir Zeit nehmen. Nach zwei Wochen legte ich ihm die Powerpoint-Präsentation vor. Er schreckte auf und meinte: Mit «Zeit nehmen» habe er sich zwei Monate vorgestellt. Wenige Monate später durfte ich zusätzliche Aufgaben von intern freigewordenen Stellen übernehmen und wurde unter anderem als Referent nach Armenien, ans George Marshall Center für Sicherheitsstudien und nach Bolivien eingeladen (diese Reisen habe ich übrigens mit Flugmeilen aus meinem früheren Job bezahlt).
Gut 20 Jahre waren Sie Leiter Internationales im BFE. Was sind die grössten Veränderungen, die Sie erlebt haben?
Eindeutig die fortschreitende weltweite Energiewende und die damit einhergehende Komplexität. 2002 konnten die westlichen Länder beim Welt-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg nicht einmal ein «Erneuerbaren-Ziel» festschreiben. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit.
Was macht der Leiter Internationales denn genau?
Er vermittelt im Ausland die Schweizer Energiepolitik, vertritt die Schweiz in internationalen Gremien und verhandelt mit der EU oder einzelnen Ländern. Und er leitet Energiedialoge mit einer leider immer kleineren Anzahl Länder. Unter Bundesrätin Leuthard hatte die Cleantech-Exportförderung mit unzähligen Delegationsreisen einen hohen Stellenwert.
Was war das schwierigste Dossier in Ihrer Berufskarriere? Das Stromabkommen, das die Schweiz mit der EU anstrebt? Auf youtube finden sich Videos, in denen Sie den Standpunkt der Schweiz darlegen.
Schwierig war das Stromabkommen an und für sich nicht. Doch gewisse Interessengruppen haben es schwierig gemacht, indem sie ständig mit unerfüllbaren Sonderwünschen aufwarteten und nicht begreifen wollten, dass die Schweiz in Europa nicht einzigartig ist. Bis 2012 hätte das Stromabkommen mit etwas Kompromisswillen abgeschlossen werden können. Als die EU das Stromabkommen an institutionelle Lösungen (institutionelles Rahmenabkommen) knüpfte, wurde das Stromabkommen in Geiselhaft genommen. Seit der letzten Verhandlungsrunde im Juli 2018 ging es vor allem um Schadensbegrenzung. 15 Jahre Verhandlungen ohne Abschluss sind eine ungeheure Verschwendung.
In einem Artikel der «Finanz und Wirtschaft» vom Juni 2019 werden Sie zitiert. «Wir könnten das Stromabkommen innert zwei Tagen fertig verhandeln.» Ein Abschluss des Stromabkommens war damals aber nicht in Sicht. Wie gehen Sie mit solchen Erfahrungen um?
«Nicht in Sicht» würde ich mit Blick auf die jüngsten Entscheide des Bundesrats relativieren. Manchmal kann es intellektuell stimulierend sein, tagelang zu recherchieren, um irgendwo in Europa einen Tatbestand zu finden, der als Argument für eine Schweizer Extrawurst herhalten könnte. Aber irgendwann erlahmen auch solche Anreize, da letztlich dafür kaum Erfolgschancen bestehen.
Ein wichtiger Akteur, mit dem Sie oft zu tun hatten, war die Internationale Energieagentur (IEA). Die IEA bewertet regelmässig die Energiepolitik von Mitgliedsländern im Rahmen der sogenannten Tiefenprüfung. Dabei wurde auch schon Kritik laut, es handle sich dabei um einen Werbespot für die nationale Energiepolitik. Was sagen Sie dazu? Erst letztes Jahr haben die internationalen ExpertInnen die Schweiz ja erneut unter die Lupe genommen.
Die Resultate der neuen Tiefenprüfung der Schweiz wurde am Tag nach dem Klimagesetz-Referendum bei der IEA besprochen und rief viele Fragen anderer Staaten hervor. Im Spätsommer wird diese durch Bundesrat Rösti und IEA-Exekutivdirektor Birol veröffentlicht. Tiefenprüfungen sind ein Wechselspiel zwischen dem untersuchten Land und den besuchenden Experten. Ein Werbespot sind sie indes nicht. So beanstandet die IEA seit Jahrzehnten, dass Brennstoffe in der Schweiz mit einer CO2-Abgabe belegt werden, Treibstoffe (Benzin und Diesel) aber weitgehend ungeschoren davonkommen.
Inwiefern haben Ereignisse wie Fukushima oder der Ukraine-Krieg Ihre Tätigkeit beeinflusst?
Fukushima wirkte sich vor allem im Inland aus – mit dem Entscheid zum schrittweisen Atomausstieg. Nur Deutschland traf einen ähnlichen Entscheid. Ansonsten hinterliess Fukushima in der internationalen Energiepolitik wenig Spuren. Ganz anders bei der Ukraine-Krise und den immer noch laufenden Bestrebungen, die Schweiz vertraglich in der europäischen Gaslandschaft abzusichern, mit bis anhin durchwachsenen Ergebnissen.
Ende 2013 hat der Bundesrat Sie zum Botschafter ernannt. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihre Tätigkeit?
In Europa, null, denn man kennt sich; oder es kann sogar das Gegenteil bewirken, bei Gesprächspartnern, die man noch nicht kennt und die hinter dem Titel einen fachlich wenig beschlagenen Diplomaten vermuten. Ausserhalb Europas imponiert der Titel, manchmal dermassen, dass sogar langjährige Kollegen in Afrika sich weigerten, mich weiter zu duzen.
In Ihrem Editorial für das BFE-Magazin energeia haben Sie 2016 geschrieben: «Die Schweiz hat einen schwierigen Stand in der internationalen Energiepolitik.» Würden Sie das heute auch noch so sagen?
Die Isolation der Schweiz hat sich mit der fortschreitenden Integration in Europa und der Pandemie bedeutend verstärkt. Einzig im Pentaforum (Im Penta-Forum arbeiten die Energieministerien aus folgenden Ländern freiwillig zusammen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und der Schweiz und diskutieren Stromthemen und auch weitere Energiethemen wie Wasserstoff) werden wir noch als ebenbürtiger Partner wahrgenommen.
Zur Person:
Die BFE-Laufbahn von Jean-Christophe Füeg begann 2001. Er führte Verhandlungen mit der EU und internationalen Organisationen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) oder der UNO-Unter-Organisation Wirtschaftskommission für Europa. Er war zudem Leiter von Experten-Gremien zur Beurteilung der Energiepolitik von verschiedenen Ländern wie Indien, Indonesien, Chile, Kanada, Russland, Estland, Türkei, Kroatien, Mazedonien oder Mongolei.
Zuvor – von 1999 bis 2001 – war Füeg Leiter (Administrator) der Abteilung der Nicht-Mitgliedsorganisationen der IEA in Paris. Von 1998 bis 1999 war er Co-CEO von IHS Energy/Petrolconsultants Group für Öl und Gas. Von 1985 bis 1996 hatte er verschiedene Positionen im Bereich Erdölberatung in der ehemaligen Sowjetunion, Angola, Italien und Indonesien. Jean-Christophe Füeg hat ursprünglich Internationale Beziehungen, Russisch und Kunstgeschichte in Genf studiert.
Argumente wie «Die Schweiz als Stromdrehscheibe Europas» sind indes längst verpufft. Die Nordsee mit ihrem Windkraft- und Wasserstoff-Hub ist längst ein grösserer Faktor. Man lächelt uns freundlich zu, aber wir werden kaum noch als Teil einer energiepolitischen Schicksalsgemeinschaft wahrgenommen.
Gut zehn Jahre ihres Berufslebens drehten sich um Erdöl. Sie haben zahlreiche Länder beraten. Reden Sie heute über diesen Energieträger anders als in den 1990er-Jahren?
Kaum. Hochentwickelte Länder können sich einen Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte Jahrhundert leisten – abgesehen von den grauen Emissionen unserer Importe. Ganz anders die Entwicklungs- und Schwellenländer.
Die IEA sieht den Zenit der Erdölförderung in wenigen Jahren. Danach wird die Förderung über viele Jahrzehnte langsam sinken. Selbst das tugendhafte Dänemark wird erst 2050, nachdem es das letzte Kohlenwasserstoffmolekül aus seinem Boden gepresst hat, die Förderung aufgeben. Jemand wird das Erdöl fördern, raffinieren und transportieren müssen. Wenn es nicht die von Aktivisten verteufelten Ölmultis sind, dann die mittelöstlichen, russischen oder chinesischen Staatsfirmen. Ob das für die Umwelt und die gute Regierungsführung von Vorteil ist?
An welche Begegnung während Ihrer Berufskarriere erinnern Sie sich besonders gern?
Viele, auch überraschende. Ein türkischer konservativer Energieminister, der mir nach einer langen Verhandlungsnacht mit einem High Five gratuliert. Ein chinesischer Energie-Vizeminister, der mich nach einer mehrstündigen Sitzung, für die ich eigens nach Beijing geflogen war und gegen den Schlaf kämpfte, umarmte. Der Präsident von Ghana, dem ich bei einem offiziellen Essen in 60 Sekunden den Erneuerbaren blockierenden Reformstau in seinem Land erklären konnte, so dass er umgehend seinen Minister schalt.
Nun werden Sie pensioniert. Wie wird das Thema Energie Sie weiterhin beschäftigen?
Ich bin zum Schluss gekommen, dass Energie zu anspruchsvoll ist, um sich nur im Teilpensum damit zu beschäftigen. Man wird schnell obsolet und schweigt dann lieber.
Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Foto: Brigitte Mader, BFE
Entsorgung radioaktive Abfälle: Die Schweiz im Vergleich
Seit dem 12. September 2022 ist bekannt, wo die Schweiz ihre radioaktiven Abfälle entsorgen will: Die mit der Aufgabe betraute Nagra will im Opalinuston des Zürcher Unterlands ein Tiefenlager für schwach-, mittel- und hochaktive Abfälle bauen. Bis das Lager in Betrieb geht, vergehen zwar noch fast drei Jahrzehnte. Dennoch ist die Ankündigung der Nagra ein Meilenstein auf dem Weg zu einer sicheren Entsorgung der radioaktiven Abfälle der Schweiz. Doch: Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?
Auf einer interaktiven Karte Europas hat das Bundesamt für Energie den Stand des jeweiligen Standortsuchverfahrens für hochaktive Abfälle in allen Ländern zusammengetragen. Der Blick fällt dabei zuerst auf drei Länder, die dunkler eingefärbt sind als die Schweiz: Finnland, Frankreich und Schweden. Während Finnland bereits ein Lager baut (Betriebsbeginn ab 2025), haben Frankreich und Schweden den Standortentscheid gefällt. Beide wollen ca. 2035 anfangen mit dem Einlagern der Abfälle.
In fünf weiteren Ländern (Grossbritannien, Deutschland, Tschechien, die Slowakei und Ungarn) läuft ein Verfahren zur Standortsuche. Ein definitiver Standort ist aber noch nicht bestimmt. Belgien wiederum hat einen Grundsatzentscheid gefällt, wonach die Abfälle in einem Tiefenlager entsorgt werden sollen. Acht Länder (Spanien, Niederlande, Italien, Slowenien, Kroatien, Litauen, Rumänien und Bulgarien) haben noch keine Entscheide gefällt. Die restlichen 23 Länder haben keine Kernkraftwerke und folglich meist nur schwach- und mittelaktive Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung zu entsorgen. Fazit: Auch wenn von der Gründung der Nagra bis zur Ankündigung des Standorts letzten Herbst ein halbes Jahrhundert vergangen ist, ist die Schweiz im Vergleich weiter vorangeschritten als die meisten anderen Länder Europas.
Die Karte findet sich im neuen Focus Tiefenlager Nr. 20, der Ende Juni erschienen ist. Weitere Artikel im Focus:
- Editorial des neuen Beiratspräsidenten Martin Landolt
- Interviews mit den Co-Präsidenten der Regionalkonferenz Nördlich Lägern sowie dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Verpackungsanlagen geologisches Tiefenlager
- Ein Rückblick auf die regionale Partizipation seit 2011 und die Ergebnisse daraus
Der Focus Tiefenlager kann hier heruntergeladen werden.
Andreas Besmer, Fachspezialist Regionale Partizipation, Bundesamt für Energie
Grafik: BFE
Kernfusion – der Traum von einem endlosen Strom sauberer Energie
Am 5. Dezember 2022 haben Forschende in den USA laut Medienberichten einen historischen Durchbruch bei der Kernfusion erzielt. Erstmals ist es bei einem Experiment am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien gelungen, mehr Energie freizusetzen als hineingesteckt wurde. Die weltweit stärkste Laseranlage erhitzte eine winzige Menge Deuterium und Tritium auf über 100 Millionen Grad Celsius und erzeugte ein Plasma, in welchem die beiden Wasserstoff-Isotope zu Helium verschmolzen. Das Plasma erhielt durch die Laser eine Energiemenge von 2,05 Megajoule, während die Fusion 3,15 Megajoule erzeugte. Der Energiegewinn bezieht sich allerdings nur auf das Kernexperiment. Der gesamte Strombedarf des Versuchsreaktors ist immer noch viel grösser als die erzeugte Energie. Die 192 Laser benötigten allein 322 Megajoule Energie, um überhaupt Laserlicht zu erzeugen. Das Experiment ist ein Erfolg für die Wissenschaft, da damit endgültig bewiesen werden konnte, dass mit der Kernfusion Energie produziert werden kann. Bis kommerzielle Fusionsreaktoren Energie ins Stromnetz einspeisen werden, wird es allerdings noch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Weiterlesen
Woher kommen die Rohstoffe für die E-Auto-Batterien? Hat es genug davon? Was passiert, wenn eine E-Auto-Batterie ausgedient hat? Wie sieht es punkto Recycling aus? In einem neuen Grundlagendokument hat das Bundesamt für Energie (BFE) alles Wissenswerte zu Batterien für Elektrofahrzeuge zusammengetragen – von der Rohstoffförderung bis zur Entsorgung. Weiterlesen
Wärmepumpen sind gefragt! Wer auf ein solches erneuerbares Heizsystem umstellen will, braucht derzeit Geduld – wegen Kapazitätsengpässen bei den Herstellern. Diese reagieren nun mit dem Ausbau ihrer Produktion und raten den Hausbesitzerinnen und -besitzern, vorzeitig zu planen und nicht kurzsichtig zu handeln. Weiterlesen
Kontakt
Bundesamt für Energie
Pulverstrasse 13
3063 Ittigen
Postadresse:
Bundesamt für Energie
3003 Bern
Telefonnummern:
Hauszentrale +41 58 462 56 11
Pressestelle +41 58 460 81 52
Newsletter
Sitemap
Medienmitteilungen des BFE
- Photovoltaikanlagen auf Wasserkraftwerken und Stauseen
- Bundesrat stimmt der Modernisierung des Energiechartavertrags zu
- Bundesrat setzt erstes Paket des Bundesgesetzes für eine sichere Stromversorgung in Kraft
- Nagra reicht Rahmenbewilligungsgesuche für das geologische Tiefenlager und die Brennelementverpackungsanlage ein
- Bericht zeigt beträchtliches Stromsparpotenzial bei «Betrieb ohne Nutzen»