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Elektroauto, E-Bike, geteilte Mobilität: In der Mobilität tut sich einiges punkto Nachhaltigkeit. Doch es stellen sich neue Fragen. Was bedeutet die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs für das Stromnetz? Wie können die erneuerbaren Energien optimal dafür genutzt werden? Braucht es neue Regulierungen? Ändert sich auch das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung? Im Energieforschungskonzept des Bundes ist die Mobilität deshalb eines der vier Schwerpunktthemen.

Das Ziel ist klar: Bis 2050 soll der Verkehr unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen (Netto-null). Das heisst insbesondere: Schluss mit Fahrzeugen mit fossilen Antrieben auf der Strasse. Mittlerweile haben sich alternative Antriebstechnologien etabliert, insbesondere der batterie-elektrische Antrieb bei Personenwagen. Auch der Schwerverkehr setzt zunehmend auf Strom, aber auch auf weitere alternative Treibstoffe wie zum Beispiel Wasserstoff. Selbst in der Luft- und Schifffahrt sind alternative Antriebe ein Thema. Der Umstieg läuft also, hat aber Konsequenzen: Es braucht mehr Strom, das Stromnetz soll diesen zusätzlichen Bedarf bewältigen können, ohne dass massiv in die Infrastruktur investiert werden muss. Zudem braucht es flexible Lösungen, denn Sonne und Wind liefern nicht ständig Strom.

Es besteht weiterhin viel Forschungsbedarf, sagt Luca Castiglioni. Er leitet das Forschungsprogramm Mobilität im Bundesamt für Energie und erklärt, wozu genau geforscht werden soll.

Energeiaplus: Die Abstimmung von Produktion, Transport und Nutzung von Strom ist ein zentraler Punkt für die Energiezukunft. Was will die Forschung in dieser «Energiekette» leisten?

Luca Castiglioni ist beim Bundesamt für Energie Leiter Forschungsprogramm Mobilität. Bild: zvg

Luca Castiglioni: Unser bisheriges Verkehrssystem beruht zu einem grossen Teil auf fossilen Energieträgern. Diese können leicht gelagert werden, haben eine hohe Energiedichte und sind jederzeit verfügbar. Allein die Elektrifizierung des Strassenverkehrs führt zu einem Mehrverbrauch von 14-17 TWh Strom, was rund einem Viertel des derzeitigen Verbrauchs entspricht. Mit dem neuen Stromgesetz ist ein Zubau von rund 45 TWh zusätzlicher, erneuerbarer Produktion vorgesehen. Der Mehrverbrauch kann grundsätzlich also gut gedeckt werden.

Um hohe Systemkosten für Speicherung und Verteilung des Stroms zu vermeiden, ist es aber relevant, dass der Verbrauch, d. h. das Laden der Fahrzeuge, insbesondere zeitlich, aber auch räumlich gut mit dem Produktionsprofil der erneuerbaren Energieträger, insbesondere der Photovoltaik abgestimmt wird. Forschungsbedarf gibt es da, wo der Solarstrom nicht direkt vom eigenen Dach und ohne Umwege in die Batterie des Autos geladen werden kann. Da gilt es, noch bessere, effizientere Wege zu finden.

Die Elektromobilität soll das Stromnetz also nicht unnötig belasten und könnte sogar die Stabilität und Flexibilität des Netzes insgesamt erhöhen. Bidirektionales Laden (V2X) ist das Stichwort dazu. Das V2X Suisse Projekt des Carsharing-Anbieters Mobility hat gezeigt, dass das E-Auto grundsätzlich als Speicher für überschüssigen Strom dienen und damit das Netz stabilisieren kann, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer einen Nachteil haben. Was braucht’s in diesem Bereich noch für neue Erkenntnisse?

Dieses vom BFE geförderte Demonstrationsprojekt hat vor allem zwei Sachen gezeigt: Batterien von Elektroautos sind geeignet, um das Verteilnetz zu stabilisieren oder Systemdienstleistungen (Regelenergie zum Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz) anzubieten. Diese Prozesse laufen im Hintergrund, ohne dass der Car-Sharing Betrieb eingeschränkt werden muss. Im Verlauf des Projekts zeigten sich aber auch die Herausforderungen. Aufgrund der hohen Kosten für die bidirektionale Ladeinfrastruktur und fehlenden lukrativen Geschäftsmodellen, ist es zurzeit nicht möglich, mit V2X Geld zu verdienen.

Mit einem Anteil von 31% ist der Verkehr derzeit noch der grösste Verursacher von Treibhausgasemissionen. Zudem: 38% des Energieverbrauchs gehen aufs Konto des Transportsektors, auch das ein Spitzenplatz. Eine aktuelle BFE-Studie zur Elektromobilität prognostiziert, dass bereits Mitte des nächsten Jahrzehnts die Hälfte der Autos elektrisch unterwegs sein wird.

Ein weiteres Hindernis ist die beschränkte Auswahl an Elektroautos, die V2X unterstützen und die unzureichende Interoperabilität der Ladeinfrastruktur. Das hat zur Folge, dass nur bestimme Kombinationen von Ladestation und Automodell zusammenpassen. Im technischen Bereich müssen also Ladeinfrastruktur und Standards weiterentwickelt werden, um die Kosten zu senken und volle Interoperabilität zu garantieren. Aus systemischer Sicht muss geprüft werden, wo die Flexibilität durch V2X am besten genutzt werden kann und wie sich daraus lukrative Geschäftsmodelle entwickeln können. Hier gibt es durch das neue Stromgesetz ein paar entscheidende Änderungen, deren Auswirkungen genau verfolgt werden müssen. Es gibt also durchaus noch weiteren Forschungsbedarf in diesem Bereich.

Privatautos eignen sich aufgrund der geringen Tagesdistanzen besonders für bidirektionales Laden (V2X). Dafür müssen Autofahrerinnen und Autofahrer bereit sein, die Batterie in diesem Sinne zu nutzen und allenfalls auch externen Zugriff darauf zu gewähren. Gibt es dazu auch Forschungsprojekte?

In einem ersten Forschungsprojekt (IncentV2G) wurde untersucht, ob spezielle Stromtarife den Einsatz für V2X begünstigen können. Dabei hat sich gezeigt, dass die Leute wenig preissensitiv sind und nur wenige bereit waren den speziellen Tarif zu nutzen, welcher dem Verteilnetzbetreiber im Gegenzug erlaubte, den Ladevorgang zu steuern. Es zeigt sich auf jeden Fall, dass es unkomplizierte Tarifstrukturen braucht und die Kunden für die angebotene Flexibilität auch adäquat vergütet werden müssen.

Das Forschungskonzept sieht auch Forschungsbedarf bei den Batterien. Was für Fragen soll die Forschung beantworten?

Die Batterie ist die teuerste und in der Herstellung energie- und ressourcenintensivste Komponente eines Elektromobils. Beim CO2-Fussabdruck in der Herstellung wurden aber bereits beträchtliche Fortschritte erzielt. Mit der zunehmenden Verbreitung der Elektromobilität steigt einerseits der Druck auf die kritischen Rohstoffe, andererseits steigt auch die Anzahl von Batterien, die ihr Lebensende erreichen. Obwohl der allergrösste Teil der Rohstoffe in Batterien zurückgewonnen werden kann, sind die Prozesse noch nicht effizient genug und zu teuer. Es geht also vor allem darum, wie die Prozesse effizienter gestaltet werden können, aber z. B. auch, wie mit unterschiedlichen Batteriechemien umgegangen werden kann. Wichtig ist auch, den sogenannten «State of Health», also den Zustand der Batterie exakt bestimmen zu können. Denn nur so kann entschieden werden, ob die Batterie weiterhin gebraucht werden kann, z. B. in einem Occasionsfahrzeug, ob sie sich noch für stationäre Anwendungen eignet oder direkt dem Recycling zugeführt werden soll.

Im Forschungskonzept sind auch grundsätzliche Themen im Zusammenhang mit Mobilität aufgeführt. Zum Beispiel das individuelle Mobilitätsbedürfnis, das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmittelwahl. Warum?

Die Elektromobilität ist die wichtigste und effizienteste technische Massnahme, um die CO2-Emissionen im Strassenverkehr zu reduzieren. Noch weniger Emissionen können durch generelle Verkehrsvermeidung oder den Umstieg auf nachhaltigere Transportmittel erreicht werden, allen voran natürlich der öffentliche Verkehr, aber unbedingt auch Aktiv- und Langsamverkehr. Gerade das E-Bike hat hier in den letzten Jahren einige Leute bei kürzeren und mittleren Distanzen zum Umstieg bewegt. Digitalisierung und neue Arbeitsmodelle (Homeoffice) reduzieren den Pendelverkehr und einen Teil der beruflichen Mobilität zusätzlich. Auch die Raumplanung hat einen massgeblichen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten. Es zeigt sich aber auch, dass eine Reduktion der beruflichen Mobilität häufig das Bedürfnis nach Mobilität in der Freizeit erhöht – hier spricht man von einem Rebound Effekt. Es ist also wichtig, die Mobilität in ihrer Gesamtheit zu betrachten und dabei auch zu erforschen, wie sich technische Neuerungen und gesellschaftliche Veränderungen darauf auswirken.

Mobilität braucht auch Platz – sprich Strassen, Parkplätze, Garagen. Setzt die Forschung hier auch an?

Das Forschungsprogramm des BFE fokussiert vor allem auf energetische Aspekte und auf die Vermeidung von Emissionen. Allerdings dürfen Energie und Emissionen nicht losgelöst von Platzbedarf oder zum Beispiel Verkehrssicherheit betrachtet werden. Der Umstieg auf Elektromobilität hat viele Vorteile hinsichtlich Energieeffizienz und Reduktion der CO2-Emissionen, ändert aber nichts am grossen Raumbedarf der individuellen Mobilität. Der Verzicht aufs Auto und die Nutzung von ÖV und Car-Sharing handkehrum tragen auch zu einer effizienteren Nutzung des Strassenraums bei. Noch besser schneiden hier Fussverkehr und Velo ab. Die effizienteste Mobilität ist notabene diejenige, die vermieden werden kann, also nicht stattfindet. Bei allen Forschungsprojekten ist eine gesamtheitliche Betrachtung zentral – ebenso wie die enge Abstimmung und Koordination mit weiteren Bundesämtern, die sich um die Anliegen der Umwelt sowie Verkehrs- und Raumplanung kümmern.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Bild: keystone-sda; Gaetan Bally

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Die Schweizer Firma Synhelion, ein Spin-off der ETH Zürich, hat am 20. Juni 2024 ihre DAWN-Anlage in Jülich in Deutschland eingeweiht. Es ist die erste Demonstrationsanlage zur Produktion von solaren Treibstoffen im industriellen Massstab. Weiterlesen

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Die Schweiz verbrauchte 2023 fast gleich viel Energie wie im Vorjahr – etwa 764’680 Terajoule (TJ). Das zeigen erste Schätzungen des Bundesamts für Energie (BFE). Weiterlesen

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Am 6. September 2023 traf sich die Energieforschungs-Community in Bern zur zweiten SWEET-Konferenz. Diese bot eine Plattform für den Austausch zwischen der Energieforschung und Umsetzungspartnern aus der Privatwirtschaft, von Verbänden, Kantonen, Städten, Gemeinden und dem Bund. Weiterlesen

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Ursprünglich hatten die meisten E-Autos Bestnoten erhalten – punkto Energieeffizienz. Seit dem 1. Januar 2023 sind E-Autos auch in der Kategorie B oder C. Insbesondere bei E-Auto-Besitzerinnen und -Besitzern hat das Fragen aufgeworfen. Energeiaplus erklärt, warum die Energieetikette per Anfang Jahr angepasst wurde und warum die Grundlagendaten jährlich aktualisiert werden. Weiterlesen

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Stromabkommen, IEA, internationale und EU-Energiepolitik: Wenn es um internationale Aspekte der Schweizer Energiepolitik geht, dann weiss Jean-Christophe Füeg Bescheid. Als Leiter Internationales im Bundesamt für Energie hat er die Schweiz in zahlreichen Gremien vertreten. Ende 2013 wurde er zum Botschafter ernannt. Nun wird Jean-Christophe Füeg pensioniert. Energeiaplus schaut mit ihm auf seine Zeit als BFE-Energiebotschafter zurück.

Energeiaplus: Sie sind 2001 zum BFE gekommen. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Dossier?

Jean-Christophe Füeg vertrat die Schweizer Energiethemen im Ausland. Bild: BFE

Jean-Christophe Füeg: Durchaus. Ich musste ein Referat zur Schweizer Energiepolitik in Brüssel vorbereiten. Da ich aus dem Ausland kam und wenig über die Schweiz wusste, sagte mir mein Chef, ich solle mir Zeit nehmen. Nach zwei Wochen legte ich ihm die Powerpoint-Präsentation vor. Er schreckte auf und meinte: Mit «Zeit nehmen» habe er sich zwei Monate vorgestellt. Wenige Monate später durfte ich zusätzliche Aufgaben von intern freigewordenen Stellen übernehmen und wurde unter anderem als Referent nach Armenien, ans George Marshall Center für Sicherheitsstudien und nach Bolivien eingeladen (diese Reisen habe ich übrigens mit Flugmeilen aus meinem früheren Job bezahlt).

Gut 20 Jahre waren Sie Leiter Internationales im BFE. Was sind die grössten Veränderungen, die Sie erlebt haben?

Eindeutig die fortschreitende weltweite Energiewende und die damit einhergehende Komplexität. 2002 konnten die westlichen Länder beim Welt-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg nicht einmal ein «Erneuerbaren-Ziel» festschreiben. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit.

Was macht der Leiter Internationales denn genau?

Er vermittelt im Ausland die Schweizer Energiepolitik, vertritt die Schweiz in internationalen Gremien und verhandelt mit der EU oder einzelnen Ländern. Und er leitet Energiedialoge mit einer leider immer kleineren Anzahl Länder. Unter Bundesrätin Leuthard hatte die Cleantech-Exportförderung mit unzähligen Delegationsreisen einen hohen Stellenwert.

Was war das schwierigste Dossier in Ihrer Berufskarriere? Das Stromabkommen, das die Schweiz mit der EU anstrebt? Auf youtube finden sich Videos, in denen Sie den Standpunkt der Schweiz darlegen.

Schwierig war das Stromabkommen an und für sich nicht. Doch gewisse Interessengruppen haben es schwierig gemacht, indem sie ständig mit unerfüllbaren Sonderwünschen aufwarteten und nicht begreifen wollten, dass die Schweiz in Europa nicht einzigartig ist. Bis 2012 hätte das Stromabkommen mit etwas Kompromisswillen abgeschlossen werden können. Als die EU das Stromabkommen an institutionelle Lösungen (institutionelles Rahmenabkommen) knüpfte, wurde das Stromabkommen in Geiselhaft genommen. Seit der letzten Verhandlungsrunde im Juli 2018 ging es vor allem um Schadensbegrenzung. 15 Jahre Verhandlungen ohne Abschluss sind eine ungeheure Verschwendung.

In einem Artikel der «Finanz und Wirtschaft» vom Juni 2019 werden Sie zitiert. «Wir könnten das Stromabkommen innert zwei Tagen fertig verhandeln.» Ein Abschluss des Stromabkommens war damals aber nicht in Sicht. Wie gehen Sie mit solchen Erfahrungen um?

«Nicht in Sicht» würde ich mit Blick auf die jüngsten Entscheide des Bundesrats  relativieren. Manchmal kann es intellektuell stimulierend sein, tagelang zu recherchieren, um irgendwo in Europa einen Tatbestand zu finden, der als Argument für eine Schweizer Extrawurst herhalten könnte. Aber irgendwann erlahmen auch solche Anreize, da letztlich dafür kaum Erfolgschancen bestehen.

Ein wichtiger Akteur, mit dem Sie oft zu tun hatten, war die Internationale Energieagentur (IEA). Die IEA bewertet regelmässig die Energiepolitik von Mitgliedsländern im Rahmen der sogenannten Tiefenprüfung. Dabei wurde auch schon Kritik laut, es handle sich dabei um einen Werbespot für die nationale Energiepolitik. Was sagen Sie dazu? Erst letztes Jahr haben die internationalen ExpertInnen die Schweiz ja erneut unter die Lupe genommen.

Die Resultate der neuen Tiefenprüfung der Schweiz wurde am Tag nach dem Klimagesetz-Referendum bei der IEA besprochen und rief viele Fragen anderer Staaten hervor. Im Spätsommer wird diese durch Bundesrat Rösti und IEA-Exekutivdirektor Birol veröffentlicht. Tiefenprüfungen sind ein Wechselspiel zwischen dem untersuchten Land und den besuchenden Experten. Ein Werbespot sind sie indes nicht. So beanstandet die IEA seit Jahrzehnten, dass Brennstoffe in der Schweiz mit einer CO2-Abgabe belegt werden, Treibstoffe (Benzin und Diesel) aber weitgehend ungeschoren davonkommen.

Inwiefern haben Ereignisse wie Fukushima oder der Ukraine-Krieg Ihre Tätigkeit beeinflusst?

Fukushima wirkte sich vor allem im Inland aus – mit dem Entscheid zum schrittweisen Atomausstieg.  Nur Deutschland traf einen ähnlichen Entscheid. Ansonsten hinterliess Fukushima in der internationalen Energiepolitik wenig Spuren. Ganz anders bei der Ukraine-Krise und den immer noch laufenden Bestrebungen, die Schweiz vertraglich in der europäischen Gaslandschaft abzusichern, mit bis anhin durchwachsenen Ergebnissen.

Ende 2013 hat der Bundesrat Sie zum Botschafter ernannt. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihre Tätigkeit?

In Europa, null, denn man kennt sich; oder es kann sogar das Gegenteil bewirken, bei Gesprächspartnern, die man noch nicht kennt und die  hinter dem Titel einen fachlich wenig beschlagenen Diplomaten vermuten. Ausserhalb Europas imponiert der Titel, manchmal dermassen, dass sogar langjährige Kollegen in Afrika sich weigerten, mich weiter zu duzen.

In Ihrem Editorial für das BFE-Magazin energeia haben Sie 2016 geschrieben: «Die Schweiz hat einen schwierigen Stand in der internationalen Energiepolitik.» Würden Sie das heute auch noch so sagen?

Die Isolation der Schweiz hat sich mit der fortschreitenden Integration in Europa und der Pandemie bedeutend verstärkt. Einzig im Pentaforum (Im Penta-Forum arbeiten die Energieministerien aus folgenden Ländern freiwillig zusammen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich und der Schweiz und diskutieren Stromthemen und auch weitere Energiethemen wie Wasserstoff) werden wir noch als ebenbürtiger Partner wahrgenommen.

Zur Person:

Die BFE-Laufbahn von Jean-Christophe Füeg begann 2001. Er führte Verhandlungen mit der EU und internationalen Organisationen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) oder der UNO-Unter-Organisation Wirtschaftskommission für Europa. Er war zudem Leiter von Experten-Gremien zur Beurteilung der Energiepolitik von verschiedenen Ländern wie Indien, Indonesien, Chile, Kanada, Russland, Estland, Türkei, Kroatien, Mazedonien oder Mongolei.

Zuvor – von 1999 bis 2001 – war Füeg Leiter (Administrator) der Abteilung der Nicht-Mitgliedsorganisationen der IEA in Paris. Von 1998  bis 1999 war er Co-CEO von IHS Energy/Petrolconsultants Group für Öl und Gas. Von 1985 bis 1996 hatte er verschiedene Positionen im Bereich Erdölberatung in der ehemaligen Sowjetunion, Angola, Italien und Indonesien. Jean-Christophe Füeg hat ursprünglich Internationale Beziehungen, Russisch und Kunstgeschichte in Genf studiert.

Argumente wie «Die Schweiz als Stromdrehscheibe Europas» sind indes längst verpufft. Die Nordsee mit ihrem Windkraft- und Wasserstoff-Hub ist längst ein grösserer Faktor.  Man lächelt uns freundlich zu, aber wir werden kaum noch als Teil einer energiepolitischen Schicksalsgemeinschaft wahrgenommen.

Gut zehn Jahre ihres Berufslebens drehten sich um Erdöl. Sie haben zahlreiche Länder beraten. Reden Sie heute über diesen Energieträger anders als in den 1990er-Jahren?

Kaum. Hochentwickelte Länder können sich einen Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte Jahrhundert leisten – abgesehen von den grauen Emissionen unserer Importe. Ganz anders die Entwicklungs- und Schwellenländer.

Die IEA sieht den Zenit der Erdölförderung in wenigen Jahren. Danach wird die Förderung über viele Jahrzehnte langsam sinken. Selbst das tugendhafte Dänemark wird erst 2050, nachdem es das letzte Kohlenwasserstoffmolekül aus seinem Boden gepresst hat, die Förderung aufgeben. Jemand wird das Erdöl fördern, raffinieren und transportieren müssen. Wenn es nicht die von Aktivisten verteufelten Ölmultis sind, dann die mittelöstlichen, russischen oder chinesischen Staatsfirmen. Ob das für die Umwelt und die gute Regierungsführung von Vorteil ist?

An welche Begegnung während Ihrer Berufskarriere erinnern Sie sich besonders gern?

Viele, auch überraschende. Ein türkischer konservativer Energieminister, der mir nach einer langen Verhandlungsnacht mit einem High Five gratuliert. Ein chinesischer Energie-Vizeminister, der mich nach einer mehrstündigen Sitzung, für die ich eigens nach Beijing geflogen war und gegen den Schlaf kämpfte, umarmte. Der Präsident von Ghana, dem ich bei einem offiziellen Essen in 60 Sekunden den Erneuerbaren blockierenden Reformstau in seinem Land erklären konnte, so dass er umgehend seinen Minister schalt.

Nun werden Sie pensioniert. Wie wird das Thema Energie Sie weiterhin beschäftigen?

Ich bin zum Schluss gekommen, dass Energie zu anspruchsvoll ist, um sich nur im Teilpensum damit zu beschäftigen. Man wird schnell obsolet und schweigt dann lieber.

Interview: Brigitte Mader, Kommunikation, Bundesamt für Energie
Foto: Brigitte Mader, BFE

 

 

 

 

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