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Etliche Mythen rund ums Stromnetz halten sich hartnäckig. Doch stimmen sie wirklich? Der Swissgrid-Netzexperte Marc Vogel kennt die Fakten. Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid hat in ihrer Blog-Serie «Unser Netz» den Mythen-Check zu 12 häufigen Behauptungen gemacht. Energeiaplus publiziert den Blog als Zweitverwertung. Hier gehts zum 1. Teil mit den Mythen 1 bis 6, Fakten zu den Mythen 7 bis 12 lesen Sie in diesem Artikel.

Mythos 7: Strom kann gezielt über einzelne Leitungen von A nach B geleitet werden.

Marc Vogel ist Senior Specialist Market & System Design bei Swissgrid. Bild: Swissgrid

Marc Vogel: Wenn der Strom von Punkt A zu Punkt B fliesst, gelangt er nicht zwangsweise auf direktem Weg dorthin, sondern teilt sich auf die verschiedenen Leitungen die A und B verbinden auf. Das ist unter anderem für den grenzüberschreitenden Handel relevant: Unter Umständen fliesst nur ein Teil des gehandelten Stroms direkt über die Landesgrenze – und ein anderer Teil über das Netz eines benachbarten, am Handel unbeteiligten Landes. Ein Beispiel: Deutschland liefert Strom an Frankreich. Der Strom fliesst aber nur teilweise direkt über die deutsch-französische Landesgrenze und zu einem anderen Teil via Schweiz von Deutschland nach Frankreich. Solche ungeplanten Flüsse führen zu einer Grundbelastung des Stromnetzes unbeteiligter Länder, in unserem Beispiel der Schweiz, was deren Import- und Exportmöglichkeiten reduzieren kann.

Link: Ungeplantes im Stromnetz – ein Risiko für die Schweiz (swissgrid.ch)

Mythos 8: Das Schweizer Übertragungsnetz funktioniert unabhängig von den Nachbarländern.

Das stimmt nicht. Denn das Übertragungsnetz der Schweiz ist ein Teil des europäischen Übertragungsnetzes, das von Portugal bis Lettland und von Dänemark bis Griechenland reicht. Es funktioniert wie eine einzige grosse Maschine, die mit gleichen Spielregeln von allen europäischen Netzbetreibern gemeinsam betrieben wird. Swissgrid hat als Koordinatorin für Südeuropa zusammen mit dem deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der für Nordeuropa zuständig ist, eine wichtige Aufgabe für den sicheren Netzbetrieb in ganz Europa. Damit das Netz auch zukünftig sicher und effizient betrieben werden kann, braucht es ein Stromabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Ohne Stromabkommen steigen die volkswirtschaftlichen Kosten und die Netzstabilität sowie die Versorgungssicherheit sind gefährdet. Ein Stromabkommen ist somit nicht nur im Interesse von Swissgrid, sondern auch im Interesse aller Schweizer Endverbraucherinnen und -verbraucher.

Link: Europäischer Strombinnenmarkt (swissgrid.ch)

Mythos 9: Das Übertragungsnetz verliert an Bedeutung, da immer mehr erneuerbarer Strom lokal erzeugt wird und lediglich übers Verteilnetz transportiert werden muss.

Der Ausbau von Solaranlagen und Windparks beansprucht tatsächlich zuerst die Verteilnetze mit niedriger Spannung. Doch gerade bei grossen Anlagen wie alpinen Solaranlagen und grossen Windparks vor den Küsten Europas, wie sie die EU plant, braucht es für den Transport des Stroms auch das inländische und das grenzüberschreitende Übertragungsnetz. Hinzu kommt: In Zeiten mit geringer lokaler Stromproduktion durch Solar- und Windenergieanlagen muss Strom von weiter entfernten Kraftwerken oder Speichern zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern transportiert werden. Auch deshalb bleibt das Übertragungsnetz unverändert wichtig.

Link: Bei Solaranlagen immer auch ans Stromnetz denken (swissgrid.ch)

Mythos 10: Bei Bedarf lassen sich rasch neue Übertragungsleitungen bauen oder bestehende verstärken.

Das wäre wünschenswert, entspricht aber nicht der Realität. Derzeit dauern solche Projekte vom Projektstart bis zur Inbetriebnahme einer neuen Leitung rund 15 Jahre. Einsprachen und Gerichtsurteile führen allerdings immer wieder dazu, dass sich Projekte deutlich verzögern – und bis zu 30 Jahre dauern. Diese Zeitdauer soll in Zukunft möglichst gesenkt werden, damit die Entwicklung des Stromnetzes mit dem Wandel des Energiesystems sowie mit den Anforderungen der Netzbetreiber und -nutzerinnen Schritt halten kann. Nur so kann der Strom vom Erzeugungsort zu den Verbraucherzentren abgeführt und die Stromversorgung auch zukünftig sichergestellt werden.

Link: Bewilligungsverfahren (swissgrid.ch)

Mythos 11: Wenn viel mehr Elektroautos in Betrieb sind, bricht das Stromnetz zusammen.

Um Lastspitzen beim gleichzeitigen Laden vieler E-Autos zu vermeiden, muss ein cleveres Lademanagement implementiert werden. Smart gesteuert, haben Elektroautos sogar das Potenzial, das Stromnetz zu entlasten, indem sie als Speicher dienen. Dazu braucht es an den Arbeitsplätzen konventionelle Ladestationen und zu Hause bidirektionale Ladestationen. So können die Elektrofahrzeuge tagsüber geladen und in der Nacht entladen werden. Vehicle-to-Grid und bidirektionales Laden ist aktuell in Europa noch teuer, und es bestehen regulatorische Hürden.

Mythos 12: Jede Tarifanpassung beim Übertragungsnetz wirkt sich stark auf die Stromkosten der Haushalte aus.

Der Stromtarif für Haushalte setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. So bezahlen die Konsumentinnen und Konsumenten nicht nur für den gelieferten Strom, sondern unter anderem auch für dessen Transport. Swissgrid verantwortet als nationale Netzgesellschaft einen Teil des Wegs des Stroms. Mit den Tarifen für das Übertragungsnetz finanziert Swissgrid den sicheren und stabilen Betrieb sowie den Ausbau und die Modernisierung des Übertragungsnetzes. Diese Komponente macht nur rund sieben Prozent der jährlichen Stromkosten eines Haushaltskunden aus. Daher hat eine Tariferhöhung oder -senkung von Swissgrid nur eine geringe Relevanz für den einzelnen Stromverbraucher, die einzelne Stromverbraucherin. Aktuell verrechnet Swissgrid im Auftrag des Bundes die mit der Stromreserve verbundenen Kosten. Die Stromreserve ist eine Versicherung gegen eine Strommangellage im Winter. Für das Rückhalten von Wasser in den Speicherseen und für die Vorhaltung von Gas-Reservekraftwerken entstehen Kosten, welche rund vier Prozent der jährlichen Stromkosten ausmachen.

Link: Alles rund um den Strompreis (swissgrid.ch)

Autorin: Sandra Bläuer; Communication Manager, Swissgrid
Bild: Swissgrid

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Rekord für die Elektromobilität 2022: Knapp mehr als jedes vierte Auto, das im vergangenen Jahr neu für den Verkehr zugelassen wurde, hatte einen Stecker. Wie sieht es mit der Infrastruktur für die Elektromobilität aus? Und wie verträgt sich die aktuelle Energiemangellage mit der Elektrifizierung der Mobilität? Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie, hat sich in der Spezialausgabe «Alternative Antriebe» des Fachmagazins AUTOINSIDE dazu geäussert. Lesen Sie bei Energeiaplus das AUTOINSIDE-Interview mit Christoph Schreyer.

Sieht Aufholpotenzial bei der Infrastruktur bei Mehrparteiengebäuden und wartet auf seinen VW ID.3: Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr; Bild: BFE

Christoph Schreyer, von aussen betrachtet entsteht der Eindruck, dass der Aufbau einer ausreichenden Ladeinfrastruktur – öffentlich wie privat – eher langsam vorankommt. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Christoph Schreyer: Dieser Eindruck täuscht. Die Infrastruktur wächst rasant. Allein in den letzten zwei Jahren stieg die Zahl öffentlicher Ladestationen in der Schweiz von 5100 auf gegen 9000. McKinsey hat in einer Publikation im Jahr 2021 den Ausbaustand der öffentlichen Ladeinfrastruktur in der Schweiz als weit fortgeschritten eingestuft, auf einer Linie mit Ländern wie den Niederlanden sowie den nordischen Staaten wie Norwegen oder Schweden. Wo es heute noch klemmt, ist vor allem in Mehrparteiengebäuden. Dort sind zu Beginn hohe Anfangsinvestitionen notwendig, damit eine skalierbare Ladeinfrastruktur mit Lastmanagement erstellt werden kann, auch wenn erst wenige Elektroautos in der Garage stehen. Diese Hürden sollen beispielsweise mit der geplanten Förderung im CO2-Gesetz überwunden werden. Und im Rahmen der Roadmap Elektromobilität erstellen wir gerade mit allen beteiligten Verbänden und weiteren Wirtschaftsakteuren einen gemeinsamen Leitfaden zum Laden in Mehrparteiengebäuden. Da gibt es heute auch noch grosse Informationsdefizite.

Inwiefern beeinflusst die aktuelle Perspektive einer Energiemangellage die rasche und breite Einführung der Elektromobilität? Wie nachhaltig könnte sich die aktuelle Situation Ihrer Ansicht nach auswirken?

Die aktuelle Energiemangellage ist primär verursacht durch Verwerfungen bei den nicht erneuerbaren Energien. Diese Situation hat uns schlagartig vor Augen geführt, wie stark wir in diesem Bereich vom Ausland abhängig sind. Diese Abhängigkeit besteht im Übrigen ebenso bei der Versorgung mit fossilen Treibstoffen. Umso wichtiger ist es, rasch die einheimischen erneuerbaren Energien auszubauen. Hier haben Bundesrat und Parlament in der Herbst-Session 2022 grosse Pflöcke eingeschlagen, damit es rasch vorwärtsgeht. Das Potenzial ist enorm.

Warum soll jemand in der aktuellen Situation ein Elektroauto kaufen?

Weil ein Elektroauto sehr effizient mit Energie umgeht, den CO2-Ausstoss auch unter Berücksichtigung der Herstellung der Batterie massiv reduziert und einen höheren Wiederverkaufswert haben wird als beispielsweise ein Verbrenner. Wir dürfen uns bei langfristigen Entscheiden hier nicht von den aktuellen Verwerfungen im Energiemarkt – die nota bene vor allem durch Probleme mit der Versorgung nicht erneuerbarer Energieträger verursacht wurden – verunsichern lassen. Und wenn wir gleichzeitig mit dem Elektroauto noch eine PV-Anlage installieren, können wir einen beträchtlichen Teil des Strombedarfs gleich selber produzieren. Ich kenne aber niemand, der eine Tankstelle im Garten hat.

Auf der einen Seite promotet das BFE eine konsequente Umstellung auf Elektrofahrzeuge, die mit erneuerbarer Energie versorgt werden, auf der anderen Seite werden wir aber genau davon auch auf absehbare Zeit zu wenig haben. Wie kann dieser Widerspruch Ihrer Ansicht nach aufgelöst werden?

Einerseits durch den raschen Zubau erneuerbarer Energien, das Parlament hat hier in der Herbstsession wichtige Entscheide getroffen. Und andererseits durch mehr Effizienz. Im Frühjahr haben wir einen Bericht zu den Stromeffizienzpotenzialen publiziert, dieser fand damals kaum Beachtung. Darin wird aufgezeigt, dass wir kurz- und mittelfristig bis zu 20 Prozent unseres Stromverbrauchs mit wirtschaftlichen Massnahmen einsparen können. Diese Potenziale müssen wir nutzen, sie rechnen sich.

Das BFE setzt sich für die Elektromobilität ein. Wie steht es dem Begriff «Technologieoffenheit» gegenüber?

«Technologieoffenheit» wird in der Debatte nach meiner Wahrnehmung häufig von denen eingefordert, die am liebsten bei der bestehenden Technologie bleiben möchten. Wenn Sie sehen, was wir beim BFE im Rahmen von Forschungs- und Pilotprojekten alles unterstützen und wie das Regulativ ausgestaltet ist, dann sieht man, dass wir sehr technologieoffen sind. Aber Technologieoffenheit ist kein Selbstzweck. Irgendwann ist auch die Industrie fertig mit Rechnen und Testen und schaut sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Technologien sowie deren Potenziale an zieht ihre Schlüsse daraus.

Halten Sie eine sachliche Antriebsdebatte überhaupt noch für möglich – oder ist der Zug definitiv in Richtung Elektromobilität abgefahren?

Ich nehme die Debatte mehrheitlich – ausser vielleicht in den Kommentarspalten –sachlich wahr. Und das Resultat dieser Debatte sehen sie bei den Plänen der grossen Hersteller. Die allermeisten werden bis 2030/2035 bei den leichten Fahrzeugen aus dem Verbrennungsmotor aussteigen. Diese Hersteller denken langfristig, äusserst sachlich und können sehr gut rechnen. Industriepolitisch ist hier eine klare Positionierung der europäischen Hersteller auch dringend notwendig. In den letzten Monaten kamen vermehrt chinesische Hersteller mit modernen und preislich äusserst attraktiven elektrischen Modellen auf den europäischen Markt. Will die europäische Automobilindustrie den Anschluss nicht verlieren, können nicht mehrere Technologien gleichzeitig mit gleicher Intensität weiterentwickelt werden.

Der CO2-Ausstoss aller Fahrzeuge in den 27 Ländern der EU beträgt 0,9 Prozent der weltweiten CO2-Belastung. Sehen Sie das faktische Verbot von Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor und die damit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen?

Gegenfrage: meine Steuern machen weit weniger als 0,000x Promille des Schweizer Steuersubstrats aus. Soll ich darum wirklich Steuern zahlen? Stehen die Konsequenzen einer allfälligen Betreibung für mich und weiterer steuer- oder strafrechtlicher Massnahmen tatsächlich in einem vertretbaren Verhältnis zum möglichen Steuerausfall? Im Ernst, wir müssen auch auf die Schweiz schauen, der CO2-Ausstoss der Personenwagen machen bei uns knapp einen Viertel der inländischen CO2-Emissionen aus, sind also eine sehr relevante Grösse. In der EU ist der Anteil des Verkehrs an den gesamten CO2-Emissionen in einer ähnlichen Grössenordnung. Sollen die klimapolitischen Ziele erreicht werden, müssen die CO2-Emissionen in diesem Bereich gesenkt werden.

Dürfen wir Sie fragen, was für ein Auto Sie persönlich fahren?

Bald einen VW ID.3, wenn er denn endlich geliefert wird. Und beim Warten bin ich nicht alleine, die Lieferfristen sind gerade für E-Autos sehr hoch, da wurden einige Hersteller offenbar von der grossen Nachfrage überrascht.

Link zur Online-Ausgabe von AUTOINSIDE: https://www.yumpu.com/de/document/read/67442487/autoinside-special-alternative-antriebe

Interview: Reinhard Kronenberg, Viva AG
Bild: shutterstock, Stock-Foto ID: 1792558600; manfredxy

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